Vor etwas mehr als einem Jahr hat Whyte Bikes für viele eher überraschend mit dem E-150 sein erstes E-Mountainbike vorgestellt. Seit ihrer Gründung im Jahre 2000 beschränkte sich die Marke bis dahin ausschließlich auf herkömmliche Fahrräder. Mit dem Whyte Bikes E-160 ist nun seit wenigen Wochen das Update des Premierenmodells auf dem Markt.
Ähnlich innovativ wie das Bike selbst gelungen ist, klingt dessen Entstehungsgeschichte. Gegenüber dem britischen Bike-Magazin „Mountain Bike Rider“ erklärte Samuel Shucksmith, bei Whyte Bikes der verantwortliche Ingenieur für die E-Bike-Sparte, dass man unbedingt zu den ersten Marken gehören wollte, die den neuen Bosch-Motor Performance Line CX mit 85 Newtonmetern integrieren wollten. Wie aber entwickelt man ein E-Bike, wenn es den Motor dafür noch gar nicht gibt? „Von Bosch haben wir Attrappen des Motors sowie des Akkus erhalten. Um die herum haben wir unser Design gestaltet“, berichtete Shucksmith. Damit nicht nur die Größe, sondern auch das Gewicht in Konstruktion und Fahrtests einfließen konnte, sei die Hülle des Akkus beispielsweise mit Fahrradketten gefüllt worden. „Nur die Motorleistung konnten wir natürlich nicht imitieren. Die rund 25 Kilogramm schweren Testversionen galt es allein per Muskelkraft zu bewegen.“
Wenn Philosophie in Design übertragen wird
Angesichts solcher Geschichten ist es erstaunlich, in welch hohen Tönen erste Fahrberichte vom E-160 sprechen. Gelobt wird auffällig häufig die gelungene Gewichtsverteilung des Bikes. Der Schwerpunkt liege enorm niedrig, was es ausgesprochen agil und dynamisch mache. Tatsächlich verfolgt Whyte Bikes bei der Integration des elektrischen Antriebs in den Rahmen einen ganz eigenen Ansatz. „Den Motor bauen wir ein wenig nach oben geneigt ein“, erklärt Shucksmith. „Dadurch rutsch der Akku im Unterrohr weiter nach unten und reicht sogar ein Stück weit unter den Motor.“ Bis zu 150 Millimeter sitze der Akku somit tiefer als bei den Mitbewerbern. Ihr könnt das auch recht gut am Rahmen von außen erkennen. Das Unterrohr verjüngt sich nämlich ein wenig im oberen Teil in Richtung Steuerrohr. Mit einem Akku, der bis dort hoch reicht, wäre das nicht möglich.
Ansonsten hat Whyte Bikes versucht, ein Fahrgefühl zu schaffen, das dem des herkömmlichen Mountainbikes möglichst nahekommt. Die Briten waren nach eigenen Angaben deshalb vor allem bemüht, relativ leichte Federelemente zu montieren. Shucksmith erklärt das mit einer Fehlannahme, der manch anderer Hersteller aufsitze. „Das höhere Gewicht des E-Bike verlangt nicht zwangsläufig nach mehr Federweg und größeren und schwerere Dämpfern“, sagt der ehemalige Weltcup- und Elite-Downhill-Rennfahrer. Es genüge, die Dämpfung vorrangig auf das Absorbieren von Unebenheiten auszurichten. „Sie muss aber nicht für die Stabilität des Bikes sorgen. Da wirkt sich ja das höhere Eigengewicht eines E-Bikes schon positiv aus. Und sie braucht auch nicht für eine Effizienz beim Pedalieren sorgen, wie wir sie vom Bike ohne E-Antrieb kennen. Dafür gibt es ja die Motorunterstützung.“
Experimentieren ja, aber vorsichtig
Eingebunden ist die Federung in einen hydrogeformten Rahmen aus 6061-Aluminium. Gegenüber dem Vorgängermodell E-150 hat das E-160 zehn Millimeter an Federweg bei der Federgabel gewonnen. Am Dämpfer sind es nun fünf mehr als zuvor. Die Geometrie ist größtenteils unverändert. Aufgrund der größeren Federelemente liegt das Tretlager nun zehn Millimeter als zuvor. Die um wenige Millimeter angewachsenen Kettenstreben sorgen für eine leicht verbesserte Balance.
Neu am Whyte Bikes E-160 sind die etwas größeren Bremsscheiben. Vorn messen die Rotoren 220 Millimeter, hinten sind es 200 Millimeter. In den Laufrädern stecken nach wie vor die hervorragenden HTZ i30 Felgen von WTB.
Über den elektrischen Antrieb habt ihr schon etwas gelesen. Den leistungsfreudigeren Bosch Performance Line CX Gen4 kombinieren Whytes Bikes mit Boschs PowerTube-Akku mit 625 Wattstunden und dem Purion-Display. Am Letztgenannten hängen sich einige Kritiker auf. Es sei zu klobig und passe nicht recht an solch ein elegantes Bikes. Das könnt ihr im Zweifelsfall ja jeweils für euch selbst entscheiden. Mit Sicherheit würde das Kiox dort auch eine gute Figur abgeben.
Akku lieber im Bike laden
Fahrerisch überzeugt das E-160 anscheinend die meisten. Als Tücke im Alltag erweist sich hingegen die Integration des Akkus. Diese lässt den Schwerpunkt des Bikes schön tief absinken. Dort unten sind aber vielleicht auch eure Mundwinkel, wenn ihr das erste Mal den Akku zum Aufladen aus dem Bike entnehmen möchtet. Das ist nämlich nicht ohne Weiteres möglich. Vorher müsst ihr ein Cover nahe des Tretlagers abschrauben und danach eine weitere Sicherungsschraube im Rahmen lösen. Anschließend lässt sich der Akku nach unten herausziehen. Einfach ohne Werkzeug herausnehmen ist nicht. Wir empfehlen euch, das Bike im Montageständer einzuspannen. So erreicht ihr bequem die Unterseite und alle anderen Komponenten bleiben unversehrt. Alternativ könnt ihr natürlich auch das Bike umdrehen und auf Lenker und Sattel stützend abstellen.
So baut ihr den Akku aus und ein
Zwei Modelle sind auch eine Produktreihe
Als eher kleinerer Fahrradersteller stellt Whyte Bikes die Modellreihe eher übersichtlich auf. Ihr habt die Wahl zwischen zwei Modellen. Das Topmodell, das E-160 RS, kommt zum Beispiel mit einer Federgabel Fox Float 38 Performance auf den Markt. Deren massiven Rohre verleihen euch auf dem Trail ein gehöriges Maß an Stabilität in der Front. Dazu gibt es die SRAM Eagle-Kassette mit 52 Zähnen. Klingt vielleicht ein wenig überdimensioniert an einem E-Bike? Nun, zumindest an extrem steilen Anstiegen können sich diese zwei Extra-Zähne als Vorteil erweisen. Ihr haltet die Trittfrequenz schön hoch und damit das Bike in Bewegung. Außerdem ist es eine wohltuende Versicherung für den Fall, dass der Akku zwischendurch erschöpft ist. Spätestens dann werden sich einige über diese kleine Übersetzung freuen.
Preislich knapp unter ist das E-160 S angesiedelt. Der Unterscheid zum E-160 RS fällt eher gering aus.
Hier müsst ihr etwa mit der nur maximal 50 Zähne zählenden Kassette Vorlieb nehmen. Auf den Federelementen findet sich der Schriftzug von RockShox statt Fox. Die einfahrbare Sattelstütze ist nicht die Edelvariante von Crank Brothers. Und außerdem gibt es bei den Reifen und den Bremsen leichte Abstufungen.
Auch an den Vorgänger gedacht
Nicht verschweigen können wir den Preissprung, den Whyte Bikes beim E-160 hinlegen. Beide Modelle kosten rund 500 Euro mehr, als noch vor rund einem Jahr die Varianten des E-150. Wer von euch den Vorgänger im Fahrradkeller stehen hat, darf sich über ein anderes Detail freuen. Whyte Bikes hat angekündigt, einen Stoßdämpfer-Extender namens Shape.It-Link auf den Markt zu bringen. Mithilfe dessen Einstellungen verändert ihr die Geometrie und die Tretlagerhöhe. Das gute Stück wird mit dem E-150 kompatibel sein.
Whyte Bikes E-160 S
Rahmen: 6061 Alloy, Hydro Formed T6 Aluminium
Gabel: RockShox ZEB 27.5″, 160 mm Travel
Dämpfer: RockShox Deluxe Select + RT, DebonAir, Fast Black Coating
Hinterradnabe: Alloy, e-bike specific, Double Sealed Cartridge Bearings, 12 mm x 148 mm Boost Through Axle, 32 Hole
Vorderradnabe: Alloy, Double Sealed Cartridge Bearings, 15 mm x 110 mm Boost Through Axle, 31 mm Torque Caps, 32 Hole
Felgen: WTB HTZ i30 TCS 2.0 System
Vorderreifen: WTB Verdict TCS System 27.5″ X 2.5″
Hinterreifen: WTB Verdict TCS System 27.5″ X 2.5″
Kassette: SRAM PG-1210 Eagle, 11-50, 12 Speed
Sattelstütze: Whyte drop.it Adjust, 30.9 mm
Bremse vorn: SRAM Guide GE, 4 Pot with Sintered Metal Pads, 220 mm Rotor
Bremse hinten: SRAM Guide GE, 4 Pot with Sintered Metal Pads, 200 mm Rotor
Farbe: Matt Burnt Orange with Black & Earth
Motor: Bosch Performance Line CX (Gen 4)
Akku: Bosch 625 Wh internal PowerTube
Display: Bosch Purion
Preis: 6.199 Euro
Whyte Bikes E-160 RS
Rahmen: 6061 Alloy, Hydro Formed T6 Aluminium
Gabel: Fox Performance 38 27.5″, 160 mm Travel
Dämpfer: Fox Float Performance DPS, Evol LV
Hinterradnabe: Alloy, e-bike specific, Double Sealed Cartridge Bearings, 12 mm x 148 mm Boost Through Axle, 32 Hole
Vorderradnabe: Alloy, Double Sealed Cartridge Bearings, 15 mm x 110 mm Boost Through Axle, 31 mm Torque Caps, 32 Hole
Felgen: WTB HTZ i30 TCS 2.0 System
Vorderreifen: Maxxis Assigai WT, TR, 27.5″ x 2.5″
Hinterreifen: Maxxis Minion DHR WT, TR, 27.5″ x 2.5″
Kassette: SRAM PG-1275 Eagle, 10-52, 12 Speed
Sattelstütze: Crank Brothers Highline 3, 30.9 mm
Bremse vorn: SRAM Code R, 4 Pot with Sintered Metal Pads, 220 mm Rotor
Bremse hinten: SRAM Code R, 4 Pot with Sintered Metal Pads, 200 mm Rotor
Farbe: Matt Moss with Yellow & Grey
Motor: Bosch Performance Line CX (Gen 4)
Akku: Bosch 625 Wh internal PowerTube
Display: Bosch Purion
Preis: 6.899 Euro
Hintergrund: Vom Rennasphalt ins Gelände
Gegründet wird die Marke Whyte Bikes wie erwähnt 2000. Ihre Geschichte beginnt aber schon ein paar Jahre früher. Jon Whyte, Gründer und Namensgeber, arbeitet in den 1990er Jahren als Ingenieur beim Formel-1-Rennstall Benetton. Also dort, wo ein gewisser Michael Schumacher 1991 sein Debüt in der Elite des Motorsports gibt. Mit einem eigenen Team startet Whyte 1994 seine Idee von einem eigenen Mountainbike. Schon im Jahr darauf lizensiert er den ersten selbst entworfenen Eingelenker-Hinterbau. In den darauffolgenden Jahren fahren damit Marin Bikes jede Menge internationale Preise und Beachtung ein – bis Jon Whyte seine eigene Marke aus der Taufe hebt. Anfangs in Großbritannien, später auch international, gelten die Bikes mit dem stylischen Geweih am Steuerrohr vor allem innerhalb der Trail- und Enduro-Szene als angesagt. Seit 2017 gibt es unter dem Dach von Hawk Bikes einen Vertrieb in Deutschland. Jon Whyte ist inzwischen nur noch als Berater für die Marke tätig, die vom beschaulichen St. Leonards on Sea an der englischen Kanalküste aus operiert.
Bilder: Whyte Bikes LTD