Zum Inhalt springen

Arbeitet Sram an einem eigenen E-Bike-Motor?

Sram Blackbox Test Pilot Program für E-Enduro World Series 2022

Mit der Anmeldung eines eigenen Rennteams in der Enduro World Series für E-Bikes (E-EWS) hat Sram Gerüchte um eine möglicherweise bald bevorstehende Präsentation eines eigenen E-Bike-Antriebes geschürt. Die gewöhnlich sehr gut informierten Fahrradmagazine Bikeradar (Großbritannien), Pinkbike (USA) und Bike Europe (Niederlande) spekulieren offen darüber, ob der Branchenriese aus den USA in den Bereich der E-Bikes als Motorenanbieter zurückkehrt. Wir fassen für euch den aktuellen Stand zusammen.

1. Worauf basieren die Vermutungen?
2. Was genau hat Sram vor?
3. Was für ein Antrieb könnte es werden?
4. Bauen oder bauen lassen?
5. Was sagt Sram zu den Gerüchten?
6. Frühere E-Bike-Motoren von Sram

1. Worauf basieren die Vermutungen?

Am 16. Februar haben die Veranstalter der Enduro World Series die Teams für die Saison 2022 offiziell vorgestellt. Anscheinend recht unverhofft, taucht darunter der Name „BlackBox Test Pilot Program“ auf. In der Vergangenheit hat Sram die Bezeichnung BlackBox verwendet, um eigene Prototypen als solche auszuweisen. Derart beschriftet und die entscheidenden Details verbergend, wurden Komponenten unter den Augen der Öffentlichkeit unter Rennbedingungen getestet. Jetzt geht ein Team in einer Rennserie für E-Mountainbikes an den Start, das diese Bezeichnung im Namen trägt und dessen Fahrer ein Sram-Basecap und ein Sram-Shirt trägt. Das wirkt schon sehr offensichtlich.

Einziger bisher benannter Fahrer des Teams ist der 37-jährige Franzose Yannick Pontal. In der vergangenen Saison ist der für das französische Team Cycles Peugeot in der EWS unterwegs gewesen. Pinkbike rechnet damit, dass sich bis zum tatsächlichen Beginn der Rennserie zu ihm noch weitere Fahrer hinzugesellen werden. Ein Team mit nur einem Fahrer wirke nach außen hin reichlich verwirrend.

Als Sponsoren des BlackBox Test Pilot Program erscheinen auf der Seite der EWS neben Sram mit RockShox, Time und Zipp drei weitere Marken, die zur Sram-Gruppe gehören. Einziger „Außenseiter“ ist zum jetzigen Zeitpunkt der Bekleidungshersteller Troy Lee Designs. Auffällig an der dieser Auflistung: Unter den erwähnten Namen tauchen weder ein Fahrradhersteller noch ein Hersteller von Fahrradrahmen auf.

Screenshot für die Team-Seite von BlackBox Test Pilot Program auf der Wegseite der Enduro World Series

Aktuell gibt es auf der Webseite der Enduro World Series keine Details zum Team „BlackBox Test Pilot Program“.

2. Was genau hat Sram vor?

Sram ist als Ausrüster an anderen EWS-Teams beteiligt. Folglich kann das Mitmischen bei einem weiteren Team – in welchem Umfang auch immer – nicht vollkommen überraschen. Ganz offen gibt Bikeradar zu, dass bisher vollkommen ungewiss sei, was genau hinter der Aktion von Sram stecke.

Theoretisch bestünde die Möglichkeit, dass es allein um das Erproben neuer Komponenten gehe. Das britische Magazin schließt solche Gedankenspiele jedoch weitestgehend aus. Es hält eine elektronische Version der auf E-Bikes ausgelegten Schaltgruppe EX1 von Sram für ebenso unwahrscheinlich wie neue Federgabeln und Bremsen. Aus seiner Sicht sprechen die Anzeichen am ehesten für ein komplettes E-Antriebssystem.

Logo des Teams BlackBox Test Pilot Program von Sram

Logo des Teams BlackBox Test Pilot Program von Sram

3. Was für ein Antrieb könnte es werden?

In welcher Richtung dieser gehen könnte, legt die Teilnahme an der E-EWS nahe. Systeme mit Hinterradnabenmotoren á la Mahle oder ein nahezu vollständig entnehmbarer Antrieb wie der von Fazua wären angesichts des Rennformates anderen Antrieben deutlich unterlegen. Stattdessen könnte ein kommendes System eher Aggregaten wie dem Bosch Performance CX, dem Panasonic GX Ultimate Pro Fit oder dem Giant SyncDrive Pro2 ähneln. Das hieße: Mittelmotor, Dauernennleistung bei 250 Watt sowie ein Drehmoment zwischen 70 Newtonmeter und 100 Newtonmeter.

Bikeradar erinnert zudem an die vielen elektronischen Features, die heutzutage Produkte der Sram-Gruppe aufweisen. Eventuell bindet ein neuer Antrieb von Sram von Beginn an Komponenten wie Bedieneinheiten und Displays kabellos in das System ein. Denkbar wäre für das Magazin sogar, dass Sram zum ganz großen Schlag ausholt und an einem Motor mit integriertem Getriebe arbeitet. An der nötigen Kreativität und Innovationskraft mangele es dem Hersteller jedenfalls nicht. Das habe die Vergangenheit mehrfach gezeigt.

Adäquat zum Motor müsste ein Enduro-tauglicher Akku eine Kapazität zwischen 600 Wattstunden und 750 Wattstunden mitbringen. Das hängt unter anderem davon ab, wie stromsparend sich der Motor zeigt und welcher Wirkungsgrad ihn auszeichnet.

4. Bauen oder bauen lassen?

Einen zuverlässigen E-Bike-Antrieb auf die Beine zu stellen, ist trotz allem kein einfaches Unterfangen. Dessen sind sich die beteiligten Personen bei Sram garantiert bewusst. Daher lautet eine der spannendsten Fragen in diesem Zusammenhang, ob Sram dies selbst in die Hand nehmen würde oder sich mit Partnern zusammenschließt, die dies bereits erfolgreich gemeistert haben. Immerhin folgen die Kooperationen von Giant mit Yamaha und Flyer mit Panasonic genau diesem Muster. Auch die Option der Zusammenarbeit von Sram mit einem Unternehmen, das bisher keinen E-Bike-Motor herstellt, aber die nötige Erfahrung und das Knowhow mitbringt, zieht Bikeradar in Betracht.

Dass es auch allein gelingen kann, hat Shimano spätestens mit dem EP8 gezeigt. Inklusive des Beleges, wie viel Lehrgeld man eventuell auf dem Weg dorthin zahlen muss.

5. Was sagt Sram zu den Gerüchten?

Nach eigener Aussage hat Bikeradar versucht, von Sram eine offizielle Stellungnahme zu diesen Spekulationen zu erhalten. Vergeblich. Die US-Amerikaner lassen sich bisher nicht in die Karten schauen. Genauso wenig Einblicke liefern momentan die Internetseite der EWS oder die Social-Media-Accounts von Yannick Pontal.

In den Kommentaren zu einem Bericht von Pinkbike hat sich ein User namens „needmoregears“ am 17. Februar 2022 dagegen recht weit herausgewagt. Der 49-jährige Mann aus Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee schreibt, Sram teste seit kurzem einen Motor für E-Bikes. Für ihn sehe es so aus, als ob der Hersteller nur bereit sei, das System öffentlich zu zeigen. Wie glaubwürdig dieser Kommentar ist, können wir nicht beurteilen.

Laut Kalender steigt das erste Rennen der diesjährigen E-EWS am 2. Juni im schottischen Innerleithen. Spätestens dann sollte es verlässlichere Infos geben.

6. Frühere E-Bike-Motoren von Sram

Sollte Sram mit dem BlackBox Test Pilot Program tatsächlich einen eigenen Motor testen, wäre dies bereits der dritte Vorstoß in dieser Richtung. Vor nunmehr 20 Jahren präsentierte der Hersteller den Hinterrad-Nabenmotor „Sparc“. Der wog 2,5 Kilogramm und leistete maximal 400 Watt. Er ließ sich an einem herkömmlichen Fahrrad einfach nachrüsten.

Gut zehn Jahre später folgte mit „E-Matic“ der nächste Anlauf. Wieder handelte e sich um einen in der Hinterradnabe verbauten Motor. Sein maximales Drehmoment betrug immerhin schon 60 Newtonmeter. Ihm stellte Sram Gepäckträgerakkus verschiedener Größen zur Seite, die für Reichweiten zwischen 30 Kilometer und 95 Kilometer gut waren.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Gerüchte bemerkenswert: Sowohl Sparc als E-Matic besaßen integrierte Nabenschaltungen – mit fünf beziehungsweise zwei Gängen. Vielleicht liegt Bikeradar mit seinen Vermutungen ja doch richtig.

 

Bilder: Sram LLC; Enduro Sports Organisation Ltd.; Instagram / Yannick Pontal; Electra Bicycle Company

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert