New York und E-Bikes – das ist zurzeit ein heikles Thema. Fast 200 Brände verzeichnete die New Yorker Feuerwehr im vergangenen Jahr, bei denen Akkus von E-Bikes oder E-Rollern als Auslöser gelten. Mehrere Menschen starben dabei, darunter auch Kinder. Im Rathaus von New York, dem New York City Council, versuchen Abgeordnete die Lage mit neuen Gesetzen in den Griff zu bekommen. Manche würden E-Bikes am liebsten bis auf Weiteres komplett von den Straßen verbannen.
Anzahl an Bränden rasant gestiegen
Angesichts der ernsten Lage herrscht eine angespannte Stimmung auf den Fluren des Rathauses. Mitglieder unterschiedlicher Ausschüsse haben Vorschläge unterbreitet, mit welchen Maßnahmen weitere Feuerwehreinsätze und vor allem weitere Todesfälle verhindert werden können. Wie so oft, gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, was am besten zu tun sei. Einig sind sich jedoch alle, dass es etwas getan werden muss. Insgesamt 216 Male rückte das New York Fire Department 2022 aus, um einen Brand im Zusammenhang mit Lithium-Ionen-Batterien zu löschen. Genau 147 Menschen wurden dabei verletzt. Sechs Menschen kamen ums Leben.
Die Zahlen allein machen bereits betroffen. Noch besorgniserregender ist allerdings der Trend, der sich dahinter verbirgt. Denn 2021 bewegte sich die Statistik mit 104 Bränden, 79 Verletzten und vier Todesfällen auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Geht man in das Jahr 2020 zurück, scheint das Brandgeschehen von damals mit 44 Bränden, 23 Verletzten und keinen Toten kaum etwas mit den aktuellen Zahlen zu tun zu haben. Das Jahr 2020 ist als Vergleichswert so relevant, weil in dem Jahr das Fahren mit E-Bikes in New York freigegeben worden war.
Künftig Zertifizierung zwingend für E-Bike-Akkus?
Wenn es um mögliche Lösungen geht, spielt der Ausschuss für Brandschutz und Notfallmanagement im Rathaus, das Committee on Fire and Emergency Management, eine zentrale Rolle. Dort sitzen diejenigen, die sich mit der Brandbekämpfung und schwerpunktmäßig mit der Brandverhütung beschäftigen. Mitglieder dieses Ausschusses haben mehrere Vorschläge unterbreitet, wie das geltende Verwaltungsgesetz verändert werden sollte.
Joann Ariola sitzt dem Ausschuss vor. Sie unterstützt einen Vorschlag mit dem Kennzeichen Int 0663-2022, der offiziell bisher die meisten Fürsprecher auf sich vereinen kann. Er möchte den Verkauf von Akkus für Fortbewegungsmittel wie E-Bikes oder E-Roller verbieten, wenn diese Batterien nicht von einem national anerkannten Prüflabor oder einer anderen zugelassenen Organisation aufgelistet und gekennzeichnet sind. Wer sich nicht an das Gesetz hält, muss mit einer zivilrechtlichen Strafe rechnen. Die könnte sich irgendwo zwischen einer Verwarnung bei einem ersten Verstoß und einer Geldstrafe in Höhe von maximal 1.000 US-Dollar bewegen, wenn man innerhalb der nächsten zwei Jahre erneut das Gesetz missachtet.
Rigoroses Verbot von E-Bikes debattiert
Weniger Unterstützung findet derzeit der Vorschlag mit dem Kennzeichen Int 0883-2023. Initiator ist der Stadtrat Robert F. Holden. Er möchte Teile des Verwaltungsgesetzes aufheben lassen, die das Fahren mit bestimmten E-Bikes und E-Scootern in New York City bisher gestatten. Bei Zuwiderhandlung droht ein Bußgeld von 500 US-Dollar. Der Entwurf zielt darauf ab, die E-Bikes so lange aus dem Verkehr zu verbannen, bis eine klare Regelung zum Umgang mit den Akkus existiert. Nach Holdens Meinung wurde die Legalisierung der E-Bikes 2020 planlos und überstürzt umgesetzt.
Andere Mitglieder im Rathaus wollen nicht so weit gehen. Sie haben eher ein Informationsdefizit erkannt. Deshalb schlägt die Stadträtin Gale A. Brewer in dem von ihr eingereichten Int 0656-2022 vor, dass die Feuerwehr New Yorks eine Aufklärungskampagne über die Gefahren von Lithium-Ionen-Batterien starten solle. Mit ihrem zweiten Vorschlag, dem Int 0752-2022, nimmt sie den Markt an gebrauchten Akkus ins Visier. Und zwar sollen auf Second-Hand-Märkten nicht länger Akkus angeboten werden können, die wiederaufbereitet oder anderweitig manipuliert wurden.
Noch bevor überhaupt final über alle Gesetzesentwürfe beraten wird, hat sich die New Yorker Feuerwehr positioniert. Grundsätzlich sei sie mit den Vorschlägen einverstanden, wird die Behörde auf dem Onlineportal „Bicycle Retailer and Industry News“ zitiert.
Abstellen von E-Bikes in Miethäusern untersagt
Einen eindeutigen Frühstart legen dagegen einige Hausverwaltungen in New York hin. Obwohl noch kein einziger Beschluss vorliegt, versenden sie bereits Schreiben an Mietparteien, in denen sie das sofortige Entfernen von E-Bikes aus dem Haus fordern. Sollte ein unerlaubt abgestelltes E-Bike zu einem Brand führen, seien die Mietparteien oder ihre Besucher in vollem Umfang dafür verantwortlich. Eine gesetzliche Grundlage für derlei Drohungen gibt es im Übrigen nicht. So werden in den Schreiben mitunter jegliche Elektrogräte mit Lithium-Ionen-Akkus in einen Topf geworfen. Allerdings verdeutlichen sie, wie angespannt aktuell die Situation in der Stadt ist.
Zudem weisen sie, wenn auch eher ungewollt, auf ein Detail hin, das im Zuge der Diskussionen oftmals vernachlässigt wird. Aussagen sowohl der New Yorker Feuerwehr als auch diverser Medien deuten darauf hin, dass viele Brände gar nicht durch E-Bike-Akkus entstanden sind. Als Auslöser gelten stattdessen meist überholte, selbstgebaute oder nachgefertigte Akku, die eher am E-Roller Verwendung finden.
Aktuell keine zwingenden Vorschriften
Nichtsdestotrotz befindet sich die Fahrradbranche in USA längst in Alarmbereitschaft. Wenn Menschen zu Schaden kommen oder sogar sterben, weil E-Bike-Akkus eventuell nicht genügend Sicherheit im täglichen Einsatz bieten, hat dies das Potenzial eine ganze Bewegung wie den E-Bike-Boom zum Stillstand zu bringen. Entsprechend intensive Bestrebungen gab es, mit den Beteiligten in New York aber auch mit Bundesbehörden in Austausch zu treten.
Zu den Letztgenannten gehört die United States Consumer Product Safety Commission, kurz USCPSC oder CPSC. Als unabhängige Behörde der Regierung der USA bewertet die CPSC, wie sicher bestimmte Konsumgüter sind und entwickelt damit einhergehende einheitliche Sicherheitsstandards. Manche davon sind Vorschrift und unbedingt einzuhalten – andere nicht mehr als eine Empfehlung beziehungsweise freiwillige Selbstverpflichtung.
Entsprechende Standards lässt die CPSC auch von Dritten erarbeiten. Im Falle der Akkus für E-Bikes und E-Roller hat dies das Unternehmen Underwriters Laboratories, kurz UL, getan. Zu erkennen sind diese Normen dann an dem Kürzel „UL“, mit dem sie beginnen. Im Falle der von Akkus verursachten Brände in New York kann sich die CPSC vorstellen, das Benutzen der Akkus künftig an passende Normen zu knüpfen. Davon kommen jedoch mehrere in Frage. Und je nach Interessenslage haben die Beteiligten aus der Fahrradbranche auch ihre Favoriten.
Uneinigkeit innerhalb der Fahrradbranche
So plädiert etwa PeopleForBikes, ein Zusammenschluss aus Mitgliedern der Fahrradindustrie, dem Einzelhandel und Fahrradfahrenden, für UL 2271. Dabei handelt es sich um eine eher eng gefasste Norm, die sich nur auf Akkus für Light Electric Vehicles (LEV) bezieht, zu denen auch E-Bikes zählen. Die Norm würde es den Fahrradherstellern einen Akku einmalig zu prüfen und das Ergebnis auf alle Akkus desselben Typs zu übertragen.
Im Gegensatz dazu schreibt die Norm UL 2849 vor jedes E-Bike in jeder Konfiguration einzeln zu prüfen. Das ist wesentlich teurer und nimmt viel mehr Zeit an Anspruch. Deshalb hält PeopleForBikes diese Norm auch nicht für die beste Wahl. Zumal sie auch keine Akkus zum Nachrüsten einschließt.
Dafür verleihe UL 2849 Händlern mehr Glaubwürdigkeit gegenüber Kundinnen und Kunden, argumentiert die National Bicycle Dealers Association (NBDA), der größte reine Fahrrad-Fachhandelsverband der USA. Schließlich gilt die Norm für das gesamte E-Bike-System, inklusive Motor, Bedieneinheit und Display. Im zurückliegenden Sommer hat Bosch in den USA alle E-Bike-Lieferanten aktiv aufgerufen, UL 2849 zu übernehmen.
Ausgang der Diskussionen offen
Auch PeopleForBikes ist UL 2849 durchaus zugetan und hält eine Anwendung auf lange Sicht für absolut denkbar. Kurzfristig sei UL 2271 jedoch die bessere Lösung. Immerhin sind beide Normen vorhanden. Momentan können E-Bike-Hersteller oder andere Firmen E-Bikes als auch Akkus verkaufen, ohne dass ihre Produkte eine von beiden erfüllen.
Noch ist nicht absehbar, ob und wenn ja, welche Norm vielleicht künftig in New York oder an anderen Orten als Voraussetzung erfüllt sein muss, um in den USA mit einem E-Bike zu fahren. Bis eine Entscheidung steht, werden sowohl diejenigen, die bereits ein E-Bike besitzen, eine Ungewissheit aushalten müssen als auch diejenigen, die gerade mit dem Gedanken an den Kauf eines E-Bikes spielen.
Bilder: NYC Council; UL LLC; PeopleForBikes; NBDA