Sicheres Fahren im Straßenverkehr zählt zu den Themen, die die Entwicklung von E-Bikes in den kommenden Jahren prägen werden. Fahrerassistenzsysteme und intelligente Verkehrssteuerung sind zwei der Stichworte in diesem Zusammenhang. Dashcam lautet ein drittes. Beim Auto ist die Verkehrsüberwachung mithilfe einer Kamera nichts Neues mehr. Nach und nach kommen jetzt auch spezielle Lösungen für Fahrräder auf den Markt. Was können solche Systeme? Was dürfen solche Systeme? Diese und weitere Fragen hat Elektrofahrrad24 der Rechtsanwältin Claudia Schulze-Domnick gestellt. Sie arbeitet als Expertin für die Hamburger Initiative Bikeright, die sich deutschlandweit für die Rechte von Radfahrenden einsetzt – nicht nur, aber vor allem in juristischen Fällen.
Frau Schulze-Domnick, ganz allgemein gefragt: Wozu dient eine Dashcam am Fahrrad?
Mit einer Dashcam lässt sich nach einem Unfall der tatsächliche Unfallhergang und das Verschulden eines anderen Verkehrsteilnehmenden gegenüber dieser Person und ihrer Kfz-Haftpflichtversicherung nachweisen. Verweigert eine gegnerische Versicherung eine Entschädigung oder Ähnliches, kann die Aufnahme laut Bundesgerichtshof auch als Beweismittel vor Gericht dienen. Selbst dann, wenn sie zu lang ist und daher eigentlich gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstößt (1).
Was gilt generell für den Einsatz eines solches Sicherheitssystems?
Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen Dashcams, die im öffentlichen Raum filmen, nur kurz und anlassbezogen filmen. Darunter fallen auch ganz gewöhnliche Kameras. Aufnahmen von Personen dürfen ohne deren vorherige Zustimmung oder eine Unkenntlichmachung nicht ins Internet gestellt werden. Andernfalls drohen sehr hohe Bußgelder.
Noch verzichten die meisten Leute auf eine solche Kamera an ihrem Fahrrad. Braucht es die wirklich?
Meist sind Radfahrende allein unterwegs. Passiert etwas, haben sie also keinen Zeugen für den Unfallhergang. Häufig ist es danach sehr schwierig, das Verschulden oder Mitverschulden anderer Personen nachzuweisen. Natürlich gibt es Beweiserleichterungen, wie etwa den Beweis des ersten Anscheins gegen den Pkw im Falle eines Radunfalls mit einer sich plötzlich öffnenden Fahrzeugtür. Leider fühlen sich gerade die Kfz-Haftpflichtversicherungen häufig nicht an diese Beweislastregeln gebunden und eine Klärung vor Gericht ist langwierig und teuer. Beweist die Aufnahme einer Dashcam, dass es einen ausreichenden Abstand zum geparkten Pkw gab, ist das von Vorteil. Meiner Erfahrung nach schauen sich Versicherungen die Aufnahmen an und regulieren dann auch bei Eindeutigkeit.
Dann gehen wir doch mal ins Detail. Verschiedene Dashcams zeichnen nur kürzere Sequenzen auf, zum Beispiel 20 Sekunden. Hat die Dauer der Aufnahme eine rechtliche Relevanz?
Da geht es hauptsächlich um datenschutzrechtliche Gründe. Bei Lösungen, die nur aufzeichnen, wenn in den Sicherheitsabstand der Radfahrenden gefahren wird oder es zu einem Unfall kommt, spielt die Dauer keine Rolle. Wichtig für die Radfahrenden ist, dass aus der aufgezeichneten Sequenz ein Fehlverhalten des anderen Verkehrsteilnehmenden hervorgeht. Eine solch kurze Aufnahme dürfte von den Versicherungen und Gerichten als Beweismittel akzeptiert werden.
Wird die Aufnahme ungültig, wenn ein rechtswidriger Überholvorgang zu sehen ist, bei dem sich der Fahrradfahrende ebenfalls rechtswidrig verhält?
Nein. Allerdings kann mit der Aufnahme dann auch nicht das eindeutige Verschulden des anderen Verkehrsteilnehmenden nachgewiesen werden. In diesem Falle reden wir eher über einen Mithaftungseinwand. Abhängig von dessen Ausmaß fällt der Schadensersatzanspruch am Ende entsprechend geringer aus.
Welche technischen Anforderungen muss eine gesetzeskonforme Lösung erfüllen?
Den Rahmen dafür setzt das Bundesdatenschutzgesetz. Das besagt, dass eine dauerhafte Aufnahme im Straßenverkehr ohne konkreten Anlass, wie einen Unfall, gegen geltende datenschutzrechtliche Bestimmungen verstößt. Verkehrsteilnehmende haben im Falle eines Unfalls ein berechtigtes Interesse an einer Beweissicherung. Daher ist das Aufzeichnen einer kurzen Sequenz rund um den Unfall, beziehungsweise den Verkehrsverstoß des anderen Verkehrsteilnehmenden, zulässig. Umsetzen lässt sich dies technisch zum Beispiel durch ein Überschreiben der Aufzeichnung in regelmäßigen Abständen sowie ein dauerhaftes Speichern von lediglich einer kurzen Sequenz rund um den Unfall, die nur die betroffene Person selbst abrufen kann.
Bei der Beurteilung, ob eine Bildaufnahme über eine Dashcam oder ein ähnliches Gerät mit geltendem Recht vereinbar ist, spielen ja zahlreiche rechtliche Rahmenbedingungen eine Rolle. Welche sind das genau?
Die Verwendung von Dashcams darf nicht gegen europäische oder bundesrechtliche Datenschutznormen verstoßen. Bezogen auf die BRD ist vor allem das Bundesdatenschutzgesetz (2) relevant. Ob datenschutzwürdige Interessen beeinträchtigt sind, hängt vom Einzelfall ab. Eine Kamera im anlasslosen Dauertrieb im öffentlichen Straßenverkehr verletzt zum Beispiel das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines unbeteiligten Verkehrsteilnehmenden. Radfahrende können kein berechtigtes Interesse an einer solchen Videoaufzeichnung geltend machen (3).
Und worauf fußt das Recht für eine Aufzeichnung?
Das ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip. Von diesem leitet sich das Interesse an einer effektiven Zivilrechtspflege wie dem Interesse an der Durchsetzung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen und dem Recht auf rechtliches Gehör ab. Hierzu gehört auch das Recht auf Beweissicherung, welches auch durch den Paragraphen 142 des Strafgesetzbuches, einem Straftatbestand bei Unfallflucht, verankert ist. Im Straßenverkehr ist es bisweilen schwierig den Unfallhergang zu beweisen. Für ein Sachverständigengutachten fehlen häufig belegbare Tatsachen und Zeugenaussagen. Eine kurze Aufnahme, welche den tatsächlichen Unfallhergang wiedergibt, ist daher eine gesetzeskonforme Lösung.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schulze-Domnick.
(1) BGH, 15. Mai 2018, Az. VI, ZR 233/17
(2) § 4 BDSG-neu, §§ 24 BDSG-neu
(3) § 4 Abs. 1 BDSG-neu
Für den Fall, dass ihr nach einem Fahrradunfall oder Ähnlichem rechtlichen Beistand sucht, könnt ihr euch zum Beispiel an die Kanzlei von Claudia Schulze-Domnick wenden:
CSD- Kanzlei
Claudia Schulze-Domnick
Katharinenstraße 11
20457 Hamburg
E-Mail: kontakt@csd-kanzlei.de
Homepage: www.csd-kanzlei.de
Unterstützung findet ihr auch jederzeit bei Bikeright.
bikeright GmbH
Katharinenstraße 11
20457 Hamburg
E-Mail: kontakt@bikeright.de
Homepage: https://bikeright.de
Bilder: CSD- Kanzlei; Cycliq Products Pty. Ltd.; Dashfactory GmbH
Ich besitze die Cycliq Fly12 und Fly6 (letztere ist auch im Artikel abgebildet).
Diese Kameras zeichnen dauerhaft in Abschnitten von 5, 10 oder 15 Minuten auf und überschreiben das Material irgendwann automatisch wieder, wenn die Karte voll ist. Im Fall eines Unfalls sorgt der „Incident-Mode“ dafür, dass die Aufnahmen schreibgeschützt und somit nicht mehr überschrieben werden.
Sind diese Geräte nun zulässig?
Viele Grüße
Max
Hallo Max,
für eine absolut verlässliche Auskunft hilft nur die Einschätzung einer Expertin wie aus dem Interview. Aber wenn ich ihre Antworten auf deine Frage beziehe, würde ich sagen, dass es vermutlich auf zwei Details ankommt: Wie viel Zeit vergeht, bis die Aufnahmen wieder überschrieben werden? Wie lang sind die aufgezeichneten Sequenzen? Was sagt denn der Hersteller?
Sportliche Grüße, Matthias
Die dashbike ist leider noch nicht auf den Straßen zu sehen. Ob und wie die dashbike funktionieren wird, wird die Zukunft zeigen.
Hallo Radritter,
tatsächlich sind auch wir bemüht, ein Exemplar des Dashbike für einen Test in die Hände zu bekommen. Bis es hoffentlich so weit ist, haben wir heute erst einmal einen allgemeinen Beitrag zu diesem Gerät veröffentlicht.
https://www.elektrofahrrad24.de/blog/dashcam-dashbike-von-dashfactoy
Darin erläutern wir zumindest schon einmal die Theorie hinter der Funktionsweise des Dashbike. Näheres zur Praxis liest du vielleicht ja später hier bei uns auf dem Blog.
Sportliche Grüße
Matthias