Update 31. Juli 2023
Kein guten Zeiten für die Hersteller von Pedelecs. Vor wenigen Tagen wurde im Zusammenhang mit Vanmoof ein Insolvenzverfahren eröffnet. Nun hat es das österreichische Unternehmen Gleam getroffen. Wie Gründer und Geschäftsführer Mario Eibl bestätigte, sieht sich Gleam derselben Situation gegenüber. Das Wiener Handelsgericht bestimmte Dr. Gerd Konezny als zuständigen Treuhänder. Noch bis zum 9. August 2023 können Interessierte ein Angebot für die Unternehmensanteil abgeben. In einem nächsten Schritt kämen dann alle Vermögenswerte auf der Auktionsplattform „Aurena“ zur Versteigerung. Vorausgesetzt, die Suche nach Käufern und neuen Anteilseignern bliebe bis dahin erfolglos.
Originalbeitrag 9. Juni 2020
Wie lange ist es her, dass ihr zuletzt auf einem Dreirad gesessen habt? Zu lange? Wer von euch schon immer Fan eines solchen Gefährts gewesen ist, kann diese Liebe jetzt wieder auffrischen. Aus Österreich kommt ein dazu passendes E-Lastenrad. Das Gleam „Series X“ ist für Erwachsene gebaut, verkraftet jede Menge Extra-Gewicht und soll das Fahrgefühl eines Fahrrades vermitteln.
Wendig und kräftig
Der Spielplatz dieses Kindheitstraumes ist in erster Linie der urbane Raum. Mit 2,5 Metern ist es ungefähr so lang wie ein Smart FourTwo, wendet aber laut Hersteller innerhalb eines Radius‘ von zwei Metern. Dank seiner Breite von 80 Zentimetern stehen dem Gleam alle Fahrradwege offen.
Ansonsten ist dieses Bike nachtragend im besten Sinne. Vorn lenkt und tritt die Fahrerin bzw. der Fahrer. Dahinter nimmt die Basisplattform mit einer Größe von 0,60 × 1,20 m alles auf, was ihr von A nach B bewegen wollt. Zusammen mit Fahrrad, Transportgut und eurer Wenigkeit dürft ihr es auf 250 Kilogramm bringen. Ein Fünftel davon beansprucht allerdings das Gleam für sich.
Hinterradachse mit besonderem Clou
Um das Besondere dieses Bikes zu entdecken, müsst ihr ihm unter seine Transportplattform schauen. Keine Angst, das ist in diesem Falle gestattet. Dort verbirgt sich nämlich eine gefederte Hinterradachse mit selbst entwickelter Neigetechnik. Die Erfinder haben dem Mechanismus die Bezeichnung Dynamic Tilting Technology verpasst. Er stellt sicher, dass die Last nicht ins Rutschen gerät, sobald ein Höhenunterschied zwischen linkem und rechtem Rad auftritt oder ihr schwungvoll um die Kurve fahrt. Ähnlich wie im Motorsport beim Seitenwagen, tendiert das kurvenäußere Rad beim Abbiegen ja zum Abheben. Dank DTT soll der Bodenkontakt jedoch stets gewahrt bleiben. Also gute Voraussetzungen dafür, dass Mensch und Last komfortabel und sicher dahingleiten.
Angesichts der Federgabel verträgt das Gleam auch eine rauere Gangart. Gehwegkanten und Löcher können ihm wenig anhaben. Die Neigungsfunktion lässt sich am Lenker bequem sperren. Das bewahrt euch beim Be- und Entladen vor ungeliebten Überraschungen. Eine zusätzliche Handbremse sorgt für einen sicheren Stand des Lastenrades selbst bei leichtem Gefälle.
Antrieb fast komplett von Bosch
Während der Fahrt schiebt euch ein Bosch Performance CX der vierten Generation kraftvoll an. Der Mittelmotor unterstützt bis zu 25 km/h. Hier war den Machern anscheinend wichtig, dass ihr das Gleam als Fahrrad nutzen könnt. Die 40 km/h eines S-Pedelecs hätten auch gut zum Konzept des E-Bikes gepasst. Dann wären euch jedoch die Fahrradstraßen- und -wege „verbaut“ und ihr würdet vielleicht öfter als gedacht im innerstädtischen Autoverkehr feststecken.
Die Dynamik des Motors könnt ihr dank des stufenlosen Automatikgetriebes Enviolo Cargo und dessen Dauerdrehmoment von 120 Nm in vollem Umfang ausschöpfen. Standardmäßig ist das Gleam mit einem Bosch PowerPack 500 ausgerüstet. Der Akku verspricht eine Reichweite von maximal 40 Kilometern. Optional könnt ihr mit einem zweiten auf DualBattery erweitern. Das scheint für jeden angebracht, der vor allem vollbeladen nicht ständig in der niedrigsten Unterstützungsstufe unterwegs sein möchte, um auf vernünftige Reichweiten zu kommen. Zur Grundausstattung gehört zudem das Intuvia-Display von Bosch. Eine Verbindung zwischen Bike und Smartphone per App wird aber erst mit dem Upgrade auf ein Nyon von Bosch möglich.
Ein Chassis – drei Varianten
Bevor solche Details geklärt werden, steht erst die Entscheidung an, welche Variante der Series X es denn überhaupt sein soll. Das Gleam präsentiert sich nämlich als äußerst wandlungsfähig. Ein identisches Chassis dient als Basis für insgesamt drei Versionen. Das Freestyle kommt mit der Transportplattform daher. Auf Wunsch, kann dieser einen nicht zu hohen Rahmen erhalten. Die zweite Variante nennt sich Messenger. Hier ersetzt eine riesige Cargobox, die knapp 500 Liter fasst, die Plattform. Für 2021 ist das Gleam Family angekündigt. Es soll über eine feste Kabine mit Platz für zwei Passagiere verfügen. Außerdem ist eine Variante mit einer festen Fahrerkabine im Gespräch.
Preislich reiht sich da Gleam im gehobenen Segment ein. Dafür bekommt ihr aber auch ein ausgereiftes E-Lastenrad mit Ideen, die sich nur hier finden. Das Gleam Freestyle startet bei rund 7.000 Euro. Für das Gleam Messenger sind mindestens rund 11.000 Euro fällig. Für etwa 9.500 Euro wird voraussichtlich das Gleam Family zu haben sein.
Im März dieses Jahres startete die Serienfertigung der Series X. Aktuell erhalten Kunden in den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, Österreich und Belgien die ersten Bikes.
Hintergrund: Halb Europa beteiligt
Das Gleam ist ein Beispiel für eine europäische Koproduktion. Vom Firmensitz in Wien aus steuert Geschäftsführer Mario Eibl die Geschicke des Unternehmens. Beim Design hatten Italiener aus dem Motorrad-Bereich ihre Hände mit im Spiel, die bereits für Ducati und BMW gearbeitet haben. Vom Band laufen die Fahrräder im niederländischen Emmen. Nach eigener Aussage richtet sich Gleam ganz bewusst auch an den B2B-Bereich. Unternehmen sollen so emissionsfrei, kostengünstig und zügig Lasten im städtischen Umfeld transportieren können.
Bilder: Gleam