Wollt ihr demnächst ein Pedelec oder E-Bike kaufen? Nicht? Dann schwimmt ihr eindeutig gegen den Trend. Bis 2030 werden sich nämlich die Verkäufe an Fahrrädern mit elektrischer Unterstützung um mehr als das Viereinhalbfache im Vergleich zu 2019 erhöhen. Das besagt zumindest eine Prognose, die in dieser Woche von drei namhaften Institutionen der europäischen Fahrradbranche gemeinsam vorgestellt wurde. Eine Expertengruppe von Cycling Industries Europe (CIE), dem Verband der europäischen Fahrradindustrie CONEBI sowie European Cyclists‘ Federation (ECF) rechnet damit, dass am Ende der nächsten Dekade innerhalb von 30 Ländern Europas 17 Millionen Stück über die Ladentheke gehen werden – pro Jahr. Für 2019 lag dieser Wert bei 3,7 Millionen.
Erst gleich auf – dann unaufhaltsam vorbei
Zudem erwarten die Experten einen weniger rasanten Rückgang der Verkaufszahlen von herkömmlichen Fahrrädern als bisher angenommen. Dennoch wird sich das Verhältnis zwischen Bikes mit und ohne E-Antrieb nachhaltig ändern. Etwa 2027/2028 könnten beide zahlenmäßig gleichziehen. Für das Jahr 2030 geht die aktuelle Veröffentlichung davon aus, dass bereits rund 55 Prozent aller neu erworbenen Fahrräder einen elektrischen Motor nutzen. Sollte sich die Prognose bewahrheiten, kann die Fahrradindustrie mit einem breiten Grinsen in die kommenden Jahre blicken. Unter dem Strich werden die Europäer 2030 jährlich nämlich ungefähr zehn Millionen Fahrräder kaufen, als sie das bisher tun. Das nennt man wohl in Wirtschaftskreisen einen positiven Ausblick.
Grundlage dieser Zahlen sind laut der Expertengruppe ein neuartiger Prognoseansatz. Neben den aktuellen Trends ließen CIE, CONEBI und ECF darin auch das einfließen, was Regierungen als Reaktion auf die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen an jeweiligen Fördermaßnahmen zum Radverkehr allgemein bereits angeschoben beziehungsweise angekündigt haben. Dazu zählen Investitionen in die Fahrrad-Infrastruktur, steuerliche Förderungen für Unternehmen und Privatpersonen bei der Anschaffung und dem Unterhalt von Fahrrädern als auch die wirtschaftlichen Unterstützungen der entsprechenden Unternehmen. Hinzukommen die üblichen Berechnungen zum Verkauf der Räder selbst.
Zahlen sollen politische Entscheidungen zugunsten des Fahrrads unterstützen
Es handelt sich also um einen Index, der neben den Daten aus der Industrie ein Stück weit die gesellschaftliche Entwicklung miteinbezieht. Ein Beispiel sind Erhebungen der Expertengruppe, wonach seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 in Europa eine Milliarde Euro für die Radverkehrsinfrastruktur ausgegeben und mehr als 2.300 Kilometer neue Radwege gebaut wurden.
Angesichts der vielversprechenden Prognose sieht sich Kevin Mayne, CEO von Cycling Industries Europe, in einer guten Lage, auch auf politischer Ebene für das Fahrradfahren zu werben: „Mit diesen neuen Zahlen sind wir in der Lage, der EU, den nationalen Regierungen und dem weltweiten Fahrradsektor zu zeigen, dass der europäische Fahrradmarkt der Ort ist, an dem investiert werden kann, um den Green Deal der EU, den COVID-Aufschwung und neue grüne Arbeitsplätze zu schaffen.“ Einen Selbstläufer erwarten die Fahrradverbände allerdings nicht, bestätigt Manuel Marsilio, Generaldirektor von CONEBI. „In den letzten Jahren beobachten wir in Europa ein beträchtliches Wachstum sowohl beim Verkauf als auch bei der Produktion von Fahrrädern – insbesondere von E-Bikes. Ein solches Wachstum wird jedoch nur mit dem richtigen regulatorischen Umfeld und einer klaren Industriestrategie in der gesamten EU und darüber hinaus möglich sein.“
Bilder: Cycling Industries Europe