Vielleicht liegt es ja an der Höhe, der Abgeschiedenheit. Vielleicht auch an dem rauen Klima. Eine so auf den ersten Blick abgekapselt wirkende Region wie Andorra hält für die Menschen, die dort leben, vermutlich ihre ganz eigenen Lehren bereit. Lernen, notfalls allein zurecht zu kommen, gehört womöglich dazu. Der kleine Fahrradhersteller Forestal hat seine Heimat zwischen den zerklüfteten Gipfeln der Pyrenäen. Und tatsächlich ist an ihm eine separatistische Attitüde erkennbar. Dem ersten E-Bike-Sprössling der Carbon-Liebhaber hat dies jedoch nicht geschadet.
Denkfabrik mit Panorama
Lasst uns trotzdem noch kurz bei Forestal bleiben. Auf acht Etagen mit insgesamt 8.000 Quadratmetern hat sich die Firma ein bemerkenswertes Domizil errichtet, das komplett den Inhouse-Ansatz verfolgt. Schon eher untypisch in einem Zwergstaat, der kaum nennenswerte Industriestandorte aufweist. Forestal Technology Centre nennt sie ihre Denkfabrik, in der anscheinend beides zur Genüge getan wird – gedacht und fabriziert. Dabei legt Forestal ein beachtliches Maß an Unabhängigkeit an den Tag. Labor, Carbon-Fertigung, CNC-Maschinenpark, Pressen, Forschung und Entwicklung, Fertigungslinie, Versandlager – alles betreibt Forestal am Stammsitz in Andorra la Vella in eigener Regie. Lediglich für Akku und Motor hat man sich einen Partner aus Asien ins Boot geholt. Dazu später mehr.
Zur Premiere etwas Wildes
Das Bike, mit dem Forestal in die Fahrradbranche prescht, heißt Siryon. Es ist ein rassiges Enduro-E-MTB, das euch vieles bietet, aber nicht alles abnimmt. Die Betonung liegt eindeutig auf Enduro und nicht auf dem E der elektrischen Unterstützung. Geometrie, Rahmendesign und Federsystem lehnen sich an Maßstäbe an, die generell für Enduro-Bikes gelten, egal ob mit Motor oder ohne. Ganz konkret bedeutet dies: ziemlich flacher Lenkwinkel von 64 Grad in Kombination mit einem relativ steilen Sitzwinkel von 77 Grad sowie einem Innenlager, das um 25 Millimeter tiefer liegt als die Achsen der Laufräder.
Daraus ergibt sich eine Fahrcharakteristik, die konsequent auf den Weg bergab ausgerichtet ist. Fällt vor euch das Gelände stark ab, sagt dieses Bike: „Auf geht’s.“ Auf dem Weg nach oben seid ihr trotzdem nicht hoffnungslos verloren. Dank des sehr aufrechten Sitzrohres kommt ihr auch im Anstieg gut voran. Erst recht, da der Motor sein Übriges dazutut. Mit dem abgesenkten Innenlager verlagert sich der Schwerpunkt schön weit nach unten. Selbst bei hohem Tempo fühlt sich das Bike entsprechend ruhig und allzeit kontrollierbar an. Mit so viel Sicherheit geht es entsprechend geschmeidig durch die Kurven. Angesichts des niedrigen Bottom Bracket Drop solltet ihr lediglich darauf achten, das kurveninnere Pedal immer schön in der oberen Stellung zu haben und nicht ungewollt aufzusetzen.
Massiv und grazil zugleich
Als Material für den Rahmen setzt Forestal komplett auf Carbon. An der Monocoque-Konstruktion verbaut sind Fasern mit verschiedenen Maßen an Festigkeit. In Richtung des Sitzrohres teilt sich das Oberrohr in zwei Streben. Das wirkt massiv, aber eben auch sehr stabil. Zudem ist dieser Teil mit Aussparungen versehen, in denen der Dämpfer Platz findet. Das verleiht dem Alpha Box genannten Rahmen gleichzeitig ein graziles Äußeres. Und es funktioniert wunderbar als Wiedererkennungsmerkmal.
Für den Fahrkomfort sorgt der als Eingelenker konzipierte Hinterbau. Forestal kombiniert ihn mit weiteren Umlenkhebeln. Dieses System namens Twin Levity ist eher simpel gehalten. Forestal möchte damit verhindern, dass unter dem Strich das Gewicht des gesamten Bikes zu sehr steigt. So stehen am Ende 17,4 Kilogramm zu Buche, was die Sportlichkeit des Siryon unterstreicht. Twin Levity als auch die Federgabel von Rockshox bieten jeweils 170 Millimeter an Federweg. Eine weiche Landung auch nach größeren Flugeinlagen ist damit garantiert.
Leichter Motor mit hochwertigen Komponenten
Rahmen und Fahrwerk sammeln also reichlich Punkte. Das Gleiche gilt für den Motor des Siryon. Mit seinen gerade einmal 1,95 Kilogramm spielt der EonDrive nämlich in der Liga der leistungsstärksten Leichtgewichte groß auf. Magnesium für die Motorabdeckung, im Inneren mehrere Teile aus Titan – das klingt sehr hochwertig. Hinzukommt der Q-Faktor von 170 Millimetern. Das sind sogar sieben Millimeter weniger als beim neuen Flaggschiff von Shimano, dem EP8. Auch unter diesem Aspekt kommt das Siryon einem herkömmlichen Enduro-Mountainbike ziemlich nahe.
Sein Drehmoment von 60 Newtonmetern ist allerdings ein Stück von dem entfernt, was Shimano, Bosch, Yamaha und Co. mitbringen. Forestal nimmt diesen Kompromiss mit Sicherheit ganz bewusst in Kauf. An irgendeiner Stelle muss gespart werden, damit der EonDrive so leicht werden kann.
Die Unterstützung abrufen könnt ihr in vier Stufen: Eco, Sport, Race und Nitro. Wer möchte, kann auch jederzeit mal „natürlich“ fahren und den Strom im Akku belassen. In diesem Modus ist der Motor komplett ausgekuppelt, sodass keinerlei Verluste durch eine eventuelle Reibung mit dem Getriebe entstehen.
Nicht zu oft den „Nitro“ zünden
Auch die Kapazität des fest verbauten Akkus liegt mit 350 Wattstunden unter dem, was manche von euch an einem Enduro-E-Mountainbike erwartet haben könnten. Andererseits gleicht das geringe Gesamtgewicht des Bikes die eine oder andere fehlende Wattstunde wieder aus. Klar ist natürlich, dass ihr mit dieser Ausstattung keine 100 Kilometer im Nitro-Modus über Berg und Tal jagen könnt. Dafür ist der auf Aurora getaufte Akku dank einer Schnellladetechnologie innerhalb von einer Stunde und 24 Minuten wieder zu 80 Prozent aufgeladen. Zusätzlich Saft bietet Forestal über einen Range Extender. Der erhöht die Batteriekapazität auf 700 Wattstunden und lässt sich am Flaschenhalter befestigen. Muss der flüssige Saft eben woandershin.
Wie zu Beginn des Artikels bereits angedeutet, gehen Motor und Akku nicht allein auf das Konto von Forestal. Beides sind Ergebnisse einer Partnerschaft mit dem Hersteller Bafang. In der Fahrradbranche ist Bafang bestens bekannt und vernetzt. Die Chinesen beliefern zahlreiche weitere Hersteller, darunter beispielweise De Rosa aus Italien und Ettention aus Österreich. Nach eigener Aussage genießt Forestal in der Kooperation alle Freiheiten und kann Entwicklung und Produktion beider Komponenten gezielt auf die eigenen Wünsche hin ausrichten.
Kein Display zum Vergessen
Status von Motor und Akku könnt ihr auf dem entsprechenden Display ablesen. Das befindet sich nicht am Lenker, sondern ist in den Rahmen eingefasst. Auf der Oberseite des Oberrohrs gibt ein 3,2″-großer Touchscreen den Weg frei in die Welt der Systemabfrage, Navigation, Datenaufzeichnung und -auswertung sowie das Teilen bestimmter Infos mit dem Rest der Welt.
Klingt smart. Heißt auch smart. Forestal Smart Dashboard, um genau zu sein. Der Computer zeigt euch alles, was ihr von vorhandenen Geräten kennt – und mehr. Ihr wollt wissen, welchen Beschleunigungskräften ihr in den Kurven ausgesetzt gewesen seid? Wie lange euer weitester Sprung dauerte? Das Smart Dashboard verrät es euch! Zudem ist das Display wasserdicht, stoßfest und lässt sich laut Forestal gut bedienen, auch wenn ihr Fingerhandschuhe tragt. Zur Kommunikation mit anderen Geräten dienen Schnittstellen für Wi-Fi, Bluetooth, ANT+, GPS und 4G.
Reservieren oder Vorkasse?
Eigene Wege beschreitet Forestal auch beim Verkauf seiner Premiere. Diese könnt ihr nur beim Hersteller selbst erwerben. Nach dieser Vorgeschichte kein großes Wunder, oder? Bemerkenswert bleibt es dennoch, weil das erste Modell in limitierter Auflage erscheint. Lediglich 999 Stück wird es davon geben. Der Verkauf startet am 23. März 2021, Punkt 16 Uhr.
So weit, so gut. Jetzt wird es aber noch einmal interessant. Den Preis bestimmt nämlich ihr! Na, ja, in einem gewissen Maße zumindest. Bestellt ihr ein Modell vor, kostet euch das insgesamt 7.999 Euro. Die ersten 2.000 davon entfallen auf die Reservierung. Die restlichen 5.999 zahlt ihr später.
Ihr wollt etwas günstiger kommen? Dann bezahlt euer Siryon sofort. In dem Falle sinkt der Preis auf 7.499 Euro. Außerdem gibt es drei weitere Vorteile. Ihr könnt euch eure Wunschnummer beim Rahmen bestellen – solange die euch niemand vorher weggeschnappt hat. Außerdem erhaltet ihr die ersten Bikes, die das Band verlassen – noch vor allen Vorbestellungen. Gerade in diesen Zeiten ein wertvoller Bonus. Zu guter Letzt packt Forestal noch einmal drei komplette Reifensätze darauf, die ihr im Laufe eines Jahres kostenlos ordern könnt. Sozusagen der Freibrief zum Driften nach Herzenslust. Unter dem Strich ein spannender Ansatz.
Grauer Blick in die Zukunft
Spannend bleibt es voraussichtlich auch weiter um Forestal. Auf deren Homepage werden nämlich schon die nächsten Bikes angekündigt. Mit den Namen Aryon steht anscheinend ein E-Faltrad mit 20-Zoll-Laufrädern und ebenfalls Carbonrahmen in den Startlöchern. Dazu kündigen die Jungs und Mädels aus Andorra ein Trail-E-Bike namens Cyon an. Beide gibt es bisher nur grob in grauen Umrissen zu sehen. Allerdings mit der vielversprechenden Unterzeile „Kommt bald“. Wir bleiben für euch dran, versprochen.
Bilder: Forestal Group S.L.U.
Das ist wohl die pure Propanda: ungeprüft und aufgeschaukelt mit reinen Computer Renderings! Das Forestal Siryon wurde bereits im März 2020 zur Vorbestellung von den diversen online Bikesites hochgelobt und die Auslieferung für September/Oktober 2020 versprochen; dann für Dezember, dann für März 2021, dann für Mai 2021 usw. usw.!!! Hoffentlich sind nicht allzu viele auf diese Propaganda reingefallen und haben tausende Euro nach Andorra überwiesen, das NICHT ZUR EU GEHÖRT! Ja kommt den niemand auf die Idee auch mal nachzufragen oder wenigstens nachzulesen? Statt romantisch-technologische Abenteuerpropaganda zu übernehmen! Denn auch das Unternehme DForestal ist zumindest dubios: hat schon alles möglich versucht von Wüstenrallys bis zur Mineralwasserproduktion und haust in den alten Opel-Hallen in Andorra La Veja. Zum Grausen euer „Journalismus“ :-((
Hallo Richbike,
tatsächlich gehört Forestal zu den Herstellern, die in diesem Jahr nicht die angekündigten Liefertermine für ihre Bikes halten können. Das hat uns die Firma auf Nachfrage bestätigt. Als Gründe werden die Lieferengpässe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, die weltweite Knappheit an Elektronikkomponenten sowie Änderungen in der Logistik angeführt. Laut einer Unternehmenssprecherin hat Forestal dies auch seinen KundInnen mitgeteilt.
Zu den anderen Punkten in deinem Kommentar: Andorra ist nicht Teil der Europäischen Union. Da liegst du absolut richtig. Etwas anderes wird im Beitrag auch nicht behauptet. Die von dir erwähnten Produktionsstätten von Opel kennen wir persönlich nicht. Wenn sich mit Forestal ein Nutzer findet, der bestehende Infrastruktur nutzt und so das Versiegeln weiterer Naturflächen in den Pyrenäen und anderswo verhindert, klingt das für uns erst einmal nach einem ökologisch vertretbaren Ansatz.
Sportliche Grüße,
Matthias