So weit liegen gefühlte und tatsächliche Realität mitunter auseinander. Gefühlt müssten im vergangenen Jahr deutlich weniger E-Bikes verkauft worden sein als zuvor, weil das Jahr im Grunde eher aus dem Warten als aus dem Bezahlen und Fahren bestand. Tatsächlich hat die Menge an verkauften E-Bikes im Jahre 2022 ein Rekordhoch erreicht. Das geht aus Zahlen hervor, die der ZIV Zweirad-Industrie-Verband jetzt in Berlin präsentiert hat.
1. Wie viele E-Bikes wurden 2022 in Deutschland verkauft?
2. Wie viel Geld wird für ein E-Bike ausgegeben?
3. Was sind die gefragteste E-Bike-Typen?
4. Wo wird gekauft?
5. Fahrradbestand in Deutschland
6. E-Bike-Produktion in Deutschland
7. Export von E-Bikes aus Deutschland
8. Import von E-Bikes nach Deutschland
9. Prognose für 2023
Nach Einschätzung des ZIV hätte die Bilanz sogar noch positiver ausfallen können. Allerding sei gegen Ende des Jahres durchaus eine gewisse Kaufzurückhaltung spürbar gewesen, erklärte ZIV-Geschäftsführer Burkhard Stork. Betroffen davon seien in erster Linie das mittelpreisige und niedrigpreisige Sortiment gewesen. Die Ungewissheit mit Blick auf die Entwicklung des Gaspreises und die Höhe der Energiepreise ganz allgemein hätten die Menschen vorsichtiger agieren lassen. Als weitere Bremse für den Absatz nannte Stork die deutlich erhöhte Inflationsrate.
1. Wie viele E-Bikes wurden 2022 in Deutschland verkauft?
Trotz solch schwieriger Rahmenbedingungen verzeichnet der Verkauf von E-Bikes sogar eine zweistellige Zuwachsrate. Um ziemlich genau zehn Prozent stieg die Anzahl der neuen E-Bikes im Vergleich zu 2021. Insgesamt 2,2 Millionen Stück wurden auf unterschiedlichsten Vertriebswegen in Deutschland abgesetzt. Noch vor vier Jahren, also 2018, lag die Zahl bei gerade einmal einer Million.
Betrachtet man herkömmliche Fahrräder und E-Bikes gemeinsam, ist der Verkauf gegenüber 2021 sogar leicht zurückgegangen. Das Minus von rund 100.000 Stück geht allein auf das Konto der Fahrräder ohne elektrische Unterstützung. Insgesamt stehen dennoch 4,6 Millionen verkaufte Fahrräder zu Buche, was etwa 300.000 mehr sind als in dem Vor-Corona-Jahr 2019.
E-Bikes und Fahrräder beim Verkauf fast gleichauf
Damit lässt das im vergangenen Jahr vom ZIV für 2022 prognostizierte Vorbeziehen der E-Bikes an den herkömmlichen Fahrrädern noch auf sich warten. Bei einem Verhältnis von 48 Prozent zu 52 Prozent sowie der Berücksichtigung der Trends für beide Fahrradgattungen verspricht eine Wette auf den erstmaligen Spitzenplatz für E-Bikes in der Verkaufsrangliste für das nächste Jahr nur noch eine geringe Gewinnquote.
„In einigen Produktgruppen, wie bei Mountainbikes oder Lastenrädern haben wir in Deutschland inzwischen eine sehr klare Dominanz bei unterstützten Fahrzeugen“, sagte Stork auf der Pressekonferenz in Berlin. Die angesprochenen Mountainbikes geben schon jetzt einen Vorgeschmack auf die künftigen Kräfteverhältnisse. Von den 931.600 in Deutschland verkauften Mountainbikes waren 836.000 Modelle mit einem E-Antrieb. Laut Adam Riese ergibt das stolze 89,7 Prozent.
2. Wie viel Geld wird für ein E-Bike ausgegeben?
Mit der Stückzahl steigt ebenfalls die Summe an, die Menschen in Deutschland für ein E-Bike ausgeben. Inzwischen sind wir hier bei 2.800 Euro angekommen. Dabei handelt es sich um den Durchschnitt über alle Typen von E-Bikes hinweg. Genauso wenig wird zwischen dem Einkaufen im Baumarkt, im Fahrradgeschäft um die Ecke oder Autohaus von Porsche unterschieden. Der auf gleiche Weise ermittelte Wert für herkömmliche Fahrräder beträgt 500 Euro.
3. Was sind die gefragteste E-Bike-Typen?
In der Gunst der Käuferinnen und Käufer liegt zum zweiten Mal in Folge das E-Mountainbike vorn. Mit zehn beziehungsweise vierzehn Prozentpunkten Abstand lässt es inzwischen die langjährigen Favoriten und E-Trekkingbikes sowie City-E-Bikes deutlich hinter sich. Dank eines Zuwachses von 23 Prozent schwingen sich die E-MTB erneut zum verkaufsstärksten Segment innerhalb der Gruppe der E-Bikes auf. E-Trekkingräder und E-Citybikes können da nicht ganz mithalten. Ihre Verkaufszahlen bewegen sich stabil auf hohem Niveau, legen aber nur um vier beziehungsweise 1,5 Prozentpunkte zu.
In ganz anderen Sphären bewegen sich da S-Pedelecs, E-Lastenfahrräder als auch sportive E-Bikes, die der ZIV in seiner Statistik unter Rennrad, Gravel und Fitness zusammenfasst. Besagte letztgenannte Gruppe wächst um sagenhafte 120 Prozent. Allerdings geschieht das auf einem sehr überschaubaren Niveau. Rund 22.000 Stück davon wurden 2022 in Deutschland verkauft.
Mehr Substanz steckt dagegen hinter den Zahlen für die E-Lastenfahrräder. Der Anstieg auf 165.000 verkaufte Bikes bedeutet ein Plus von 37,5 Prozent. Sowohl die private als auch die gewerbliche Nutzung kurbeln die Nachfrage sichtlich an.
4. Wo wird gekauft?
Neben der Frage, was gekauft wird, gibt die Statistik des ZIV stets auch Aufschluss darüber, wo die Menschen letztendlich ihr neues E-Bike kaufen. An der Stelle hat sich das Verhalten nicht verändert. Im Grunde könnte man die Werte aus dem Jahre 2021 fast 1:1 auf die für 2022 übertragen. Erste Anlaufstelle für den Kauf ist mit 73 Prozent nach wie vor der stationäre Fachhandel. Mit großem Abstand folgen dann die Firmen, die ihre E-Bikes ausschließlich über das Internet vertreiben. Sie konnten ihren Anteil um ein Prozent auf jetzt 21 Prozent erhöhen. Die übrigen Anteile enzfallen auf die Online-Angebote des Fachhandels sowie SB-Warenhäuser, Baumärkte und Discounter.
5. Fahrradbestand in Deutschland
Zusammen mit den im vergangenen Jahr gekauften E-Bikes hat sich inzwischen ein Bestand von 82,8 Millionen Fahrrädern in Deutschland angesammelt. Statistisch gesehen kommt damit auf jeden Menschen dieses Landes ein Fahrrad – mit oder ohne E-Antrieb. Nach Ansicht des ZIV bedeutet dies noch längst nicht das Ende der Fahnenstange. Unter anderem sei ein merklicher Trend hin zu einem zweiten Fahrrad zu beobachten. Fahrradfahrende würden häufiger für unterschiedliche Zwecke sich auch unterschiedliche Fahrräder zulegen, zum Beispiel ein Fahrrad mit elektrischer Unterstützung und eines ohne oder eines für die Freizeit und eines für den Berufsweg oder aber eines für sich persönlich und ein Lastenfahrrad als „Familienfahrzeug“. Burkhard Stork betonte zudem, dass hinter der Anschaffung kein bloßes Konsumvergnügen stecke. Mit der gestiegenen Anzahl an Fahrrädern werden auch mehr Kilometer zurückgelegt. Damit wachse der Fahrradverkehr als solcher und baue seine Stellung als ernsthafte als Alternative zum Auto aus.
6. E-Bike-Produktion in Deutschland
Untermauert werden die starken Verkaufszahlen von einer Fahrradproduktion, die ebenfalls einen neuen Rekordwert vermeldet. Im Jahre 2022 wurden in Deutschland 2,6 Millionen Fahrräder und E-Bikes produziert. Das sind noch einmal 230.000 Stück mehr als 2021, was damals bereits ein Allzeithoch bedeutete. Die Fertigung von herkömmlichen Fahrrädern hat sich konstant bei 900.000 Stück eingependelt. Der Zuwachs geht allein auf die E-Bike-Produktion zurück. Diese erhöhte sich 20 Prozent auf 1,72 Millionen Stück.
7. Export von E-Bikes aus Deutschland
Größter Abnehmer für die hier gefertigten E-Bikes sind unverändert die Niederlande. Allerdings gingen mit 24 Prozent zehn Prozent weniger an unser Nachbarland als noch 2021. Mit Österreich und Frankreich, die jeweils 12 Prozent orderten, folgen auf Platz zwei und drei dieser Rangliste gleichfalls direkt an Deutschland angrenzende Länder. Mit mehr als 98 Prozent gelangen beinahe alle der von Deutschland aus exportierten E-Bikes in Länder der Europäischen Union beziehungsweise in Länder der Europäischen Freihandelszone EFTA.
8. Import von E-Bikes nach Deutschland
In den zurückliegenden Monaten haben mehrere deutsche E-Bike-Hersteller neue Produktionsstätten innerhalb Europas in Betrieb genommen. Dies schlägt sich in den Zahlen für den Import nieder. Der erreichte einen Höchstwert von 1,45 Millionen Stück. Und im Gegensatz zu den herkömmlichen Fahrrädern stammt mittlerweile die Mehrheit davon aus der EU. Mit 69 Prozent weist der ZIV den Anteil in seiner Bilanz aus. Zum Vergleich: Bei den herkömmlichen Fahrrädern hat Asien mit 52 Prozent in dieser Kategorie die Nase noch leicht vorn. Eine größere Unabhängigkeit von den Preisentwicklungen im Zoll-Bereich sowie die Anti-Dumping-Zölle auf Importen von E-Bikes aus China sind zwei der Gründe, die ein Produktion in Europa für die Hersteller immer attraktiver werden lassen.
9. Prognose für 2023
Angesichts mehrerer positiver Rekorde herrschte unter den Beteiligten des ZIV auf der Pressekonferenz verständlicherweise beste Stimmung. Die trübte sich auch nicht ein, als die Rede auf den Ausblick für 2023 kam. Nach den Worten von Burkhard Stork erwartet der Branchenverband ein etwas unruhiges Jahr. Die Lager vieler Händler seien bis unter das Dach gefüllt, was an einer Überproduktion aus dem vergangenen Jahr und der gleichzeitig sinkenden Nachfrage liege. Mit teilweise massiven Preisnachlässen haben erst der Online-Handel und später auch der stationäre Handel vor und nach dem Jahreswechsel versucht, diese Situation zu entspannen. Daher sei jetzt eine geeignete Zeit, hier und da von den Preissenkungen zu profitieren und mit einem Schnäppchen nach Hause zu gehen. Denn wenn das aktuelle Überangebot erst einmal abgearbeitet ist, werden sich die Preise wieder normalisieren. Sei diese Marktbereinigung gemeistert, lägen „weitere großartige Jahre“ vor der Fahrradbranche, schloss Stork seinen Ausblick.
Bilder: ZIV Zweirad-Industrie-Verband