Shimano hat es vorgemacht, nun zieht Tektro nach. Gemeint ist eine Schaltgruppe speziell für E-Bikes. Unter der Bezeichnung E-Drive 9 bringt Tektro eine Kassette, ein Schaltwerk und den dazugehörigen Schalthebel auf den Markt. Wir stellen euch die Komponenten etwas detaillierter vor und ziehen zudem einen ersten Vergleich zur Linkglide-Gruppe von Shimano.
E-Drive 9, das Tektro selbst auf seiner Webseite meist mit ED9 abkürzt, reiht sich ein in ein paar Lösungen, die gezielt auf den Einsatz an einem E-Bike ausgerichtet sind und die der Hersteller sukzessive in den vergangenen Jahren seinem Sortiment hinzugefügt hat. Die meisten davon findet ihr bei TRP, der Edelmarke von Tektro. Dazu zählen besonders dicke Bremsscheiben wie die TRP DHR EVO, stabilere Bremszangen, Bremshebelkolben mit einem alternativen Übersetzungsverhältnis, Bremsleitungen mit einem größeren Durchmesser, spezielles Öl, eigen Bremsbeläge und so weiter.
1. ED9-Kassette
2. ED9-Schaltwerk
3. ED9-Schalthebel
4. Tektro ED9 und Shimano Linkglide im Vergleich
5. Was spricht für spezielle Schaltkomponenten am E-Bike?
1. ED9-Kassette
Mit ED9 erscheint nun die erste Komplettgruppe. Deren Kassette mit der Modellbezeichnung CS-M350-9 verfügt über, genau, neun Ritzel. Habt ihr euch angesichts des Namens E-Drive 9 sicher schon gedacht. Das kleinste Ritzel zählt 11 Zähne, das größte 46. Die einzelnen Gangsprünge liegen mit einem Unterschied von zwei, drei beziehungsweise vier Zähnen bis zum sechsten Ritzel in einem gewohnten Rahmen. Bei den letzten drei Gangsprüngen beträgt der Unterschied jeweils sechs Zähne. Bei einem Gangwechsel solltet ihr das deutlich spüren. Bei derart großen Differenzen wird es schon etwas schwieriger, den für die jeweilige Fahrsituation angenehmsten Gang zu finden.
Erfreulich ist dagegen die Tatsache, dass sich die kleinsten drei Ritzel mit 11, 13 und 16 Zähnen einzeln tauschen lassen. Bei vielen E-Bike-Fahrenden sind das genau die Ritzel, die am häufigsten benutzt und deshalb am schnellsten verschlissen sind. Wenn ihr euch in dem Falle nicht von der gesamten Kassette verabschieden müsst, spart das so manchen Euro und freut gleichzeitig unseren Planeten im Sinne eines nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen.
Aus Stahl gefertigt, wiegt die Kassette nach Angaben von Tektro genau 545 Gramm.
2. ED9-Schaltwerk
Auf das gleiche Material stoßt ihr beim Schaltwerk, zumindest teilweise. Hier ist es der Schaltkäfig, dem Tektro dieses Maß an Stabilität verleiht. Wie aus der Mitteilung des Herstellers hervorgeht, gibt es innerhalb der ED9-Gruppe sogar zwei unterschiedliche Schaltwerke – das RD-M350 mit Kupplung sowie das RD- T350 ohne Kupplung. Ersteres ist mit 361 Gramm auch 17 Gramm schwerer als sein Pendant. Das Schaltwerk soll eine stärkere Kettenspannung gewährleisten als Schaltwerke, die auf Fahrräder ohne elektrische Unterstützung ausgelegt sind. In dem Zusammenhang spielt mit Sicherheit auch die Kupplung eine Rolle. Welche genau, konnten wir den aktuell vorliegenden Unterlagen noch nicht eindeutig entnehmen. Vermutlich wird es der Funktion des Shadow+-Stabilisators von Shimano ähneln.
3. ED9-Schalthebel
Keine Fragezeichen stellen sich beim Blick auf den Schalthebel. Der SL-M350-9R erlaubt den Sprung über maximal drei Ritzel hinweg. Angesichts der Kassette sind die Gangwechsel auf neun beschränkt. Ansonsten handelt es um eine typische Konstruktion aus Aluminium und Kunststoff, die keine großen Raffinessen aufweist, aber zuverlässig ihren Zweck erfüllen sollte.
4. Tektro ED9 und Shimano Linkglide im Vergleich
Unter dem Strich hinterlässt die ED9-Gruppe von Tektro einen positiven Eindruck. Das Konzept mit der Festlegung auf eine Kassette mit neun Ritzeln scheint schlüssig. Dank der Motorunterstützung verfügt ihr auch einem E-Bike mit lediglich einem Kettenblatt über eine vernünftige Auswahl an Gängen.
Shimano hält mit seinem Linkglide-System für Kassetten mit zehn und elf Ritzeln allerdings ordentlich dagegen. Dass die 11er Kassette gegenüber der 9er-Varinate im Vorteil ist, kann kaum überraschen. Nicht ganz so eindeutig stellt sich das im Vergleich zwischen 10er-Linkglide-Kassette und 9er-ED9-Kassette dar. Die Abstufung innerhalb der Shimano-Lösung ist flüssiger, während das Produkt von Tektro ein leicht größeres Spektrum mitbringt, das sich in Anstiegen als Vorteil erweist.
Beide Hersteller setzen bei dem Herzstück des Antriebs auf Stahl. In Sachen Service- und Nutzerfreundlichkeit liegen sie ebenfalls gleichauf. An den Kassetten von Shimano lassen sich die kleinsten drei Ritzel genauso separat wechseln.
Shimano mit ganzheitlicherem Ansatz
Deutlich nach vorn schiebt sich Shimano aufgrund der Tatsache, dass der Marktführer eine spezielle Fahrradkette für die Linkglide-Komponenten anbietet. Dadurch arbeiten Schaltwerk und Kassette noch harmonischer zusammen. Tektro hat diesbezüglich eine Null auf der Habenseite.
Was das Pendel – zumindest für den Moment – endgültig in Richtung Shimano ausschlagen lässt, ist folgender Satz der Pressemitteilung: „Es wird nur in der Erstausrüstung für Radhersteller angeboten.‟ Alle, die gerade dabei waren, E-Drive 9 dem Notizbuch hinzuzufügen, können gleich wieder damit aufhören. Wer die Komponenten gern fahren möchte, hat im Augenblick dazu nur eine Möglichkeit. Und die lautet, sich ein entsprechendes Modell eines Cairon des Herstellers Conway für die Saison 2022 zu sichern. Tektro hat die Gruppe zusammen mit der Marke entwickelt und verbaut sie ausschließlich dort. Wie gesagt, Stand jetzt.
5. Was spricht für spezielle Schaltkomponenten am E-Bike?
Stellt sich zumindest noch die Frage, ob es denn überhaupt speziell für E-Bikes konzipierte Schaltkomponenten braucht? Es gibt zwei gute Gründe, die dafürsprechen.
Erstens, die teilweise höhere Belastung im Vergleich zu Fahrrädern ohne E-Antrieb. Auch heute wiegt ein E-Bike oftmals noch rund 50 Prozent mehr als ein herkömmliches Fahrrad. Dieses Mehr an Masse wird von jedem enorm beschleunigt, der aus dem Stand im Turbo-Modus startet. Selbst aus dem Auto sieht man auf den ersten Metern dann nur einem Kondensstreifen hinterher. Eine derartige Kraftentfaltung interlässt definitiv Spuren.
Der zweite Grund ist die Trägheit einiger E-Bike-Fahrender beim Schalten. Sie lassen den Motor den Großteil der Arbeit erledigen und unterstützen ihn zu wenig durch das Schalten in einen kleineren Gang. Klar, voran geht es natürlich. Aber wer auf einem fünf Kilometer langen Anstieg die Pedalen permanent nur mit 50 oder 60 Umdrehungen pro Minute kreiseln lässt, sollte vor Augen haben, dass in dieser Zeit eine enorme Belastung auf Kette, Kettenblatt und Ritzel liegt. Kein Stahl hält dem ewig stand.
Bilder: Tektro Europe GmbH