Insgesamt drei Profiteams setzten in dieser Saison in der Enduro-Rennserie E-EDR World Cup der UCI auf einen Motor von Shimano. Deren Erkenntnisse fließen unter anderem in die Firmware für die E-Bike-Motoren EP801 und EP6 ein. Die neuste Version der Firmware präsentierte Shimano zur Eurobike in Frankfurt am Main. Danach gehörte sie zu jedem neu ausgelieferten E-Bike und gelangte in die Werkstätten des Fachhandels. Nun könnt ihr alle das Update endlich auch selbst aufspielen. Dazu benötigt ihr lediglich die E-Tube Project Cyclist App von Shimano sowie euer Bike mit dem Shimano EP801 oder dem Shimano EP6.
An einem Rennwochenende im Weltcupzirkus kann es schon einmal voll werden in den Teamzelten vom Yeti Fox Factory Race Team, OOLab Team und Rotwild Schwalbe Gravity Team. Alle drei erhielten 2024 die Unterstützung von Shimano und fuhren mit dessen E-Bike-Antrieben. Zu den entsprechenden Gegenleistungen gehört für sie, dass sie ihre Erfahrungen vom Einsatz der Motoren mit den Ingenieuren von Shimano teilen. Diese reisen zu ausgewählten Rennen extra aus Japan an. In der Regel erhalten sie ungefiltertes Feedback von den besten Fahrern der Welt. Teile davon übertragen sie in die Firmware der Motoren. Über diesen Umweg gelangen so Erkenntnisse von Profis wie Ryan Gilchrist, dem diesjährigen Gewinner des UCI E-EDR World Cup, auf euer E-Bike. Im Grunde hebt das aktuelle Firmware-Update einen „gewöhnlichen“ EP801 auf Weltcup-Level an.
1. Boost-Modus auf neuem Niveau
2. Erweiterter Nachlauf
3. Einstellbares Abschaltverhalten
4. Auto Shift, Version 2.2
1. Boost-Modus auf neuem Niveau
Bezogen auf das Motor-Setup bringt das Update drei wesentliche Überarbeitungen: mehr Unterstützung im Boost-Modus, einen veränderten Nachlauf sowie die Option zum Individualisieren des Abschaltverhaltens des Motors.
Das Niveau der Unterstützung für den EP801 steigt auf 400 Prozent. Beim Feintuning des Motors in der E-Tube Project Cyclist App entspricht dies dem Level 15. Shimano hat jedoch nicht nur den Wert erhöht, sondern gleichzeitig die Motorcharakteristik weiterentwickelt. Bisher stiegt die Unterstützung eher einer progressiven Kurve folgend an. Nun fällt der Anstieg spürbar aggressiver aus.
Hintergrund für die Änderung ist der erwähnte Einsatz des Motors im Leistungssport. Dort benötigen die Cracks im Rennen das Leistungsmaximum auf einen Schlag von jetzt auf gleich. Daher verläuft die Kurve jetzt steiler und das Drehmoment von 85 Newtonmeter sowie die Leistung von 600 Watt liegen direkt an.
2. Erweiterter Nachlauf
Jahrelang haben Motorenhersteller eigentlich versucht, den Nachlauf des Motors zu eliminieren. Geht es aber enorm steil bergauf, blockieren Steine den Weg und das Vorderrad muss angehoben werden und nur die richtige Linienwahl verhindert ein Absteigen, sind andere Qualitäten gefragt. Mit dem bei Shimano im Fachjargon genannten Extended Assist Carryover provoziert ihr ein Nachlaufen des Motors. Dafür gebt ihr vor einem Hindernis noch einmal einen richtigen Punch auf das Pedal. Anschließend schiebt der Shimano EP801 ganz bewusst ohne zusätzliches Pedalieren nach.
In der App lässt sich die Dauer des Nachlaufs mit dem Slider auf „kurz“, „mittel“ oder „lang“ einstellen. Nach dem Update steht die Einstellung auf „kurz“. Tastet euch am besten nach und nach heran, um herauszubekommen, welchen Unterschied „mittel“ und „lang“ beim Fahrverhalten machen. Die Funktion ist direkt mit dem Pedaldruck gekoppelt. Je kräftiger ihr also in die Pedale tretet, umso intensiver fällt nachher der Nachlauf aus.
Um den erweiterten Nachlauf abzuschalten, genügt ein Pedalieren rückwärts.
3. Einstellbares Abschaltverhalten
Vermutlich sagt euch allen das Fade Out des Motors etwas. Es bezeichnet das Nachlassen der Motorleistung, sobald die Geschwindigkeitsgrenze von 25 Kilometer pro Stunde sich nähert und der Motor beim Überschreiten der Grenze seine Unterstützung einstellt. Normalerweise gestalten die Motorehersteller diesen Übergang moderat, damit ihr mit 26 Kilometer pro Stunde nicht plötzlich gefühlt gegen eine Wand fahrt.
Auf einer Rennstrecke erweist sich dies jedoch als kontraproduktiv. Dort muss der Motor bis zum letzten Moment das absolute Maximum leisten. Wann Abfall der Leistung, auf Englisch Cut-Off, einsetzt und mit welcher Vehemenz, ist jetzt einstellbar. Die Ausgangssituation nach dem Update ist wieder ein konservatives Setup. Das könnt ihr abermals in der App schrittweise immer aggressiver einstellen. Selbst auf der aggressivsten Stufe bricht die Motorunterstützung allerdings nicht plötzlich komplett weg. Das Fade Out ist immer noch spürbar. Nur eben stark zeitlich verkürzt. Gut möglich, dass manche von euch nie wieder zu einer moderateren Einstellung zurückkehren wollen.
4. Auto Shift, Version 2.2
In dem Motor sitzt zudem ein Großteil der Intelligenz, die das automatische Schalten der Antriebe von Shimano steuert. Dies nutzt der Hersteller für ein paar Korrekturen der Auto Shift-Funktion. Mit dem Firmware-Update optimiert er zum Beispiel den Zeitpunkt, in dem das Schaltwerk beim Beschleunigen den Gang wechselt. Das soll künftig weicher und präziser geschehen, sodass die Kette beim Gangwechsel nicht so laut kracht, wie das mitunter der Fall gewesen ist. Auch hier helfen die Fahrdaten der Profis, mit deren Hilfe ihr mit Auto Shift 2.2 ein harmonischeres Schalterlebnis erhalten sollt.
Die zweite Verbesserung rund ums Schalten betrifft Auto Free Shift. Zur Erinnerung: Auto Free Shift bedeutet, dass die Schaltung den passenden Gang für das Weiterfahren auswählt, selbst wenn ihr nicht pedaliert. Sie tut dies etwa, wenn ihr während einer Abfahrt immer schneller werdet, dabei aber im Freilauf unterwegs seid und auf ein ebenes Stück zurollt. Dann wechselt sie in einer größere Übersetzung. Gleichzeitig erkennt das System, wenn ihr aus einer Abfahrt an den Gegenhang in den nächsten Anstieg fahrt und schaltet in eine niedrigere Übersetzung.
Bislang hat das System immer ein paar Augenblicke gebraucht, um diese Situationen zu erkennen. Es gab also eine Verzögerung im Schalten, die den sehr praktischen Ansatz seiner Effektivität beraubt hat. Nun reagiert das Schaltwerk schneller auf solche Geschwindigkeitsveränderungen.
Mensch und E-Bike-System im Einklang
Verbessern konnte Shimano zusätzlich das Zusammenspeil von Auto Shift und dem Überstimmen der Funktion durch das manuelle Schalten eurerseits. Beginnt ihr eine Abfahrt und habt Auto Shift aktiviert, verabschiedet sich die Funktion ab sofort nur vorübergehend, sobald ihr das Schalten selbst übernehmt. Endet die Abfahrt, kehrt Auto Shift dann automatisch zurück.
Alle Neuerungen in Bezug auf Auto Shift gelten sowohl für den Shimano EP801 als auch für den EP6. Bezogen auf den Motor bleiben der erhöhte Boost-Modus und der erweiterte Nachlauf allein dem EP801 vorbehalten. Vom einstellbaren Abschaltverhalten profitieren beide Aggregate.
Das Update der Firmware übertragt ihr auf euer Shimano-E-Bike mit dem Aktualisieren der E-Tube Project Cyclist App auf Version 5.3.2 oder höher. Die App findet ihr den App-Stores für Android und Apple.
E-Bikes mit Shimano EP801 und Shimano EP6
Bilder: Shimano Europe B.V.