Wem gehört eigentlich der Begriff „Gravel“? Genau, niemandem. Das hat sich auch Sblocs gedacht und deshalb gleich einmal dem neuesten Modell seiner Calderas-Reihe den Beinamen Gravel verpasst. Alles anderes als alltäglich für ein dreirädriges Fahrrad mit einer Transportbox. Gleichzeitig passend für den Berliner Hersteller, der unkonventionell denkt und genauso unangepasste Fahrzeuge baut.
Vermutlich ist es eine Weile her, dass ihr ein Lastenrad mit Stollenreifen gesehen habt, das für die Fahrt über Schotterpisten und Waldwege erdacht wurde. Und ehrlichweise sei gleich gesagt: Beim Sblocs Calderas Gravel handelt es sich keineswegs um ein Bikepacking-taugliches Fahrrad. Das möchte es allerdings auch gar nicht sein. Vielmehr könnte dieses Bike ein geeigneter Begleiter für euch werden, wenn ihr mit einigem an Gepäck trotzdem gern den Asphalt verlasst und lieber einen Umweg über Stock und Stein wählt.
Alles, nur kein Lastenrad
Doch Vorsicht, wer beim Anblick des Calderas Gravel an Lastenräder denkt, sucht bitte gleich nach einem anderen Wort dafür. Zumindest wenn es nach Marcus Dittberner geht, seines Zeichens Gründer und Geschäftsführer von Sblocs. Der mag diese Bezeichnung überhaupt nicht. Für ihn ist jedes einzelne Calderas stattdessen ein Pendlerrad mit Kofferraum. Egal, ob eher straßenlastiger ausgelegt oder mit einem gewissen Offroad-Charme ausgestattet.
Warum dieses Bestehen auf der ganz eigenen Terminologie? Nun, für Sblocs ist das Calderas in erster Linie ein Fahrrad. Vielleicht eines mit einem überdimensionalen Gepäckträger. Nur, dass sich das Gepäck bequemer und in mehrfacher Hinsicht praktischer transportieren lässt. Dennoch sollen dabei ganz bewusst keine Volumen- oder Gewichtsrekorde gebrochen werden. Der tägliche Einkauf samt Getränken, Dinge für den Job, die Werkzeugkiste, wenn ihr Freunden bei einem Vorhaben helfen wollt – in dieser Kategorie bewegt sich der Ansatz von Marcus Dittberner. Dabei kommen nach seiner Erfahrung selten mehr als zehn Kilogramm zusammen. Ausgelegt ist die 120 Liter fassende Transportbox für Lasten bis 40 Kilogramm. Weitere 30 Kilogramm verträgt der optionale Gepäckträger für das Hinterrad.
Gleichzeitig sollt ihr mit dem Calderas Gravel problemlos durch den Feierabendstau schlüpfen können. Daher hat Sblocs an dem bewährten Konzept mit der bisherigen Rahmengeometrie festgehalten. Im Ergebnis misst das Bike 73 Zentimeter in der Breite und 205 Zentimeter in der Länge. Wenn ihr ein herkömmliches Mountainbike nachmesst, werdet ihr feststellen, dass dies auch nicht kleiner ausfällt.
Vom Ochsenkarren abgeschaut
Die Zahlen sind zusammen mit den beiden 24 Zoll großen Laufrädern vorn und dem 26 Zoll großen Hinterrad ein Grund für die enorme Wendigkeit der Calderas-Modelle. Einen noch größeren Einfluss hat ihr einzigartiges Lenk-Neige-System. Das kombiniert eine Drehschemel-Lenkung mit einer Neigetechnik, die es dem Calderas Gravel ermöglicht, um bis zu 24 Grad seitlich nach rechts und links abzukippen. Habt ihr einmal etwas Fahrt aufgenommen, zirkelt ihr damit ganz entspannt um so ziemlich jede Kurve. Und das in einem Radius, der mit anderen Lastenrädern so kaum fahrbar ist.
Rechnet dennoch mit einer gewissen Eingewöhnungsphase, bis ihr das Calderas Gravel vollends beherrscht. Das Lenken fühlt sich aufgrund der Konstruktion definitiv anders an, als das eines typischen Fahrrades oder auch als das anderer Lastenradtypen wie zum Beispiel einem Longjohn. Mit dem Lenker bewegt ihr beim Fahrrad von Sblocs nämlich nicht nur die Räder, sondern die gesamte Vorderachse inklusive der darauf montierten Transportbox. Auch wenn das ein wenig an das Steuern eines Christiania-Bikes oder ähnlicher Cargobikes wie früheren Modellen von Babboe erinnert, fällt es doch viel sportiver aus. Wellen, kleine Absätze, Schrägen – das alles lässt sich mit einem Calderas problemlos fahren. Hier machen sich einfach die Neigetechnik und das Beibehalten des Lenkers im Gegensatz zum Wechsel auf einen Lenkbügel bezahlt.
Berliner Connection
Direkt auf Anhieb Gefallen dürfte euch dagegen der elektrische Antrieb. Die Hauptstädter arbeiten dabei mit einem Unternehmen zusammen, das seinen Sitz ebenfalls in Berlin hat. Gemeint ist Brose, dessen Drive T-Motor mit einem Drehmoment von 70 Newtonmetern nicht nur für ordentlichen Vortrieb sorgt, sondern bereits mehrfach als ausgesprochen leiser Vertreter seiner Art gelobt wurde. Wer die Leistung des Aggregats in vollen Zügen genießen möchte, sollte sich bei der Konfiguration seines Bikes für die Ausstattung mit der angebotenen 11-fach-Kettenschaltung entscheiden. Bei der Variante mit der 8-Gang-Alfine ist das Motorsetup leicht gedrosselt, um die Standfestigkeit der Nabenschaltung zu sichern. Auf Wunsch verbaut Sblocs allerdings auch die quasi unkaputtbare Schaltung von Rohloff. Wie immer, schnellt damit der Kaufpreis jedoch entsprechend nach oben.
Beim Akku vertraut Sblocs auf Lösungen von BMZ. In der Regel kommen die Bikes mit einem Rahmenakku, der über eine Kapazität von 635 Wattstunden verfügt. Nach Aussage von Marcus Dittberner sind im Stadtverkehr mit häufigem Stop-and-go zwischen 70 und 80 Kilometer an Reichweite realistisch. Das deckt sich mit den Erkenntnissen der Prüfgesellschaft Dekra. Die hat in einem normierten R200-Reichweitentest einen Wert von 62 Kilometern ermittelt. Dabei wird ein E-Bike konstant mit einem Unterstützungsfaktor von 200 Prozent bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km/h gefahren. Allerdings testete Dekra ein Calderas One. Dessen Reifen weisen einen deutlich geringerem Rollwiderstand auf, als die am Calderas Gravel aufgezogenen Rocket Ron von Schwalbe.
Holz ist Trumpf
In Bezug auf die Aufbauten könnt ihr auch beim Calderas Gravel zwischen drei Optionen wählen. Im Angebot sind zwei Boxen. Deren größter Unterschied besteht in der Anzahl der potenziellen Sitzplätze für Kinder. Die Standardbox bietet einen Sitzplatz, die Box „2K“ derer zwei. Beide Boxen werden aus einem wasserfest verleimten Holz mit einer zusätzlichen schwarzen Beschichtung gefertigt. Das Ganze firmiert unter dem Titel Casebauplatten. Die offenen Kanten der Box behandelt Sblocs zusätzlich mit einem Wachs. Um den Deckel der Box verläuft eine Gummilippe, die Nässe und Schmutz fernhält. Mit ein wenig Pflege sollte das selbst auf lange Sicht erfolgreich jeglicher Witterung trotzen.
Obwohl die Boxen speziell gegen Schwingungen gedämpft sind, berichten Tester hin und wieder von störenden Geräuschen. Vor allem beim Fahren auf holprigen Untergründen. Vermutlich ist das relativ stark davon abhängig, was ihr in der Box transportiert und wie sich das Transportgut darin bewegen kann. Zumindest der Boden der Boxen ist standardmäßig mit einer Art Schaumstoffmatte ausgelegt.
Vom Kindersitz zum Kofferraum
Großer Vorteil der Boxen ist in jedem Falle deren Vielseitigkeit. Optional gibt es ein Art Minisitzbank und ein Gurtsystem, falls ihr das Bike als Kindertaxi nutzen wollt. Die dann hinzukommende Rückenlehne lässt sich durch wenige Handgriffe zu einem abschließbaren Deckel umfunktionieren. Auf diese Weise könnte ihr relativ sorgenfrei auch diverse Sachen längere Zeit im Fahrrad belassen und braucht es nicht bei euch haben. Leider ist der Deckel nur für die Box mit einem Kindersitz erhältlich.
Wer nicht einmal eine Box benötigt, kann alternativ eine Plattform wählen. Deren Rückseite und die Hälfte der langen Seiten sind von einer etwa zehn Zentimeter hohen Metallbande umschlossen.
Kleiner Wermutstropfen: So gut wie das gesamte Zubehör kostet extra. Die Kindersitze, das dazugehörige Gurtsystem, der abschließbare Deckel, die Gurte für die Ladeplattform – mit allem steigt der Startpreis von 6.395 Euro weiter an. Wer dem Calderas Gravel nach einer Probefahrt einmal verfallen ist, wird sich vermutlich auch davon nicht abschrecken lassen.
Bilder: Elektrofahrrad24
Was kostet Sblocs würde mir gefallen sieht Sergut. aus.
Hallo Hubert,
die Versionen mit E-Antrieb starten bei rund 6.300 Euro. Ganz aktuell hat Sblocs ein paar Modelle reduziert. Schau einfach mal auf deren Homepage vorbei. Sblocs sollte dir als Suchwort bei jeder Suchmaschine genügen
Sportliche Grüße
Matthias