Gewöhnlich gilt es als gewisses Privileg, wenn sich Hobby und Beruf miteinander verbinden lassen. Wer das so sieht, wird Martin Fleischhauer als privilegiert betrachten. Der 50-Jährige hat dies getan. Oder etwas in der Art. Eigentlich hat er den einen Job mit einem zweiten, neuen verbunden. In seinem Projekt Maniac&Sane entstehen Lastenfahrräder. Und dabei verknüpft er Erfahrungen aus mehr als 25 Jahren Radsport mit seinem Fachwissen für den Leichtbau als Doktor der Ingenieurwissenschaften.
Die meiste Zeit des Tages führt Martin Fleischhauer ein Unternehmen in Darmstadt. Das unterstützt andere Firmen und Institutionen bei der Entwicklung von Leichtbaustrukturen aus Faserverbundwerkstoffen. Als Dienstleister setzt er sich damit auseinander, wie Spezialteile überhaupt aussehen könnten und sich später möglichst effizient fertigen lassen. In seiner Freizeit nimmt er an Events wie dem Austria eXtreme Triathlon teil und sammelt dabei Höhenmeter wie andere Enzian. Und in der verbleibenden Zeit – anscheinend gibt es welche – fertigt er eines der leichtesten Lastenfahrräder, die in den vergangenen Jahren auf den Markt gekommen sind. Zwei Versionen – mit und ohne E-Antrieb. Wennschon, dennschon. Klingt verrückt. Ein Stück weit schätzt das Fleischhauer wohl ähnlich ein und hat sich vermutlich deshalb Maniac&Sane genannt.
Absolutes Leichtgewicht
Die elektrifizierte Verrücktheit, sprich das Lastenfahrrad mit Motorunterstützung, trägt den Titel „Sane“. Wäre dieses Longjohn ein Pferd, würde man bei ihm wohl auf den ersten Blick von klapperdürr sprechen. Übertragen in die Fahrradwelt heißt das dann minimalistisch. In jedem Falle wird deutlich, dass Gewichtsoptimierung eines der wichtigsten Kriterien beim Design gewesen sein dürfte. Das Sane wirkt so sportlich wie ein Ausdauerathlet. Auf seiner Webseite gibt der Hersteller auch unumwunden zu, bei dem Lastenfahrrad den Schwerpunkt unmissverständlich auf den Wesenszug des FAHRRADES gelegt zu haben.
Wenig überraschend, ist der Rahmen aus Carbon gefertigt. Angesichts einer aktuell noch überschaubaren Stückzahl geschieht dies per Hand in Deutschland. Nach Aussage von Maniac&Sane wiegt er am Ende lediglich 4,4 Kilogramm. Das sind noch einmal beinahe zwei Kilogramm weniger als beim Kàro von Velo Lab. Mit seinen innen verlegten Kabeln und dem flächigen Rahmendesign ergibt sich ein markantes, fast schon futuristisch anmutendes Erscheinungsbild.
Diverse Freiheitsgarde
Ganz klassisch ist dagegen die Dimensionierung des E-Lastenfahrrades mit dem 26 Zoll großen Laufrad hinten und dem 20 Zoll großen Laufrad vorn. Für ein Longjohn sind das vertraute Werte. Beim Sane gibt es dazu eine Federgabel mit einem Federweg von 80 Millimetern des US-amerikanischen Herstellers Spinner. Trotz dieses Zugeständnisses an einen erhöhten Fahrkomfort bleiben unter dem Strich gerade einmal 22,8 Kilogramm an Gesamtgewicht stehen. Beinahe jedes Trekking-E-Bike wäre stolz auf diesen Wert.
Das Sane ist keinem expliziten Einsatzzweck gewidmet. Im Prinzip erlaubt die plane Ladefläche mit ihren 82 Zentimetern in der Länge und knapp 48 Zentimetern in der Breite alles Mögliche. An den Längsseiten verlaufen links und rechts Airline-Schienen. Dort könnt ihr Gurte, Gestelle und andere Konstruktionen sicher befestigen. In Anbetracht der erlaubten Zuladung von maximal 100 Kilogramm eröffnet dies auch einer gewerblichen Nutzung genügend große Spielräume. Gleichzeitig steht fest: Aufgrund ihrer Ebenheit werdet ihr bei dieser Ladefläche in gewissem Maße selbst Hand anlegen müssen, wollt ihr darauf lose Teile transportieren.
Wendig durch den Alltag
Unabhängig von der Last sollte sich das Sane sehr angenehm fahren. Dafür spricht zum Beispiel sein Lenkeinschlag von bis zu 90 Grad. Daraus resultiert ein Wendekreis von 2,42 Metern. Bei einer Gesamtlänge von stattlichen 2,62 Metern für das Fahrrad kann sich das sehen lassen. Beim nur unwesentlich längeren Modell von Cluuv beträgt der Wendekreis knapp 30 Zentimeter mehr. Und dessen Handling hat uns bei der Probefahrt schon stark beeindruckt. Wie dort kommt auch am Sane eine Seilzuglenkung zum Einsatz. Von der bekommt ihr jedoch nichts zu sehen, da sie vollständig in den Rahmen integriert wurde. Mit Blick auf eine möglichst geringe Wartung ist dagegen auch überhaupt nichts einzuwenden.
Kräftiger Schub von hinten
Hinter das wendige Manövrieren, wenn auf der Straße mal wieder weniger Platz vorhanden ist, könnt ihr also einen Haken machen. Dafür, dass es möglichst zügig vorangeht, sorgt der Hinterradnabenmotor Z20 von Neodrives. Mit seinem Drehmoment von lediglich 40 Newtonmetern wirkt der zuerst immer etwas bescheiden im Vergleich zu den Werten, die bei E-Cargobikes gewöhnlich aufgerufen werden. Da die Kraft aber ohne große Verluste direkt an der Hinterradachse ansetzt, ist er den Mittelmotoren von Shimano, Bosch und Co. definitiv ebenbürtig.
Der dazugehörige Akku findet sich direkt unter der Ladefläche. Diese niedrige Position fördert zusätzlich ein ausgeglichenes Fahrverhalten. Zum Aufladen entnehmt ihr den Akku von dort unten und ladet ihn, wo immer ihr möchtet. Alternativ könnt ihr das Ladegerät natürlich auch anschließen, während der Akku noch am Fahrrad steckt. Aufgrund seiner Kapazität von 626 Wattstunden dürfte die Reichweite vergleichsweise groß ausfallen. Erst recht, wenn gerade es mal nichts zu transportieren gibt und ihr nur euch und die rund 23 Kilogramm des Bikes bewegen müsst. Kleiner Wermutstropfen des Antriebs ist das ziemlich einfallslos gestaltete Display von Neodrives. Das will nicht so recht zum ansonsten sehr stylischen Sane passen.
Wahl zwischen Kette und Riemen
In der Standardvariante gehört eine Shimanos Deore XT-Kettenschaltung mit elf Gängen zur Ausstattung. Die Bremsen entstammen derselben Gruppe. Mindestens zu Beginn des Projektes hat Martin Fleischhauer auch einfach nur zu einem Singlespeed mit Carbonriemen gegriffen. Solche Wünsche scheinen demnach auch bedient werden zu können.
Bei der sonstigen Ausstattung könnt ihr ganz nach eigenem Belieben Komponenten und Teile auswählen. Maniac&Sane verfolgen den Custom-made-Ansatz. Folglich ist das Fahrrad nicht bis ins letzte Detail vorkonfiguriert, sondern vieles lässt sich flexibel während des Kaufes verabreden. Dazu zählt um Beispiel auch das Anfertigen des Rahmens in einer Wunschfarbe.
Nächstes Modell schon in Sicht
Für das kommende Jahr hat sich Maniac&Sane einiges vorgenommen. So soll auch das zweite Lastenrad im Sortiment, das Maniac, um einen elektrischen Antrieb erweitert werden. Denkbar sind wohl zwei Varianten. Entweder analog zum Sane mit dem System von Neodrives – oder mit einem System von Mahle. Dann vielleicht sogar mit vollintegriertem Akku. Letzteres klingt aus unserer Sicht ziemlich spannend.
Beim Sane könnte sich eventuell zu der jetzigen Version noch eine als S-Pedelec hinzugesellen. In diesem Falle mit einem Z20 RS-Motor. Bis ins letzte Detail scheinen diese Pläne aber noch nicht finalisiert zu sein. Immerhin haben Maniac&Sane schon einmal ein Testrad mit dieser Konfiguration aufgebaut. Der Preis würde wohl im Vergleich zu den aktuellen 11.995 Euro für das jetzige Sane noch einmal steigen.
Heißt teuer auch zu teuer?
Damit kommen wir am Schluss nicht umhin, über den Preis zu sprechen. Rund 12.000 Euro sind verdammt viel Geld für ein Fahrrad. Für etliche Menschen sicher zu viel. Daran führt kein Weg vorbei. Gleichzeitig scheint er nicht übertrieben hoch. Schließlich handelt es sich bei Maniac&Sane um ein kleines Projekt, das mit geringsten Stückzahlen kalkuliert. Unter den Voraussetzungen werden auch die jeweiligen Zulieferer keine großartigen Rabatte einräumen. Den großen Rahmen aus Carbon gibt es ebenfalls nicht umsonst. So wird auf alle Fälle nachvollziehbar, wieso am Ende eine solch große Summe im Raum steht. Aber wer weiß, vielleicht gibt es da draußen genügend positiv Verrückte, die auf ein Bike wie das Sane gewartet haben.
E-Lastenfahrrad Sane von Maniac&Sane im Überblick
- Rahmen: Carbon
- Motor: Neodrives Z20
- Akku: Neodrives V8
- Display: neoMMI 20c
- Federgabel: Spinner 300
- Antrieb: Shimano Deore XT
- Bremsen: Shimano Deore XT
- Reifen: Continental Contact Urban
- Länge: 262 cm
- Gewicht: 22,8 kg
- Maximale Zuladung Ladefläche: 100 kg
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 200 kg
- Preis: ab 11.995 Euro
Bilder: Maniac&Sane GmbH