Vielleicht wird es in ein paar Jahren mal heißen: Ja, es war definitiv die Eurobike 2023, die das Ende des herkömmlichen Mittelmotors für E-Bikes einläutete. Vielleicht wird sie in der Erinnerung auch verschwimmen zwischen den Messeausgaben davor und danach. So kurz nach dem Torschluss in Frankfurt am Main können wir uns zumindest vorstellen, dass drei Buchstaben ganz sicher hängenbleiben werden: MGU. Die Abkürzung für „Motor Gear Unit“ und damit eine der Neuheiten, die sich diese Bezeichnung auch wirklich verdient hat. Nicht, weil niemand zuvor etwas ähnliches probiert hätte. Sondern weil niemand zuvor Motor und Getriebe für ein E-Bike auf derart gekonnte Weise miteinander kombiniert hat. Wir waren zugegebenermaßen schwer beeindruckt. Hier erfahrt ihr, warum.
1. Was ist die Pinion MGU?
2. Auf welches Getriebe greift der Hersteller zurück?
3. Arbeitet Pinion mit einem komplett neuen E-Bike-Motor?
4. Welche wesentlichen Vorteile verspricht die Kombination von Motor und Getriebe in einer Einheit?
5. Worin unterschieden sich Gewicht und Lastverteilung im Vergleich zu anderen Antriebskonzepten?
6. Wie funktioniert der Schaltvorgang?
7. Welche Unterstützungsstufen bietet der Antrieb?
8. Was verbirgt sich hinter den vordefinierten Fahrprofilen „Comfort“ und „Performance“?
9. Wie viele Modelle der MGU gibt es derzeit?
10. Ist die MGU eingebettet in ein komplettes E-Bike-System?
11. Gibt es eine App dazu?
12. Welche Marken bieten aktuell E-Bikes mit einem Pinion E-Drive an?
13. Kommen künftig weitere hinzu?
1. Was ist die Pinion MGU?
Nach den Worten von Dirk Menze, Head of Marketing & Design bei Pinion, handelt es sich um nicht mehr und nicht weniger als eine logische Konsequenz. In seiner MGU führt Pinion zusammen, was nach Meinung des Unternehmens und etlicher anderer Menschen zu lang voneinander getrennt gewesen ist. Elektromotor und Getriebeschaltung. Nicht an einem E-Bike, sondern in einem gemeinsamen Gehäuse im Tretlager eines E-Bikes. Tatsächlich steckt in dem Gesamtpaket sogar noch mehr. Neben dem Motor und dem nahezu kompletten Antriebsstrang sind dies Sensoren und Steuerungssysteme. Alles zusammen basiert auf der 48-Volt-Technologie.
2. Auf welches Getriebe greift der Hersteller zurück?
Einer der zentralen Bestandteile der MGU ist die seit langem bewährte Schalttechnik von Pinion. Zum Einsatz kommen die Schaltgetriebe C1.12 und C1.9. Sie basieren auf einer Stirnradverzahnung mit zwei hintereinander geschalteten Getriebesätzen. Für die Implementierung in den neuen Antrieb wurden sie nur geringfügig verändert. So hat Pinion zum Beispiel an der Innenverzahnung gearbeitet, um dem Kraftschluss zu verbessern. Die Bandbreite ist dabei gleichgeblieben. Eine MGU mit zwölf Gängen bietet 600 Prozent, während die Version mit neun Gängen auf 568 Prozent kommt.
3. Arbeitet Pinion mit einem komplett neuen E-Bike-Motor?
Da Pinion bisher nicht als Motorenlieferant für E-Bikes auftrat, gab es diesbezüglich zwei Optionen: Entweder man entwickelt etwas eigenes oder man schaut sich nach einem passenden Aggregat um, das bereits irgendwo anders verwandt wird. Aufgrund seiner historischen und geografischen Nähe zum Who is who der Automobilindustrie – die Idee zum Zentralgetriebe von Pinion entstand bei Porsche und das Unternehmen sitzt vor den Toren Stuttgarts – überrascht es nicht, dass die Wahl auf Option zwei fiel. Der verschleißfreie, bürstenlose Motor stammt aus Autos. Dort treibt er 100.000-fach Servolenkungen an. Für den Einsatz hat in der MGU hat er stärkere Magneten erhalten. Die integrierte Sensorik erfasst maßgebliche Werte, welche die Ausprägung der Fahrmodi sowie smarte Funktionen mitbestimmen:
- Eingangsdrehmoment
- Motordrehzahl
- Position der Schaltwelle
- Position der Kurbelarme
- Trittfrequenz
- Fahrgeschwindigkeit
4. Welche wesentlichen Vorteile verspricht die Kombination von Motor und Getriebe in einer Einheit?
Im Grunde kann das MGU vier wesentliche Pluspunkte für sich in Anspruch nehmen. Der erste ist die Konstruktion in einem gemeinsamen Gehäuse. Staub, Dreck, Wasser, Streusalz, was auch immer – von allem bleibt der Antriebsstrang unberührt. Daraus ergibt sich Vorteil Nummer Zwei, die enorme Standfestigkeit. Nach Aussage des Herstellers arbeitet der Antrieb nahezu verschleißfrei. Als Wartung genügt ein zehnminütiger Ölwechsel alle 10.000 Kilometer. Zum Dritten macht er externe Schaltsysteme überflüssig. Das spart Gewicht, Kosten, Nerven und schont unser aller Ressourcen. Und zu guter Letzt sitzt die MGU dort, wo sie jede Konstruktionsabteilung platzieren würde, wenn es eine freie Auswahl gäbe: mittig und tief am Fahrrad. Dort, wo sich nicht umsonst das Tretlager befindet. In Bezug auf die Gewichtsverteilung am E-Bike ist dies der bestmögliche Ort.
5. Worin unterschieden sich Gewicht und Lastverteilung im Vergleich zu anderen Antriebskonzepten?
Auf den ersten Blick schlägt die Motor-Getriebe-Einheit mit einem höheren Gewicht zu Buche. Ein aktueller Mittelmotor mit einem vergleichbaren Drehmoment von 85 Newtonmetern wie der Bosch Performance Line CX wiegt 2,9 Kilogramm. Je nach Ausführung sind es bei der MGU entweder 4,0 Kilogramm oder 4,1 Kilogramm. Allerdings ist dort bereits das Gewicht der Schaltung einberechnet. Addiert ihr zum herkömmlichen Mittelmotor eine separate Nabenschaltung hinzu, kommt ihr schnell auf fünf Kilogramm oder mehr. Die Kombination von Mittelmotor und separater Kettenschaltung fällt deutlich leichter aus und bleibt insgesamt bei unter vier Kilogramm. Schaltwerk und der Kassette befinden sich jedoch am Hinterrad und wirken sich als ungefederte Masse nachteilig auf die Dynamik des Fahrrades aus. Durch das Versammeln der Masse im Tretlagerbereich, schneidet Pinions Lösung unter dem Strich auch gegenüber der Kettenschaltung besser ab. Gerade das Fahrwerk an vollgefederten E-Bikes wird davon merklich entlastet, was zu einer besseren Traktion und damit zu deutlich mehr Fahrspaß und Fahrkontrolle führen dürfte.
6. Wie funktioniert der Schaltvorgang?
Geschaltet wird bei der MGU elektronisch. Das gelingt im Stand, unter Last und in jedem Gang. Ein selbst entwickelter Schalthebel gibt euren Auslöser in Sekundenbruchteilen an das Getriebe weiter. Mithilfe eines Systems, das Pinion Smart.Shift nennt, lassen sich auch mehrere Gänge auf einmal schalten. Dank der umfangreichen Sensorik erkennt der Motor zu jeder Zeit, in welchem Gang ihr bei welcher Trittfrequenz fahrt und passt die Drehzahl entsprechend an.
Zudem hat Pinion zwei halbautomatische Funktionen implementiert. Die erste heißt Pre.Select. Dank ihr registriert der Antrieb sogar im Freilauf eure Geschwindigkeit und wählt automatisch den Gang, der zu dieser Geschwindigkeit passt. Ihr tretet also nicht ins Leere, wenn ihr aus einem Anstieg kommend in eine Abfahrt rauscht und in dieser Abfahrt oder beim Übergang ins Flache den Schwung beibehalten wollt. Außerdem kann es nicht passieren, dass ihr umgekehrt aus einer Abfahrt kommt, mit überschüssiger Geschwindigkeit in einen Anstieg geht und dort erst einmal hektisch eine kleinere Übersetzung sucht. Die hat Pre.Select für euch schon aufgelegt.
Ähnlich wie ihr es vielleicht von Boschs eShift für Nabenschaltungen von Enviolo kennt, hat Pinion ebenfalls beim Anfahren aus dem Stand vorausgedacht. Für diese Situation könnt ihr mithilfe von Start.Select einen Gang vorgeben, in dem ihr zum Beispiel nach dem Halten an einer Ampel losfahren möchtet.
7. Welche Unterstützungsstufen bietet der Antrieb?
Das Potenzial der MGU hat Pinion in vier Fahrmodi kanalisiert:
- „Eco“ für maximale Reichweite
- „Fly“ für konstant volle Power
- „Flow“ als adaptiver Fahrmodus, eher progressiv ausgelegt
- „Flex“ als adaptiver Fahrmodus, eher progressiv ausgelegt
Eine Anfahrhilfe sowie ein per Tastendruck aktivierbarer Extra-Boost ergänzen die Auswahl. In der FIT EBike Control App könnt ihr alle aufgeführten Unterstützungsstufen individualisieren.
8. Was verbirgt sich hinter den vordefinierten Fahrprofilen „Comfort“ und „Performance“?
Um etwas Erleichterung bei der Anpassung der Fahrmodi zu geben, liefert jeder Fahrradhersteller seine Modelle mit der MPU mit zwei Standard-Setups aus. In den beiden Profilen „Comfort“ und „Performance“ sind die vorab genannten Unterstützungsstufen auf bestimmte Weise abgestimmt und zueinander harmonisiert.
Das „Comfort“-Setup bietet sich Radfahrende an, die während des Pendelns, einer Radreise oder längeren Touren ein Fahrgefühl bevorzugen, das auf Extreme verzichtet und tendenziell den Akkuverbrauch schont. Deutlich sportlicher geht es im „Performance“-Setup vorwärts. Die Leistung entfaltet sich schneller, bleibt dennoch stets gut beherrschbar.
Beide Setups könnt ihr als Ausgangspunkt nutzen und schauen, wie ihr gut mit ihnen in unterschiedlichen Fahrsituationen zurechtkommt. Nichts ist in Stein gemeißelt. Alle Voreinstellungen lassen sich in der App anpassen.
9. Wie viele Modelle der MGU gibt es derzeit?
Obwohl vom Magnesiumgehäuse nur eine Größe entsteht, gibt es bereits zum jetzigen Zeitpunkt vier unterschiedliche Versionen des Antriebs. Ihr könnt sie entweder nach der Anzahl der verfügbaren Gänge oder der Eignung für den Pedelecs und S-Pedelecs unterscheiden. Die Modelle E1.12 und E1.12S verfügen über zwölf Gänge bei einem Übersetzungsspektrum von 600 Prozent. Im Falle von E1.9 und E1.9S sind es neun Gänge bei einem Übersetzungsspektrum von 568 Prozent. Das S am Ende der Bezeichnung kennzeichnet die Antriebe für S-Pedelecs. Sie leisten in der Spitze bis zu 800 Watt, während die Pedelec-Antriebe 600 Watt erreichen.
Identisch sind dagegen das Drehmoment von rund 85 Newtonmeter sowie die maximale Unterstützung von 400 Prozent.
Technische Details der Antriebseinheit Pinion MGU im Überblick
- Nennspannung: 48 V
- Nennleistung: 250 W
- Leistungsspitze: 600 W bei Pedelecs / 800 W bei S-Pedelecs
- Maximale Unterstützung: 400 %
- Ganganzahl: 12 / 9
- Gewicht: 4,1 kg / 4,0 kg
- Gehäusematerial: Magnesium Druckguss
- Q-Faktor: 174 mm
10. Ist die MGU eingebettet in ein komplettes E-Bike-System?
Von Beginn an hat Pinion über seine MGU hinausgedacht und beschlossen, die gesamte Peripherie zu bedienen. Der dafür verantwortliche Partner im Projekt ist die schweizerische Biketec GmbH mit ihrer Marke FIT. Akkus und Bedieneinheiten stammen folglich von diesem Hersteller. Folgende Komponenten können die Fahrradhersteller beliebig miteinander kombinieren, wenn sie ihre E-Bikes mit dem Pinion E-Drive, wie das komplette E-Bike-System heiß, konzipieren:
- FIT Display Comfort
- FIT Display Compact
- FIT Remote Display
- FIT Remote Basic
- Akku FIT Ultracore 480
- Akku FIT Ultracore 720
- Akku FIT Ultracore 960
- Akku FIT TP 700
- Akku FIT Range Extender
11. Gibt es eine App dazu?
An die Displays, Bedieneinheiten und Akkus anknüpfend stammt auch die nötige App von FIT. In der FIT E-Bike Control App könnt ihr zum Beispiel die Funktionen von Smart.Shift verändern und in den einzelnen Fahrmodi für die Leistungsabgabe, den Leistungseinsatz sowie die Leistungsentfaltung ganz konkrete Werte vorgeben. Die passenden Erläuterungen, wir ihr dabei vorgeht, finden sich ebenfalls in der App.
12. Welche Marken bieten aktuell E-Bikes mit einem Pinion E-Drive an?
Der jetzigen Präsentation auf der Eurobike 2023 ging eine fünfjährige Entwicklungs-, Test- und Produktionsphase voraus. Für die hatte sich Pinion mit den folgenden neun Kooperationspartnern zusammengetan:
- Bulls
- Flyer
- i:SY
- Kettler
- Pegasus
- Rotwild
- Simplon
- ToutTerrain
- Zemo
Die meisten von ihnen waren mit diesen Neuheiten auch in Frankfurt am Main vor Ort. Insgesamt sind 30 Modelle mit dem Pinion E-Drive für dieses Jahr angekündigt.
13. Kommen künftig weitere hinzu?
Im Gespräch mit uns bestätigte Pinion, dass erst im nächsten Jahr der ganz große Rollout erfolgen wird. Es wird also definitiv nicht bei diesen 30 Modellen bleiben. Zusätzlich hat das Unternehmen seine Fühler nach weiteren Kooperationspartner ausgestreckt. Vermutlich wird sich also auch die Anzahl der Marken erhöhen, die einen Teil ihrer Produktpalette mit dem Pinion E-Drive ausstatten werden.
Bilder: Pinion GmbH
Hab ein kagu Pinion von Simplon seit 2 Wochen und vorher ein Cube Fully von 2021….leider geklaut. Bin 120kg schwer bei 2m Körpergröße. Die Qualität von Simplon ist der Hammer, und vom Antrieb bin ich total begeistert. Kein Verschalten bergauf ,alles flüssig, beliebig anpassbar nur etwas laut in manchen Gängen. Nichts kann sich mehr verbiegen am Schaltauge , kein Kettenverschleiß , alle 10000km Ölwechsel, fertig. Man legt einen Haufen Geld an,da kann man Qualität erwarten. Bin völlig begeistert, warten wir mal ab wie es weitergeht. Ich fahre die gleichen Strecken im Taunus wie mit meinem Cube Fully, aber keine extremen Trails…ist gesünder in meinem Alter …fast 70.
Hallo, ich habe seit einer Woche ein Pegasus Rad mit Pinion Motor und bin bisher sehr enttäuscht. Eine flüssige Fahrt ist unmöglich, zwar schaltet der Motor auf der Ebene und Bergab gut, aber Bergauf ist es eine Katastrophe! Er schaltet erst in kleinere Gänge wenn man fast steht und man schier umfällt! Und meistens ist der Gang dann immer nich zu hoch. MfG
Das liegt daran das die Pinion zu dieser Zeit auch nur schalten konnte im Leerlauf. Das hast du beim Bergauf nicht. mit 3 Wochen gibt es ein Update wo es die Smartshift Funktion gibt. Die kann das jetzt endlich. Also wenn einer System nicht verstanden wird oder vom Händler falsch mitgeteilt liegt es nicht am Motor.
Hallo ich fahre seit kurzer Zeit ein Flyer TR-X ( 250km) alles läuft super .
Aber wie kann ich meinen Radumfang verändern? der Motor unterstützt laut Tacho bis
26 km aber meine Freunde fahren da erst 24 km, und sind dann weg.
Vielleicht kann mir da jemand helfen.
Hallo Gottfried,
wenn dein Modell eine Einstellung für den Radumfang bietet, solltest du die im Menü des Displays unter „Einstellungen“ → „My Bike“ oder „My Flyer“ finden. Schau dort mal nach. Kannst du nichts entdecken, hilft vermutlich nur der Gang zum Fachhändler. Könnte sein, dass Pinion die Vorgabe motorseitig so eingerichtet hat, dass die von Privatkunden nicht verändert werden kann.
Sportliche Grüße, Matthias
Das kann nur der Fachhändler verstellen über die Software.