Die Liga der puristischen urbanen E-Bikes bekommt Zuwachs. Von nun an mischt auch ein Hersteller aus Italien mit. Dessen Name Noko, Abkürzung für „no compromise“, sagt vermutlich den Wenigsten von euch aktuell etwas. Im Rahmen der Motorradmesse EICMA präsentierte das Unternehmen vor kurzem in Mailand immerhin drei neue Kreationen.
Elegant und praktisch zugleich definiert Noko nach eigener Aussage seine Bikes. Gedacht sind sie in erster Linie für Menschen, die täglich im Straßenverkehr unterwegs sind und nach einem Fahrrad suchen, das modern daherkommt, zuverlässig seinen Dienst tut und ein gewisses sportliches Understatement vermittelt. Im Grunde fußt der Ansatz auf drei wesentlichen Säulen: einem möglichst leichten Fahrrad, einer elektrischen Unterstützung, die euch ein etwas intensiveres Mittreten abverlangt sowie auf Komponenten, die aus dem Rennsport stammen. Gehen wir das einfach mal schrittweise durch.
Sortiment mit verschiedenen Leichtgewichten
Beginnen wir mit dem Gewichtsaspekt. Für alle drei E-Bike gibt Noko unisono ein Gesamtgewicht von 14,8 Kilogramm an. Dies bezieht sich auf die mittlere Rahmengröße M des jeweiligen Modells. Als Material für den Rahmen dient 6000er-Aluminium. Zum Vergleich: Urwahn gibt sein Platzhirsch mit Stahlrahmen in der Größe M mit 14 Kilogramm an. Warum dient das als relativ gute Referenz? Nun, bei beiden Bikes versteht sich der Wert ohne Schutzbleche und ohne Seitenständer. Im Falle von Noko auch ohne Licht, während am Platzhirsch die Leichtgewichte von Lightskin in Lenker und Sattelstütze integriert sind.
Beide Hersteller lassen ihre Rahmen übrigens im jeweiligen Heimatland fertigen. Noko nutzt dafür eine entsprechende Fabrik in Catania auf Sizilien. Vom Band laufen dort zwei verschiedene Rahmen. Aus denen entstehen am Ende drei unterschiedliche Bikes. Alle sind für ein Maximalgewicht von 120 Kilogramm zugelassen. Das Nokoforza ist das Abbild eines typischen urbanen E-Bikes mit klassischem Diamant-Rahmen, Singlespeed und Riemen statt Kette. Gleiches trifft auf das Nokotempo zu. Nur das hier alles auf einem Trapez-Rahmen mit tieferem Durchstieg basiert. Mehr in die Natur drängt dagegen das Nokovulcano. Es verfügt über den identischen Rahmen wie das Nokoforza. Der erhält hier aber einen Rennlenker, eine Kettenschaltung samt 1×11-Antrieb sowie leichte Stollenreifen.
Schlanker Hinterradantrieb
Zweiter wichtiger konzeptioneller Baustein für Noko ist das E-Bike-System. Analog zum jüngst vorgestellten e-Gravel Frontier von Vent kommt erneut der HM 1.0 von FSA zum Einsatz. Technisch bewegt sich dieser auf einem ganz ähnlichen Niveau wie der X35+ von Mahle, den unter anderem auch Urwahn an seinem Platzhirsch verbaut. Mit einem Systemgewicht von knapp unter vier Kilogramm sowie dem Drehmoment von 42 Newtonmetern unterstreicht er seine sportliche Note. Lasst euch dem vielleicht etwas niedrig wirkenden Drehmoment nicht täuschen. Da der Motor im in der Hinterradnabe integriert ist, wirken die Kräfte hier direkt auf die Antriebsachse. Es braucht also weniger hohe Zahlen, um mit dem Leistungsvermögen eines Mittelmotors mitzuhalten.
Bezogen auf die Kapazität lässt sich fast das Gleiche sagen. Auf den ersten Blick klingen die 250 Wattstunden nicht besonders viel. Bei einem Gewichtsvorteil von fünf Kilogramm und mehr gegenüber E-Bikes mit leistungsstärkeren Aggregaten von Yamaha, Brose oder Bosch muss FSA jedoch nicht unbedingt gleichziehen, um mit einer Akkuladung den 100 Kilometern sehr nahe zu kommen. Zumal ihr mit dem Range Extender euch zusätzliche 250 Wattstunden sichern könnt. Derart ausgestattet stellt Noko Reichweiten bis zu 200 Kilometer in Aussicht. Dafür braucht es dann aber fast schon Laborbedingungen.
Fahren wie ein Pro
So, tauchen wir mit Eckpfeiler Nummer drei ein in die Welt des Rennsports, wahlweise mit und ohne „Rad-“ davor. Zuerst treffen wir abermals auf FSA. Nur steht diesmal „Vision“ drauf. Beide Marken gehören zum Konzern Tien Hsin Industries. Gemeint sind die Laufräder. Zur Auswahl stehen zwei Sets von Vision, eines aus Aluminium und eines aus Carbon. Wer gern Letzteres hätte, wird erleben, wie der Kaufpreis auf einen Schlag um 1.000 Euro ansteigt. Aber dazu später mehr.
Gängige Teile wie Sattelstütze, Lenker, Vorbau und andere tragen den Schriftzug von FSA. Noko betont gern, dass sich das Unternehmen ganz bewusst für eine enge Partnerschaft mit dem Hersteller aus Taiwan entschieden habe. Man wolle Rennsportfeeling in den Alltag bringen. Solche Formulierungen stammen gern aus den Marketingabteilungen. Darin solltet ihr nicht zu viel hineininterpretieren. Auch im Sortiment von FSA finden sich Komponenten, die so alltäglich sind wie die der Mitbewerber.
Zulieferer aus der Automobilbranche
Mit Raicam hat Noko einen weiteren namhaften Partner gewonnen, der das Flair vom Geschwindigkeitsrausch versprühen soll. Vielleicht habt ihr von denen schon gehört. Für uns ist er als Hersteller von Fahrradbremsen bisher ein unbeschriebenes Blatt. Gesichert lässt sich zumindest sagen, dass Raicam hydraulischen Scheibenbremsen für die Bikes von Noko bereitstellt. Mit zwei Bremskolben und 160 Millimeter großen Bremsscheiben erscheinen sie vom Papier her auf alle Fälle den jeweiligen Zweck geeignet.
Ein wenig exotisch wird es, wenn man sich auf dem Datenblatt zum Carbonriemen vorarbeitet. Ausnahmsweise stammt dieser nämlich mal nicht von Gates. Produzent des Carbon Split Belt ist das kalifornische Unternehmen Veer. Besonderheit dieses Riemens ist, dass er sich beim Anbau öffnen lässt und später mit 20 Nieten geschlossen wird. Deshalb findet ihr an den Rahmen von Noko auch kein Rahmenschloss oder Ähnliches, dass zur Montage des Riemens geöffnet werden muss.
Sollte jemand von euch bei einem eigenen Fahrradprojekt von einer Kette auf einen Riemen wechseln wollen, ist das Umrüstkit von Veer eine Option. Schließlich müsst ihr damit für den Umbau den Fahrradrahmen nicht in zwei Teile zerlegen.
(Fast) Ganz nach eigenem Geschmack
Unstrittiger Vorteil von Noko ist seine Custom-Made-Philosophie. Es gibt keine vorgefertigten Modelle. Stattdessen könnt ihr online im Konfigurator die Ausstattung für euer Bike selbst festlegen. Beim Abschnitt zu den Laufrädern hatten wir das bereits angedeutet. Abgesehen davon ist nach der Auswahl zwischen drei Rahmenfarben und der Rahmengröße auch schon wieder Schluss. Auf Wunsch könnt ihr dem Bike Schutzbleche, einen Gepäckträger und einen Seitenständer hinzufügen. Das allerdings gegen einen Aufpreis.
Los geht die Reise bei 3.990 Euro für das Nokoforza und das Nokotempo. Der Gravel-Ableger Nokovulcano startet bei 4.350 Euro. Vorbestellen könnt ihr die Bikes ab sofort auf der Internetseite des Herstellers. Ausgeliefert werden die ersten wohl ab Februar 2022.
Bilder: Trafime SPA