Konkurrenz belebt das Geschäft. Den Spruch hat sich anscheinend Haibike zu Herzen genommen. Der Hersteller verschärft den Wettbewerb zu seinen vorhandenen Trail- und Enduro-E-Mountainbikes – und zwar mit einem eigenen, neuen vollgefederten E-MTB. Die Nutznießer davon könntet am Ende ihr sein.
Vor rund zwei Jahren brachte Haibike mit dem Hybe 11 und dem Hybe 9 eine kleine Modellreihe auf den Markt, welche die Lücke zwischen dem Haibike Nduro und dem Haibike Allmtn schloss. Nun kommt zu dieser Reihe ein drittes Modell hinzu – das Haibike Hybe 10.5. Vom Konzept her weisen die Hybes eine große Nähe zu den Enduro-Bikes des Herstellers auf. Durch leicht reduzierte Federwege und eine etwas anders geartete Geometrie wird jedoch deutlich, dass sich hier der Fokus etwas mehr auf den Wettkampfsport verlagert, bei dem jede Sekunde zählt. Und dies gilt insbesondere für das Erklimmen von Anstiegen.
Anpassungen im Millimeter-Bereich
Auf den ersten Blick wirkt das Hybe 10.5 wie eine erwartbare Erweiterung des Sortiments. Mit den 170 Millimeter Federweg an der Front und 160 Millimeter am Heck entspricht sein Fahrwerk den Dimensionen von Hybe 11 und Hybe 9. Gleiches gilt für den Griff zum Mullet-Setup mit dem 29 Zoll großen vorderen Laufrad und dem 27,5 Zoll großen hinteren Laufrad.
Erste Unterschiede offenbart eine detailliertere Analyse der Rahmengeometrie. Haibike verändert am Neuling ein wenig die Charakteristik des E-Bikes. So fällt der Reach, der Abstand von der Mitte des Tretlagers bis zur Mitte des Steuerrohrs, je nach Rahmengröße rund zehn Millimeter größer aus. Die Kettenstreben wachsen konstant um fünf Millimeter an. Daraus resultiert am Ende ein um rund zwei bis drei Zentimeter längerer Radstand. Gleichzeitig bleibt der Sitzrohrwinkel unverändert bei 75 Grad. Statt der bisher konstanten 76,3 Grad beträgt der Steuerrohrwinkel nun 76 Grad beziehungsweise 77 Grad in der Größe XL. In der Summe handelt es sich um moderate Eingriffe in die Geometrie. Im Vergleich zum Hybe 11 und Hybe 9 sollte das Hybe 10.5 etwas ruhiger geradeauslaufen und sich entspannter vor allem bei hohen Geschwindigkeiten anfühlen. Im Gegenzug geht das ein wenig auf Kosten seiner Spritzigkeit.
Wenn ihr während des Prüfens des Rahmens mal gegen den selbigen klopft, werdet ihr den nächsten Unterschied hören. Das am Hybe 10.5 verwendete Aluminium klingt anders als das Carbon der anderen beiden Modelle. Wobei man der Fairness halber sagen muss, dass bei denen zumindest die Streben des Hinterbaus ja auch aus dem Werkstoff gefertigt sind.
Konsequent im Rennmodus
Eine solche Hörprobe braucht es nicht, um den zentralsten Punkt zu erkennen, in dem das Hybe 10.5 eigene Wege geht. Dafür genügt allein das Lesen der Aufschrift am Motorgehäuse. Auf dem steht nämlich groß Yamaha darauf statt erneut Bosch. Haibikes Neuvorstellung basiert auf dem Yamaha PW-XM. Seinen leichtesten Mittelmotor hatte Yamaha 2023 auf der Eurobike in Frankfurt am Main präsentiert. Dabei handelt es sich im Prinzip um einen direkten Gegenspieler des Performance Line CX Race von Bosch. Interessanterweise steckt genau dieser im Hybe 11. Damit vereint Haibike zwei der sportlichsten Motoren dieser Gattung in einer einzigen Modellreihe.
Analog zum Aggregat von Bosch generiert der Yamaha PW-XM ein Drehmoment von 85 Newtonmeter. Sein Gehäuse, in das zusätzliche Kühlrippen eingearbeitet sind, besteht wie das des Mitbewerbers aus Magnesium. Trotzdem hat Yamaha irgendwo noch ein paar Gramm gefunden, sodass der PW-XM mit 2,6 Kilogramm sogar 300 weniger wiegt als der Bosch Performance Line CX Race. Vielleicht bei den Lagern oder Dichtungen. Wer weiß.
In jedem Falle unterstreicht die Wahl den Ansatz von Haibike, euch ein ganz besonderes Fahrrad für die wilde Hatz über die Trails anzubieten. Der Hersteller komplettiert das E-Bike-System mit einem Intube-Akku, der über eine Kapazität von 720 Wattstunden verfügt. Das bedeute quasi den Gleichschritt mit Bosch. Bedienen könnt ihr den Antrieb über das seit langem bekannte Display Yamaha Interface-X samt der dazugehörigen minimalistischen Remote. Das Display sitzt links seitlich neben dem Vorbau. Diese Position soll dafür sorgen, dass es bei einem Sturz besser geschützt bleibt. Dagegen ist die Remote links neben dem Lenkergriff montiert und so für euch einfach erreichbar.
Wird das Hybe 10.5 euer Favorit?
Unter dem Strich ergibt das ein Gesamtpaket, das dem mit dem Bosch-Antrieb stark ähnelt. Daher könnt ihr frei nach euren Präferenzen entscheiden. Falls ihr welche habt. Womöglich lasst ihr euch aber auch von einem anderen Detail beeinflussen. Denn mit der Transmission-Kettenschaltung besitzt das Hybe 10.5 noch ein markantes Alleinstellungsmerkmal gegenüber den beiden anderen der Modellreihe. Zwar kommt ihr auch beim Hybe 11 in den Genuss eines elektronischen Schaltwerkes. Allerdings ist das noch eines mit einem Schaltauge, während das Sram GX Eagle AXS am Hybe 10.5 direkt auf der Hinterradachse sitzt. Wer in Bezug auf diese Komponente lieber klassisch unterwegs ist, findet am Hybe 9 immerhin noch ein mechanisches Schaltwerk mit Zügen verbaut.
Denkbar wäre natürlich auch das Vernachlässigen dieser ganzen technischen Details und lieber der Optik die Entscheidung zu überlassen. Wie bereits vom Hybe 11 und vom Hybe 9 erscheint auch vom Hybe 10.5 nur eine einzige Farbvariante. Black Chocolate heißt der Farbton des Hauptrahmens. Schriftzug, Dämpfer und ein Teil des Hinterbaus erstrahlen in einem recht grellen Ton namens Canary. Der übrige Hinterbau ist in Slab Grey gehalten. Ob dies eueren Geschmack trifft, wissen wir nicht. Ein farblicher Kontrast zu den beiden schon vorhandenen Modelle stellt das allemal dar. Womit sich der Kreis wieder schließt und wir mit dem belebenden Faktor neuer Konkurrenz enden.
Haibike Hybe 10.5 im Überblick
- Rahmen: Aluminium
- Größe: S, M, L, XL
- Federgabel: RockShox ZEB Ultimate Dual Position, 170 mm
- Dämpfer: RockShox Super Deluxe Ultimate, 160 mm
- Motor: Yamaha PW-XM, 85 Nm
- Akku: InTube 720 Wh
- Display: Yamaha Interface-X
- Antrieb: Sram GX Eagle T-Type AXS
- Bremsen: Magura MT7
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 120 kg
- Farbe: Black Chocolate, Canary, Slab Grey
- Preis: 7.999 Euro
Bilder: Winora-Staiger GmbH