E-Bikes mit einem tiefen Einstieg gehören inzwischen zum Standardrepertoire beinahe jedes größeren Fahrradherstellers. An vollgefederte Varianten dieses E-Bike-Typs haben sich dagegen bislang nur wenige gewagt. Im vergangenen Sommer lenkte Moustache mit dem J größere Aufmerksamkeit auf sich. Vor wenigen Wochen zeigte KTM mit dem Macina Aera FS und dem Macina Style FS gleich zwei solcher Modelle. Zur Saison 2025 reiht sich nun Haibike in diese Phalanx ein. Unter dem neuen Haibike Adventr finden sich drei Tiefeinsteiger mit eben jenem Merkmal. In welche Kategorie sich das Trio einordnen lässt, darüber ist sich Haibike anscheinend noch irgendwie uneins.
Alles und nichts
Auf ihren Webseiten loben Hersteller ihre Bikes stets überschwänglich. Das ist ok, gehört zum Geschäft und zieht sich durch die gesamte Fahrradbranche. Geschenkt. Daneben versuchen sie nämlich trotzdem den Interessierten eine Vorstellung davon zu geben, in welchem Umfeld, zu welchem Anlass man das jeweilige E-Bike am besten nutzen kann. Das geht am schnellsten, in dem man es einer bestimmten Gattung zuordnet. Beispielsweise den E-Mountainbikes, den City-E-Bikes oder den E-Lastenfahrrädern. Damit ist nicht gesagt, dass sich darin der Einsatzzweck bereits erschöpft hat. Aber sobald wir dies lesen, wissen wir, was der Hersteller im Sinne hatte, und können diese Information unserer eigenen Suchintention gegenüberstellen.
Über sein neues Adventr für die Saison 2025 findet Haibike verständlicherweise nur lobende Worte. Bezogen auf dessen möglichen Einsatzzweck will er sich möglichst viele Türen offenhalten. Wir lesen etwas von einer Brücke „zwischen einem zuverlässigen Trekking eBike und einem komfortablen Fully eMTB“. An anderer Stelle ist von einem „eSUV“ die Rede. Und zwei Sätze später von einem „sportlichen, vollausgestatteten eMTB-Fully, das optimal für die Straße als auch für die Natur geeignet“ sei. Mit „eSUV“, „eMTB-Fully“ und „Trekking eBike“ stehen also immerhin drei Vorschläge im Raum. Außerdem eigne es sich optimal für die Straße als auch für die Natur. Gefühlt widerspricht der Nachsatz dem, was wir uns selbst unter den zuvor genannten drei E-Bike-Typen vorstellen. Also lassen wir sich Haibike noch ein wenig sortieren, schieben die Kategorien beiseite und versuchen auf andere Weise zu klären, was ihr mit dem Haibike Adventr Low FS am besten anstellt.
Mitbewerber als Orientierungshilfe
Dabei helfen uns die eingangs erwähnten Moustache J, KTM Macina Aera FS und KTM Macina Style FS. Wozu deren Hersteller ihre Modelle zählen, übergehen wir gekonnt. Lasst uns stattdessen auf ein paar belastbare Fakten schauen. Denn wenn etwas mit Sicherheit feststeht, dann, dass es sich beim Adventr Low FS um einen vollgefederten Tiefeinsteiger handelt. Und als solcher hat er etliches gemeinsam mit den anderen. Fast alle dieser E-Bikes sind mit Schutzblechen, einer fest installierten Beleuchtung, einem Gepäckträger und einem Seitenständer ausgestattet. Alltagstauglichkeit, das Fahren in einem urbanen Umfeld als auch die grundsätzliche Eignung als Tourenrad scheinen in ihren Konzepten demnach eine wichtige Rolle zu spielen.
Unter diesem Gesichtspunkt fügt sich das Haibike Adventr nahtlos in die Reihe ein. Lichtanlage, Schutzbleche und Seitenständer gehören hier zur Serienausstattung stets dazu. Den verbauten hinteren Gepäckträger könnt ihr mit einem Gewicht von maximal 15 Kilogramm beladen. Das genügt nicht, um mithilfe eines Kindersitzes auch ein Kind darauf zu befördern. Dafür signalisieren die Seitenstreben, dass das Anbringen von Gepäcktaschen sehr wohl vorgesehen ist.
Haibike Adventr 2025 mit neuestem Bosch-System
Wie Moustache und KTM setzt auch Haibike bei seinem vollgefederten Tiefeinsteiger auf ein E-Bike-System von Bosch. Während Moustache zum Bosch Performance Line greift, haben sich KTM und Haibike für den durchzugsstärksten Motor Bosch Performance Line CX entschieden, dessen Drehmoment mit 85 Newtonmetern um zehn Newtonmeter höher ausfällt. Haibike kombiniert das Topmodell von Bosch mit den Akkus PowerTube 800 und dem PowerTube 600. Zum Laden könnt ihr den Akku aus dem Unterrohr entnehmen. Bei Bedarf kann die Kapazität mit einem zusätzlichen Bosch PowerMore 250 um 250 weitere Wattstunden erhöht werden.
Je nach Ausstattung findet ihr an dem Haibike Adventr Low FS entweder eine LED Remote zusammen mit einem Display Kiox 300, mit denen ihr den Antrieb aktivieren, die Fahrmodi wählen und die Navigation nutzen könnt. Am günstigsten Modell läuft alles über ein Purion 200. Dadurch wirkt das Cockpit etwas aufgeräumter. Gleichzeitig entfallen einige Funktionen wie zum Beispiel das Navigieren.
Welches Potenzial steckt im Haibike Adventr Low FS?
Getrennte Wege beschreiten die Hersteller bei der Konstruktion der Rahmen und dem Integrieren der Federung für den Hinterbau. Sowohl KTM als auch Moustache bedienen sich der erwartbaren Rahmenform mit einem ganz niedrigen Durchstieg. Haibike hingegen zwackt im unteren Teil des Hauptrahmens etwas Platz ab. Der Hersteller lässt die Sitzstreben in ein Rahmenrohr fortführen und am Unterrohr enden. Die Hinterbau des Adventr Low FS ist ein klassischer Eingelenker. Sein Drehpunkt befindet sich von der Antriebsseite aus gesehen links oberhalb des Tretlagers. Den Dämpfer erkennt ihr unterhalb des querverlaufenden Rohres, das zum Unterrohr führt. Er nimmt die Bewegung des Hinterbaus über eine vom Sitzrohr kommende Halterung auf. Die Querverbindung stützt den Hinterbau dabei ab und sorgt für die nötige Stabilität. Zugegeben, das wirkt recht massiv. Mit ziemlicher Sicherheit wird es jedoch genau den gewünschten Zweck erfüllen, nämlich selbst heftige Erschütterungen zuverlässig abfedern.
Nicht umsonst hat Haibike den Aluminiumrahmen so gestaltet, dass der Dämpfer euch einen Federweg von 130 Millimetern bietet. Bei der Federgabel sind es sogar noch einmal zehn Millimeter mehr. Angesichts solcher Dimensionen erscheint die Parallele zu einem E-Mountainbike aus dem Segment der Trail-Bikes durchaus erlaubt. Die umfangreiche sonstige Ausstattung des Adventr 2025 setzt dem Gedanken an der Stelle ein sofortiges Ende. Leugnen lässt sich das Potenzial, das in diesem E-Bike schlummert, dennoch nicht. Und an seinem Alltrail 10.5 ABS lässt der Hersteller sich dieses Potenzial auch voll entfalten. Dort als vollwertiges E-MTB ganz ohne sämtlichen praktischen Anbauteile.
Übrigens, diesem Impuls konnte auch Moustache bei seinem J nicht widerstehen. Das Ergebnis fällt jedoch etwas weniger wild aus. Schließlich reicht der Federweg mit 115 Millimetern hinten und 130 Millimetern vorn nicht ganz an das Haibike Adventr 2025 heran. KTM unternimmt bei seinen Modellen erst gar nicht den Versuch. Dort ist das Federsystem in dieser Hinsicht noch deutlicher limitiert.
Um auf das Dilemma der Einordnung vom Beginn des Beitrages zurückzukommen, können und wollen wir dem Neuling von Haibike die Verwandtschaft zum E-Mountainbike folglich gar nicht absprechen. Genauso offensichtlich vereint es in sich jedoch Merkmale anderer E-Bike-Gattungen. Vielleicht können wir uns ja darauf einigen, dass dieses E-Bikes erstens, das E-Bike ist, das ihr aus ihm macht. Und das, zweitens, für diese Auswahl einen ausgesprochen großen Spielraum bietet.
Drei Ausstattungen und eine weitere Rahmenform
Entscheiden müsst ihr allerdings noch, auf welchem technischen und damit auch preislichen Niveau dies stattfinden soll. Wählen könnt ihr zwischen dem Haibike Adventr 11 ABS, dem Haibike Adventr 10 sowie dem Haibike Adventr 8.5. Deren Preise beginnen bei 6.499 Euro für das Topmodell und steigen dann über 5.699 Euro auf 5.199 Euro für die günstigste Variante hinab. Zur größten Summe tragen in erster Linie das E-Bike ABS von Bosch, die größte Akkukapazität sowie die hochwertigsten Versionen von Federgabel, Schaltung und Bremsen bei. Beim Einstiegsmodell sinkt dagegen beispielweise die Kapazität von 800 Wattstunden auf 600 Wattstunden und die Anzahl der Gänge der Kettenschaltung von zwölf auf zehn.
Erwähnt sei außerdem, dass es vom Haibike Adventr 2025 neben den Tiefeinsteigern zusätzlich die entsprechenden Pendants mit Diamantrahmen gibt. An denen müsst ihr euer Bein dann beim Auf- und Absteigen wieder über das Oberrohr schwingen. Dies könnt ihr jedoch bei den Rahmengrößen nur S, M, L und XL tun. Vom Tiefeinsteiger Adventr Low FS stellt Haibike nur die Rahmengrößen S, M und L bereit.
Haibike Adventr 2025 im Überblick
- Varianten: Haibike Adventr 11 ABS, Haibike Adventr 10, Haibike Adventr 8.5
- Rahmen: Aluminium
- Rahmenformen: MTB Fully, Low FS
- Federgabel: SR Suntour Mobie 36, SR Suntour Zeron 36X
- Motor: Bosch Performance Line CX
- Akku: Bosch PowerTube 800, Bosch PowerTube 600
- Display: Bosch Kiox 300
- Bedieneinheit: Bosch LED Remote, Bosch Purion 200
- Antrieb: Shimano Deore XT, Sram SX Eagle, Shimano Cues U6000
- Bremsen: Magura MT-C ABS, Shimano MT420, Tektro HD-M750
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 150 kg
- Farben: Anthracite/Acacia, Met.Sand/Black – Gloss, Copper/Mystery – Gloss
Haibike Adventr 11 Low FS
Haibike Adventr 8.5 Low FS
Haibike Adventr 10 Low FS