Unter der Kategorie “Light E-MTB“ tummeln sich inzwischen etliche E-Mountainbikes, die ein relativ geringes Gewicht mit einem etwas reduzierten Drehmoment kombinieren. Sie tendieren in eine Richtung, die vor einigen Jahren auch als „Minimal Assist Bike“ bezeichnet wurde. Giant tauchte bisher in keiner der beiden genannten Rubriken auf. Nun meldet sich der Hersteller mit einer ganz eigenen Interpretation dieser Art von E-Bikes zu Wort.
In der Ruhe liegt die Kraft
Ihr kennt das sicher aus eurem Alltag, etwa aus der Mode, der Elektronik oder dem Kochen – immer wieder tauchen neue Trends auf. Und bevor man auf einen aufspringt, lohnt es sich manchmal, die ganze Entwicklung erst einmal in Ruhe zu beobachten. Genau dies hat Giant getan. Während andere Marken sich um den Titel des ultimativen Trendsetters balgten, hat das Unternehmen nach eigener Aussage die Konkurrenz ausgiebig analysiert und bewertet. Mit dem Schluss, dass bei den Mitbewerbern meistens weniger Kilogramm mit weniger Drehmoment einhergehen. Wer diese Abhängigkeit aufbrechen kann, hebt sich von der Masse ab. Vor allem aber entsteht plötzlich gegenüber der Zielgruppe ein überzeugendes Verkaufsargument.
In dem Licht erscheint der Ansatz von Giant bei seinem neuen Trance X Advanced E+ Elite so simpel wie einleuchtend. Versuche gewichtstechnisch mit der Konkurrenz auf Augenhöhe zu bleiben und überhole sie mit einer besseren Motorleistung. Im Moment ist dies Giant gelungen. Mit ungefähr 19 Kilogramm als Gesamtgewicht darf sich die Erweiterung der Trance X Advanced-Familie zu Recht ein leichtes E-MTB nennen. Dazu generiert der verbaute SyncDrive Pro2-Motor allerdings ein Drehmoment von maximal 85 Newtonmetern. Das entspricht einem Vorteil von 25 Newtonmeter oder mehr gegenüber vergleichbaren Antrieben wie dem Fazua Ride 60 am Haibike Lyke, dem TQ HPR50 am Trek Fuel EXe, dem Shimano EP8 RS am Orbea Rise oder dem von Mahle gefertigten Specialized SL 1.1 am Specialized Turbo Levo SL.
Maximale Power – und ein Kniff
Was also löst Giant anders als große Teile des Wettbewerbs? Nun, nicht viel. Sie nehmen lieber ein paar Gramm in Kauf und bleiben dafür ihrem Top-Motor treu. Der SyncDrive Pro2 zieht sich konstant durch alle drei Modelle des Trance X Advanced E+ Elite hindurch. Um einen kleinen Trick kommt jedoch selbst Giant dabei nicht herum. Um den Energieverbrauch des E-Bikes etwas zu deckeln, limitiert der Hersteller die Motorleistung vom Werk aus. Je nach Unterstützungsstufe beträgt das Drehmoment zwischen 20 Newtonmeter und 70 Newtonmeter. Wer das Maximum von 85 Newtonmetern ausschöpfen möchte, muss dies im Nachhinein explizit in der RideControl App einstellen. Danach dürfte die Reichweite jedoch im Vergleich zum vorherigen Zustand sinken.
Im Zuge der Gewichtsoptimierung wurde zudem entschieden, den Akku fest im Unterrohr zu verbauen. Das Laden funktioniert demnach ausschließlich über die Ladebuchse nahe des Tretlagers. Im Alltag mag dies nicht den Geschmack aller treffen. Allerdings handelt es sich im eine der effektivsten Maßnahmen, wenn man ein E-Bike so leicht wie möglich gestalten möchte. Der integrierte EnergyPak Smart 400 verfügt über rund 360 Wattstunden an Kapazität. Aufgrund seiner geringen Abmessungen fällt der Rahmen deutlich schlanker aus, als der am Trance X Advanced E+. Mithilfe des optional erhältlichen EnergyPak Plus 200 erhöht ihr die Kapazität um 200 Wattstunden. Damit könntet ihr die 100 Kilometer-Marke mit einer einzigen Akkuladung auch auf Touren mit ordentlich Höhenmetern knacken.
Der dritte wesentliche Faktor bei der Reduzierung des Gewichtes ist der weitreichende Einsatz von Carbon. Sowohl der Hauptrahmen als auch der Hinterbau bestehen aus dem extrem leichten und gleichzeitig enorm stabilen Material. Beim Trance X Advanced E+ Elite 0 und beim Trance X Advanced E+ Elite 1 kommen eine Lenker-Vorbau-Einheit aus Carbon sowie ein Carbon-Laufradsatz hinzu. Unter dem Strich steht ein Gesamtgewicht von knapp unter 19 Kilogramm für das Topmodell zu Buche. Der Wert liegt vier Kilogramm unter dem des aktuellen Trance X Advanced E+ 1.
Willkommen in der Familie
Bei der Bezeichnung hat Giant absichtlich auf die Einführung eines neuen Namens verzichtet. Das Trance X Advanced E+ Elite reiht sich in die Phalanx der Trance X Advanced E+-Modelle ein. Dennoch sind gewisse Unterschiede unverkennbar. Am auffälligsten dürfte der Griff zu verschieden großen Laufrädern sein. Der Hersteller setzt auf die bewährte Kombination aus 29 Zoll vorn und 27,5 Zoll hinten. In der Folge verkürzt sich bei den Elite-Modellen die Kettenstrebe um durchschnittlich rund 25 Millimeter. Gleichzeitig sinkt das Tretlager um 20 Millimeter ab. Alle Anpassungen zielen auf eine noch sportlichere Fahrcharakteristik ab, die Menschen mit ausgeprägtem fahrerischem Können entgegenkommen sollte. Eben agil, lebendig und mit einem tiefen Schwerpunkt, der ausreichend Balance für Momente bietet, in denen beide Räder den Kontakt zum Boden verloren haben.
Ansonsten trefft ihr bei dem E-Bike auf Features, die tief in der Giant-DNA verankert sind. Dazu gehört beispielsweise der Maestro-Hinterbau mit dem Flip-Chip-System zur Änderung der Rahmengeometrie. Je nach Einstellungen optimiert ihr den Rahmen eher für das Fahren in langsamerem, engerem und technisch anspruchsvollerem Terrain oder für schnelles, offenes Terrain, in dem euch eine niedrige Position mehr Vertrauen bei höheren Geschwindigkeiten schenkt.
In jedem Gelände können die elektronisch über das Fox Live Valve gesteuerten Gabel und Dämpfer von Vorteil sein. Dank seiner Beschleunigungs- und Neigungssensoren regelt das Federungssystem die Druckstufen für Gabel und Dämpfer unabhängig voneinander innerhalb von Millisekunden. So holt ihr aus den 150 Millimetern an Federweg bei der Gabel sowie den 140 Millimetern beim Dämpfer in der Regel das Optimum heraus. Zusammen mit der elektronischen Schaltung von Sram ist also reichlich digitale Unterstützung an Bord. Lediglich am Einstiegsmodell, dem Trance X Advanced E+ Elite 2, müsst ihr ohne dem auskommen.
Bereit für Eagle Transmission
Interessanter Fakt noch zum Schluss. Alle Rahmen des Trance X Advanced E+ Elite verfügen über ein UDH-Schaltauge von Sram. Unseres Wissens nach sind es die ersten E-Bikes von Giant, auf die das zutrifft. Das heißt, es sind die ersten Kandidaten für ein Upgrade mit der nagelneuen Eagle Transmission. Vielleicht macht ihr es allerdings auch Giant nach, beobachtet diesen Trend erst einmal und schaut, was genau daraus wird. Womöglich gilt es vorher das Portmonee aufzufüllen. Denn mit Preisen zwischen 6.799 Euro und 12.999 Euro zählt die Neuheit von Giant auf alle Fälle zur Elite.
Giant Trance X Advanced E+ Elite für die Saison 2023 im Überblick
- Varianten: Trance X Advanced E+ Elite 0, Trance X Advanced E+ Elite 1, Trance X Advanced E+ Elite 2
- Motor: SyncDrive Pro2
- Akku: EnergyPak Smart 400
- Bedieneinheit: RideControl Ergo 3
- Display: RideControl Go
- Federgabel: Fox 36 Factory Live Valve, Fox 36 Performance Elite Live Valve, Fox 36 Performance
- Antrieb: Sram XO1 Eagle AXS, Sram GX Eagle AXS, Shimano SLX M7100 Shadow+
- Bremsen: Sram Code RSC, Sram Code R, Shimano SLX BR-M7120
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 156 kg
Giant Trance X Advanced E+ Elite 0
Giant Trance X Advanced E+ Elite 2
Bilder: Giant Deutschland GmbH