Zweifellos ist ein E-Lastenrad eine feine Sache. Ganz ohne Nachteile kommt es dennoch nicht aus. Meist fällt es größer und schwerer als ein herkömmliches E-Bike aus und bietet ein entsprechend anderes Fahrerlebnis. Gerade wer nicht täglich eines braucht und nicht mehrere Fahrräder fahren möchte, denkt sicher gründlich über eine solche Anschaffung nach. Erst recht angesichts der relativ hohen Preise für manche Modelle. Da scheint es sehr verlockend, das vorhandene E-Bike als Lastenrad nutzen zu können. Vor allem, wenn es dafür nur ein einziges Zubehör als bauliche Veränderung bräuchte.
Der Zwiespalt zwischen dem Nutzen eines Lastenfahrrades und dessen Nachteilen ist hinlänglich bekannt. Denkt nur einmal daran, wie knifflig sich das diebstahlsichere Abstellen im eine Treppe tiefer gelegenen Fahrradkeller gestalten kann. Nicht umsonst gibt es einige Lösungen auf dem Markt, die genau an diesen Punkten ansetzen. So könnt ihr das Convercycle entweder als E-Cargobike oder als City-E-Bike fahren. Oder ihr entscheidet euch für Modelle von Omnium oder das Surly Skid Loader, die ein „normales“ Fahrrad sein wollen, das zahlreiche Optionen für den Gepäcktransport bietet. Alternativ ließe sich auch eure Gabel gegen eine Joker Mini tauschen, mit der sich Lasten von maximal 45 Kilogramm bewegen lassen.
Vom Kindertaxi zum Lastentier
Johann Schmidt schwebte anderes vor. Der Produktdesigner suchte nach einer noch minimalistischeren Lösung. Offenbar erinnerte er sich dabei an seinen Erfahrungen mit Kinderanhängern. Die passen an so ziemlich jedes Fahrrad, lassen sich in Sekundenschnelle an- und abkoppeln und verwandeln so ein Fahrrad in ein Taxi für den Nachwuchs und wieder zurück. Und was bei Kindern funktioniert, müsste doch auf andere Anwendungen übertragbar sein. Gesagt, getan. Zwei Jahre nach dem Erstellen erster Entwürfe steht mit dem Veolo nun ein enorm hochwertiger Lastenanhänger auf seinen zwei Rädern. Würde an dem das Thule-Logo prangen, sorgte das vermutlich kaum für Verwunderung.
So aber steht Veolo drauf und steckt Veolo drin. Konkret bedeutet dies: Ein auf Leichtgewicht getrimmter Fahrradanhänger, dessen Rahmen und Ladefläche aus Aluminium gefertigt sind. Thule-kompatible Achskupplung. Beide Räder einzeln an einer Schwinge aufgehangen und durch ein Elastomer zusätzlich gefedert. Tiefer Schwerpunkt für größtmögliche Fahrsicherheit bei hohen Geschwindigkeiten in Kurven sowie unebenem Untergrund. Dazu ein sachliches und gleichzeitig dynamisch wirkendes Erscheinungsbild, das für den Sächsischen Staatspreis für Design 2023 nominiert ist. Ach so, und eine Zuladung von maximal 80 Kilogramm. Bei einem Anhänger ja keine ganz unwichtige Eigenschaft 😉.
Sportlich und belastbar zugleich
Unter dem Strich verleiht das dem Veolo ein ausgesprochen vielseitiges Profil. Mit seinem potenten Fahrwerk und dem Leergewicht von gerade einmal 8.5 Kilogramm scheint der Fahrradanhänger bestens dafür geeignet, auf längeren Touren den Großteil eures Gepäcks aufzunehmen. Gelegentliche Offroad-Passagen dürfte er problemlos wegstecken. Selbst Singletrails scheinen nicht völlig ausgeschlossen. Immerhin ist seine Spurbreite von 76,5 Zentimetern nicht mehr ist als die Lenkerbreite etlicher Mountainbikes.
Neben dieser Sportlichkeit bringt der Veolo die Qualitäten eines echten Lastentiers mit. Auf der 48 Zentimeter breiten und 78 Zentimeter langen Ladefläche könnt ihr ein Gewicht von bis zu 80 Kilogramm draufpacken. Angesichts der niedrigen Kante der Fläche ist das gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Praktischerweise hält der Hersteller für den Fall zusätzliche Haltebügel parat. Diese bestehen ebenfalls aus Aluminium und messen gut 50 Zentimeter in der Höhe sowie der Breite. Sie lassen sich wahlweise an den Längsseiten des Anhängers als auch an dessen schmalen Vorder- und Rückseite montieren. Auf diese Weise entsteht eine Begrenzung, die größere Gegenstände abstützen kann.
Zum Zubehör gehört weiterhin eine riesige wetterfeste Tasche mit einem Rolltop-Verschluss. In die passen 230 Liter hinein. Unter Umständen kann die Kombination aus Haltebügeln und der Tasche die passsende Lösung für den Transport von Einkäufen und anderen Gegenständen im Alltag ergeben. Feedbacks erster Tests haben den Hersteller über das Konzept mit der großen Tasche dennoch einmal nachdenken lassen. Denn ein derartig großes Volumen geht ganz schnell mit einer großen Masse einher. Und die werfen sich eher wenige Menschen trotz des Tragegurts freiwillig über die Schulter. Daher tüfteln Johann Schmidt und sein kleines Team dem Vernehmen nach emsig an einem kleinteiligeren Nutzungskonzept für den Stauraum.
Kleiner Stimmungsdämpfer
Im Zusammenhang mit den Überlegungen, wie ihr das Optimum aus dem Veolo herausholen könnt, sei jedoch noch auf einen wichtigen Umstand hingewiesen. Die 80 Kilogramm an Traglast klingen verlockend. In der Praxis werdet ihr das wohl nur ganz selten wirklich ausschöpfen. Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste geht auf eine Empfehlung des Bundesverkehrsministeriums aus dem Jahre 1999 zurück. In einem dem Paragrafen 67 der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) angehängten „Merkblatt für das Mitführen von Anhängern hinter Fahrrädern“ wird empfohlen, die Anhängelast bei einem ungebremsten Fahrradanhänger auf 40 Kilogramm zu beschränken. Das hieße, das Leistungsvermögen des Veolo würde um die Hälfte gekürzt.
Grund Nummer zwei ist die Tatsache, dass die allermeisten E-Bike-Hersteller das Gewicht eines ungebremsten Anhängers auf das maximal zulässige Gesamtgewicht des E-Bikes hinzurechnen. Schließlich müssen die Bremsen des E-Bikes beide Fahrzeuge jederzeit sicher zum Stehen bringen. Bei einem leichten urbanen E-Bike wie dem Ridetronic rechnet man folglich von dessen maximalen Systemgewicht von 120 Kilogramm vielleicht 80 Kilogramm für die Fahrenden ab, 16 Kilogramm für das Fahrrad selbst und endet bei lediglich 24 Kilogramm, die ihr noch ziehen dürftet. Bei dem eingangs des Beitrags erwähnten Surly Skid Loader ginge die Rechnung bei 181 Kilogramm los. Allerdings wiegt dieses E-Bike auch gut zehn Kilogramm mehr als ein Ridetronic.
In vielerlei Hinsicht genügsam
Alle Vorteile können diese Bestimmungen dem Fahrradanhänger natürlich nicht streitig machen. Gerade die Flexibilität der Lösung hat ihren Charme. Wie eine Trumpfkarte zieht man sie bei Bedarf im Alltag aus dem Ärmel und steckt sie anschließend wieder dorthin zurück. Sonderlich viel Platz müsst ihr dafür nicht reservieren. Im Handumdrehen habt ihr die Räder vom Veolo abgenommen und in der Ladefläche verstaut. Dank einer Wandhalterung verschwindet er gekonnt im Keller, Abstellraum oder dem Flur und wartet dort auf den nächsten Einsatz.
In die Praktikabilität hat der Hersteller augenscheinlich einige Gedanken gesteckt. Gleiches gilt für das Bestreben nach dem Hinterlassen eines möglichst kleinen ökologischen Fußabdruckes. Nach Aussage von Veolo stammen rund 80 Prozent der verwendeten Bauteile aus Deutschland. Montage, Lagerung, Qualitätskontrolle und Versand erfolgen am Firmensitz in Leipzig beziehungsweise starten von dort. Entsprechend kurz gestalten sich die Lieferketten. Überall, wo in der Konstruktion auf Kunststoff verzichtet werden kann, wird das auch getan. Aus dem sortenreinen Verarbeiten hochwertiger Materialien ergibt sich eine lange Haltbarkeit für den Anhänger, die Veolo auf mindestens 20 Jahre beziffert. Teile, von denen vorher schon bekannt ist, dass sie nicht so lange standhalten werden, sollen ersetzt werden können. Und hat der gesamte Veolo irgendwann doch sein Ende erreicht, lässt er sich fast komplett wiederverwerten.
Nähere Zukunft des Veolo noch ungewiss
Bevor es so weit ist, müsste man allerdings erst einmal einen besitzen. Was zugebenermaßen kein Schnäppchen wird. Für die stolze Summe von 790 Euro möchte Veolo den Fahrradanhänger im kommenden Frühjahr auf den Markt bringen. An der Stelle stocken vielleicht manche von euch und ringen um ihre Fassung. Bei näherem Betrachten verwundert der Preis allerdings kaum. Ein solches Gefährt wird zumindest zu Beginn in relativ kleinen Serien gefertigt werden. Es wird auf hochwertige Materialien zurückgegriffen und in Deutschland produziert. Vom technischen Niveau her bewegt sich der Veolo schon jetzt auf Augenhöhe mit dem, was Mitbewerber aktuell anbieten. Als Beispiel seien stellvertretend die Modelle von Reacha erwähnt.
Ob der Verkauf des Veolo 2024 tatsächlich starten wird, entscheidet sich in diesen Tagen. Über eine Kampagne auf Kickstarter versucht der Hersteller gerade das nötige Kapital einzusammeln, um mit einer Serienproduktion beginnen zu können. Bis zum 17. Dezember sollen 89.000 Euro zusammenkommen. Stand heute fehlen dazu noch etwa 10.000 Euro. Mit 19 verbleibenden Tagen scheint das Erreichen des Finanzierungsziel durchaus machbar. Falls ihr von dem Produkt überzeugt seid und mit einer Lieferung noch bis zum April 2024 warten könntet, wäre das vielleicht eine Sache für euch. Im Erfolgsfalle ließe sich so einiges sparen. In der Standardversion könnt ihr den Anhänger auf Kickstarter für 550 Euro vorbestellen.
Fahrradanhänger Veolo im Überblick
- Maximale Zuladung: 80 kg
- Leergewicht: 8.5 kg
- Innenmaße: 48 cm x 78 cm
- Spurbreite: 76,5 cm
- Gesamtlänge mit Standardkupplung: 135 cm
- Geplanter Preis: 790 Euro
Bilder: Veolo UG