Großgewachsene Menschen sehen sich im Alltag zahlreichen Herausforderungen gegenüber. Schließlich haben wir weite Teile unserer Welt angelehnt an Durchschnittsgrößen gestaltet. Das gilt unter anderem für den Bau eines E-Bikes. Entsprechend schwer fehlt es allen mit einer Körperlänge von zwei Metern und mehr, ein zu ihrer Größe passendes Modell zu finden. Ein kleines Unternehmen mit US-amerikanischem Hintergrund hat vor mehr als zehn Jahren diese Nische für sich entdeckt. Nun möchte es mit den größten E-Bikes auf dem Markt starten, die jemals in Serie gebaut wurden.
Alles beginnt mit einem Sturz
Wie viele Firmengründungen geht auch die von Dirtysixer auf eine persönliche Anekdote zurück. Gründer David Folch, selbst 198 Zentimeter groß, stürzte einst mit einem Fahrrad, das nur nachträglich auf sein Körpermaß angepasst wurde. Seiner Aussage nach lag das an dem Fahrrad, das mit seiner Körpergröße einfach überfordert war. Durch eingegipste Gliedmaßen zu einer Zwangspause verurteilt, beschäftigte sich Folch im Krankenbett mit der Idee, wie ein besseres Fahrrad für Großwüchsige aussehen könnte.
Das war 2011. Mittlerweile schreiben wir 2024. David Folch hat seinen Gedankenspielen längst Taten folgen lassen, Dirtysixer gegründet und sammelt über eine Crowdfunding-Kampagne gerade Geld. Mit den zusätzlichen Finanzen möchte er sein Sortiment um den eDirtySixer erweitern. In dem E-Bike steckt die Erfahrung aus rund einem Jahrzehnt des Bauens eines Spezialrades – zusammen mit einem E-Bike-System von Boschs Smart System. Für die Qualitäten dieses E-Bikes ist vor allem Ersteres ausschlaggebend. Zumal die riesigen Laufrädern auch sofort ins Auge stechen. Sie sind der entscheidende Clou am Dirtysixer.
Die Proportionen müssen stimmen
Wer größer gewachsen ist, verfügt über einen höheren Körperschwerpunkt als kleinere Menschen. Fahrräder mit maximal 29 Zoll großen Laufrädern können dies nur bedingt ausgleichen. Daraus resultieren Nachteile in Bezug auf Gleichgewicht und Stabilität während des Fahrens. Laufräder, deren Größe proportional zur Körpergröße der Fahrenden ansteigt, können dieses Ungleichgewicht auflösen. Sie vermitteln ein wesentlich sicheres Fahrgefühl. Folch greift deshalb seit Jahren auf Laufräder mit 32 Zoll und 36 Zoll zurück. Und da 36 bekannt „thirtysix“ auf Englisch, erklärt dies ganz nebenbei auch die Entstehung des Markenamens.
Sicherheit ist jedoch nur ein Vorteil der riesigen Räder. Für großgewachsene Menschen erfordert das Treten eines solchen Fahrrads weniger Kraftaufwand. Sie kommen effizienter voran und ermüden dabei langsamer. Und schon wird aus der Qual Fahrradfahren ein Vergnügen. Zumal am eDirtysixer der Rahmen mit dem Laufrädern Schritt hält und gleichfalls die sonst üblichen Dimensionen sprengt. Dadurch gelangen die Fahrenden in eine Sitzposition, deren Ergonomie zu ihren Maßen passt, sodass neuralgische Punkte wie Rücken, Nacken und Schultern nachhaltig entlastet werden.
Was bedeutet „groß“?
Um euch eine bessere Vorstellungen von den Sphären zu geben, in denen sich die insgesamt vier Rahmengrößen des eDirtysixer bewegen, haben wir einen Blick auf die Geometrie der Version des Fahrrades geworfen, die auf den Motor verzichtet. Aktuell findet sich auf der Webseite des Herstellers noch keine Geometrie des E-Bikes. Vermutlich wird es zwischen beiden Varianten allerdings keine gravierenden Unterschiede geben.
Optisch sticht schnell das übergroße, enorm voluminöse Oberrohr ins Auge. Dessen Abstand zum Sitzrohr, sprich die effektive Oberrohrlänge beträgt zwischen 606 Millimeter und 770 Millimeter. Das Sitzrohr selbst misst zwischen 540 Millimeter und 620 Millimeter. Damit die Laufräder vom Rahmen adäquat aufgenommen werden, braucht es 570 Millimeter lange Kettenstreben. Der sich daraus ergebende Radstand beträgt zwischen 1.286 Millimeter und 1.407 Millimeter. Bedenkt, der Radstand – nicht die Gesamtlänge! In der kleinsten Rahmengröße, einer einfachen XL, verbaut der Hersteller Kurbeln mit einer Länge von 175 Millimeter. Bei der größten Rahmengröße, einer vierfachen XL, sind es dann 200 Millimeter. Die an den Kurbeln montierten Pedalen messen 160 Millimeter x 110 Millimeter.
Materialmix für die Großen und die richtig Großen
Es hat schon seine Berechtigung, dass unter dem Logo von Dirtysixer der Slogan „Bigger is better“ auftaucht. Wobei Dirtysixer ganz gezielt Abstufungen macht. So basieren die Rahmengrößen XL und 2XL auf den 32 Zoll großen Laufrädern. Lediglich für die Größen 3XL und 4XL sind die 36er-Räder angedacht. Bezogen auf die Körperlänge bedeutet das: Mit dem eDirtysixer deckt der Hersteller eine Spanne von 1,78 Meter bis 2,27 Meter ab.
Am Rahmen selbst sind keine besonderen Details zu entdecken, die sich auf das Nutzen durch Großwüchsige zurückführen lassen. Die Konstruktion aus Aluminium arbeitet mit einem stark abfallenden Oberrohr. Von dem führt eine kleine Zusatzstrebe zum oberen Ende des Sitzrohrs, um diesen Bereich des Rahmens zusätzlich zu stabilisieren. An der aus Stahl gefertigten Gabel finden sich Anschraubpunkte zum Befestigen von Gepäckträgern und Schutzblechen. Dirtysixer führt zudem einen selbst entwickelten hinteren Gepäckträger in seinem Zubehör.
Vertrauen auf Marktführer
Beim eingangs erwähnten Antrieb handelt es sich um einen Bosch Performance Line CX in Kombination mit dem größten Intube-Akku von Bosch, dem PowerTube750. Sowohl von der Motorleistung als auch der Akkukapazität erscheint das als passend. Bei der Bedienung setzt das eDirtysixer auf die Kombination aus der Bosch Mini Remote am Lenker zusammen mit dem im Oberrohr integrierten System Controller. Auf vorab gezeigten Bildern ist auch ein Kiox 300 zu entdecken. Ob das zur Serienausstattung gehören wird, bleibt jedoch abzuwarten.
Als eigentlichen Antrieb verwendet der Hersteller eine mechanische Kettenschaltung von Shimano. Die Cues-Gruppe bietet zehn Gänge. Sie wird in der extra auf den Einsatz am E-Bike ausgelegten Linkglide-Variante verbaut. Besondere Aufmerksamkeit verdient noch die Bremsanlage. Mit Blick auf die Zielgruppe wurde diese durch zwei Bremsscheiben am Vorderrad aufgewertet. Voraussichtlich werden deren Durchmesser die bekannten 203 Millimeter betragen. Die erhöhte Bremskraft soll sicherstellen, dass die größeren und damit auch meist schweren Fahrenden zuverlässig und jederzeit kontrolliert Abbremsen können. Wer weiß, dass Shaquille O’Neal zu den Kunden von Dirtysixer gehört, ahnt, worin die Aufgabe besteht. Zu seinen aktiven Zeiten wog der Superstar der NBA wohl rund 156 Kilogramm. Im Ruhestand dürften es heute noch ein paar mehr sein.
Superstars fahren auf Dirtysixer ab
Apropros Basketball und NBA. Unter den Spielern hat David Folch mit seinen Bikes anscheinend weitere Fans. So soll der Franzose Rody Gobert, vor wenigen Tagen zum vierten Mal in seiner Karriere zum besten Defensivspieler der gesamten Liga gewählt, in seiner Zeit bei den Utah Jazz gleich 15 solcher Fahrräder bestellt haben. Als Geschenk für sein Team. Und auch Dirk Nowitzki wird nachgesagt, dass er ein Exemplar der Marke besitzt. Für das Marketing von Dirtysixer dürften solche Kunden vor allem auf dem US-amerikanischen Markt Gold wert sein.
Ihr könnt diesen Superstars dennoch voraus sein. Denn vermutlich fahren sie noch nicht das eDirtysixer mit der elektrischen Unterstützung. Kommt mithilfe der Crowdfunding-Kampagne das nötige Geld zusammen, soll das Serienmodell später 8.999 US-Dollar kosten. Versandkosten nach Europa kämen da jedoch noch hinzu.
eDirtysixer im Überblick
- Rahmen: Aluminium
- Gabel: CroMo
- Motor: Bosch Performance Line CX
- Akku: Bosch PowerTube750
- Bedieneinheit: Bosch Mini Remote & Bosch System Controller
- Antrieb: Shimano Cues Linkglide
- Bremsen: Tektro, hydraulisch, 4 Bremskolben, Doppel-Rotor am Vorderrad, 203 mm
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: n.a.
- Preis: voraussichtlich 8.999 US-Dollar
Bilder: BWB dba DirtySixer