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Cervélo baut erstmals ein E-Bike. Einsicht oder Kapitulation?

E-Bike Cervélo Rouvida

Das Jahr 2022 ließ Cervélo mit einem Paukenschlag ausklingen. Damals brachte der Hersteller zum allerersten Mal in seiner Firmengeschichte überhaupt ein Mountainbike heraus. Auch 2023 endet unter großem Getöse. Diesmal feiert das erste E-Bike im Sortiment der Kanadier seine Premiere. Auf den ersten Blick erscheint das Cervélo Rouvida als die logische Konsequenz der vorhandenen Bandbreite an Rennrädern, Zeitfahrmaschinen und Triathlon-Bikes. Tatsächlich ist es jedoch eine Modellreihe mit zwei Gesichtern.

E-Rennrad Cervélo Rouvida

Cervélo Rouvida

Ganz allgemein überrascht die Nachricht über ein von Cervélo gefertigtes E-Bike. Das Unternehmen ist einer der wenigen renommierten Namen für Komplettfahrrädern aus dem Profiradsport, die bislang konsequent auf Modelle mit elektrischer Unterstützung verzichteten. Dabei hätte das langjährige Erkennungsmerkmal der Marke, das stilisierte é am Steuerrohr, die perfekte Vorlage für E-Bikes geboten. Was letztendlich den Ausschlag für den Umschwung geliefert hat, wissen wir nicht. Neugier? Kundennachfragen? Konkurrenzdruck? Vorstellbar ist da vieles.

Cervélo selbst will mit diesem Schritt auf alle Fälle einen Bruch in der Wahrnehmung vermeiden. Sowohl, was das Bild von außen betrifft als auch die eigene Sicht auf die Produkte. Bisher empfindet der Hersteller diese nach eigenen Worten als „raffinierte, designorientierte High-Performance-Maschinen“. Und exakt diesem Anspruch sollen sich auch die E-Bikes des Herstellers stellen.

Leicht und aerodynamisch

Damit dies gelingt, nimmt Cervélo jede Menge Carbon in die Hand und formt daraus nicht nur Rahmen und Gabel, sondern zudem Lenker sowie Vorbau. Optisch fügt sich das Ergebnis irgendwo zwischen dem Straßenrennrad Cervélo S5 und dem Gravelbike Cervélo Áspero ein. Manche Rahmenpartien fallen verständlicherweise etwas massiver aus. Schließlich müssen vor allem Motor und Akku des E-Bike-System im Inneren noch Platz finden. Mit dem Ride 60 von Fazua hat sich Cervélo für einen Antrieb entschieden, der sehr kompakte Abmessungen mit einem ausgesprochen geringen Gewicht verbindet. Gute Voraussetzungen für eine möglichst unauffällige Integration wie sie dem Hersteller vorschwebte.

In die hat er spürbar sehr viel Überlegungen investiert. Eine Folge dessen ist die vertikale Integration des Akkus in das Unterrohr. Im Vergleich zu seiner typischen Ausrichtung wurde er um 90 Grad gedreht. Seine schmale Seite weist also nach unten. Entsprechend schmal fällt das auch das Unterrohr aus, wenn man aus der Vogelperspektive darauf schaut. Dafür wächst sozusagen die Flanke des Rohres stärker an. Laut Diagnose im Windkanal konnten so ein paar Gram Gewicht eingespart werden. Der eigentliche Gewinn dürfte eher eine bessere Luftanströmung sein, die vor allem auf längeren Strecken ein paar Watt an Tretleistung spart. Auf seiner Webseite spricht Cervélo außerdem die Position des Geschwindigkeitssensors an. Gut, der ist an sich schon sehr klein und hat an der Aufnahme für die Hinterradachse einen Platz, an dem er weder großartig die Aerodynamik noch das Design stört. Eine bedeutende Optimierung dürfte dem Hersteller an der Stelle kaum gelungen sein.

Komplett im Rahmen verlegte Kabel am E-Bike Cervélo Rouvida

Am Übergang von Unterrohr zum Steuerrohr lässt sich die etwas außergewöhnliche Integration des Akkus erahnen.

Spannendes Wechselspielchen

Definitiv spüren werdet ihr den Effekt, für den ein weiteres Detail des Rahmens sorgt. Sowohl an der Gabel als auch am Hinterbau arbeitet Cervélo mit austauschbaren Ausfallenden. Im Gegensatz zu anderen Mitbewerbern könnt ihr mithilfe eines Flip-Chip-Systems hier an zwei Punkten die Geometrie und damit die Fahreigenschaften verändern. Wenn ihr dies tut, solltet ihr es konsequenterweise auch vorn und hinten tun. Alles andere wäre weder Fisch noch Fleisch und würde sich vermutlich recht merkwürdig fahren.

E-Bike Cervélo Rouvida mit Flip-Chip-System zum Wechsel zwischen Rennrad-typischer und Gravel-typischer Geometrie

Flip-Chip-System ermöglicht Wechsel zwischen Rennrad-typischer und Gravel-typischer Geometrie an ein und demselben Fahrrad

Die Unterschiede zwischen beiden Ausfallenende sind so groß, dass mit der einen Variante am Ende ein Rennrad vor euch steht, während die andere ein Gravelbike ergibt. Zum Beispiel fallen Gabelversatz und der Nachlauf der Gabel bei den Gravel-Ausfallenenden größer aus, sodass mehr Laufruhe in das Fahrrad einzieht. Dafür verliert es etwas von seiner Feinfühligkeit und Reaktionsschnelligkeit. Durch einen kürzeren Abstand zum Lenker entspannt sich eure Position. Ihr braucht euch im Oberkörper weniger weit nach vorn strecken und sitzt kompakter im Fahrrad drin. Weiterhin wächst der Abstand vom Tretlager zum Untergrund an, wodurch mehr Bodenfreiheit entsteht. Sobald ihr auf Touren Wurzeln, Steine und anderes überwinden wollt, wird dies die Aufgabe erleichtern. Der flachere Lenkwinkel trägt ebenfalls zu mehr Sicherheit beim Fahren abseits der Straßen bei. Die um zehn Millimeter längeren Kettenstreben Gravel-Setup erhöhen die Laufruhe und Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten, während das Rennrad-Setup mit den kürzeren Streben sich mehr von seiner Dynamik bewahrt.

Geometriedaten des E-Bikes Cervélo Rouvida mit jeweils unterschiedlichen Ausfallenden für Rennrad und Gravelbike

Unterschiedliche Geometriedaten durch den Einsatz der jeweiligen Ausfallende für Rennrad oder Gravelbike

Fokus auf den Straßen-Modellen

Damit der Wechsel der Ausfallenden auch komplett aufgeht, könnt ihr beim Rouvida zwischen drei verschiedenen Ausstattungen wählen. Mit dem Cervélo Rouvida Red XPLR AXS 1 Road und dem Cervélo Rouvida Rival XPLR AXS 1 Road sprechen wir bei zwei der Varianten von einem E-Rennrad. Besonders exklusiv kommt das Cervélo Rouvida Red XPLR AXS 1 Road daher. Allein dessen Sattel kostet knapp 300 Euro. Deutlich stärker schlagen natürlich Srams High-End-Gruppe Red ins Konto – zusammen mit dem edlen Laufradsatz und den Carbon-Kurbeln von FSA. Für 4.200 Euro weniger bekommt ihr immerhin das Einstiegsmodell. In dem Falle müsst ihr euch zum Beispiel aber mit einer Sram Rival-Gruppe und einfacheren Laufrädern zufriedengeben. Trotzdem steht am Ende ein Preis von 8.299 Euro zu Buche.

Zwischen den beiden Rennrädern fügt sich das Gravelbike ein. Seine Ausstattung ist ein Mix der zuvor Genannten. Exklusiv hat das Cervélo Rouvida Force XPLR AXS 1 Gravel seine versenkbare Sattelstütze, die Force-Gruppe von Sram sowie die zehn Millimeter breiteren profilierten Reifen von WTB. Das läuft auf einen Preis von 10.699 Euro hinaus, was ebenfalls kein wirkliches Schnäppchen ist. Ausgeliefert werden die Modelle mit den jeweils zum ihm passenden Ausfallenenden. Tauschen könnt ihr die in allen drei Fällen. Wer davon wie oft in der Praxis wirklich Gebrauch macht, steht auf einem anderen Blatt. Neben der Geometrie müsste aus unserer Sicht mindestens auch die Reifenwahl angepasst werden. Denn mit dem von der Straße zum Gravel geänderten Setup sich ins Gelände zu wagen, verspricht auf 30 Millimeter breiten Slicks vermutlich nur begrenzten Fahrspaß.

E-Rennrad Cervélo Rouvida Force XPLR AXS 1 Gravel

Cervélo Rouvida Force XPLR AXS 1 Gravel

E-Antrieb mit passendem Bedienkonzept

Für das gleiche Vergnügen an allen Rouvida-Modellen sorgt dagegen der Fazua Ride 60. Cervélo sagt sogar, man habe das Rouvida um den E-Antrieb herum entwickelt. In jedem Falle wirkt er harmonisch integriert. An den Drops des Lenkers kommen die neuen Fazua Road Control zum Einsatz. Diese kleinen Bedieneinheiten sind nicht nur stimmig unter dem Lenkerband angebracht, sondern sitzen genau da, wo die Finger während des Fahrens mit einem Rennlenker sehr häufig aufliegen. Folglich könnt ihr die Hände stets am Lenker lassen, wenn ihr die Unterstützungsstufe wechseln möchtet.

An den Drops des Rennlenkers montierte Bedieneinheit zum Wechseln der Unterstützungsstufe am E-Bike Cervélo Rouvida

An den Drops des Rennlenkers montierte Bedieneinheit zum Wechseln der Unterstützungsstufe

An der in das Oberrohr eingelassenen Fazua LED Hub lässt sich das auch noch einmal optisch nachvollziehen. Neben dem aktuellen Fahrmodus erkennt ihr dort zudem die verbleibende Akkureichweite. Mithilfe der Bedieneinheit schaltet ihr den E-Antrieb an und aus. Unter seiner Abdeckung verbirgt sich USB-Ladeanschluss, über den ihr diverses Zubehör oder eigene mobile Geräte während der Fahrt mit Strom versorgen könnt.

Im Oberrohr montierte Anzeige LED Hub für den Fazua Ride 60 am E-Bike Cervélo Rouvida

Anzeige LED Hub im Oberrohr mit USB-C-Ladeport

Bei den E-Antrieben mit einer mittleren Unterstützung sortiert sich der Fazua Ride 60 dank des Drehmoments von 60 Newtonmeter bekanntlich am oberen Ende des Leistungsspektrum ein. Da sein Systemgewicht trotz des 430 Wattstunden fassenden Akkus gleichzeitig nur wenig mehr als vier Kilogramm beträgt, glänzt das Rouvida mit einem tollen Verhältnis aus Gewicht und Leistung. Insgesamt bleibt das Fahrrad bei rund 13 Kilogramm und dürfte sich damit so sportlich fahren, wie es aussieht. Laut Hersteller soll es in Europa ab Januar 2024 erhältlich sein. Bliebt euch also noch etwas Zeit, um herauszufinden, ob das ein Bike für euch wäre und falls ja, welche Variante davon.

E-Bike Cervélo Rouvida mit Antriebssystem Fazua Ride 60

Nahezu unsichtbar integrieter Motor des Fazua Ride 60

Cervélo Rouvida im Überblick

  • Varianten: Cervélo Rouvida Red XPLR AXS 1 Road, Cervélo Rouvida Force XPLR AXS 1 Gravel, Cervélo Rouvida Rival XPLR AXS 1 Road
  • Rahmen: Carbon
  • Gabel: Rouvida Fork
  • Motor: Fazua Ride 60
  • Akku: Fazua Energy 430
  • Bedieneinheit: Fazua LED Hub + Fazua Road Control
  • Antrieb: Sram Red XPLR AXS, Sram Force XPLR AXS, Sram Rival XPLR AXS
  • Bremsen: Sram Red, Sram Force, Sram Rival
  • Gewicht: 13 kg
  • Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 110 kg
  • Farben: Plasma Blue, Granite
  • Preis: ab 8.299 Euro

 

Bilder: Cervélo Cycles

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