Stellt euch einen Raum vor, in dem folgende Akteure zusammenkommen: Ein Spezialist für Werkzeuge und Formen, mit denen sich Kunststoffe verarbeiten lassen. Ein ehemaliger Radsportler, der inzwischen eine Fahrradmarke betreibt, die Räder für extremste Anforderungen entwirft. Jemand ist dabei, der kreativ mit einem Leichtbaumaterial wie Partikelschäumen umgehen kann. Es gibt einen erfahrenen Fahrrad-Fachhändler, der sich auf Premiummarken fokussiert. Komplettiert wird die Gruppe von einem Spezialisten für ergonomisch gestaltete Kontaktpunkte am Fahrrad wie Griffe und Lenker. Was stellen diese Leute gemeinsam auf die Beine? Ok, ein Lastenrad. Angesichts des Titelbildes und der Überschrift war das nicht schwer zu erraten. Allerdings ist das FS 200 von Ca Go nicht irgendein Lastenrad.
1. Rund-um-die-Box-Denken
2. Aerodynamisch und gut sichtbar
3. Sicher stehen und sicher fahren
4. Gekonnt die Kurve kriegen
5. Ausstattung auf Top-Niveau
6. Preiswert, aber kein Schnäppchen
Aber der Reihe nach. Vorher gibt es noch kurz die Auflösung zum Gedankenexperiment vom Einstieg. Gemeinsame Sache beim Ca Go machen der Werkzeugbauer T.Michel Formenbau, Gerrit Gaastra und idworx, die Firma Schumpeter, RTI Sports sowie Ergon Bike Ergonomics. Bei den beiden Letztgenannten zählt Franc Arnold zu den jeweiligen Gründern. Wenig überraschend laufen bei ihm die Fäden des Projektes zusammen. Diese illustre Runde hat das Ca Go innerhalb von 18 Monaten von ersten Entwürfen zur Serienreife geführt. Im Dezember 2020 startete die Serienproduktion am Unternehmenssitz in Koblenz.
1. Rund-um-die-Box-Denken
Nach eigenen Angaben war der Dreh- und Angelpunkt dieser Idee die Cargobox. Um sie herum wurde nach und nach das restliche Bike entwickelt. Sozusagen von innen nach außen. Tatsächlich weist die Box einige Besonderheiten auf. Das beginnt beim Material. Es handelt sich um expandiertes Polypropylen, in Fachkreisen nur EPP genannt. EPP gehört zu den Partikelschäumen. Das sind Schaumperlen aus thermoplastischen Kunststoffen. Während der Herstellung quellen die dafür verwendeten Kunststoffe unter heißem Wasserdampf auf und bilden Perlen aus, die dann miteinander verschmelzen. Das Ganze kann innerhalb unterschiedlichster Werkzeuge geschehen, sodass am Ende unzählige Formen denkbar sind. Fahrradhelme, Verpackungen, Armaturen eines Autos – und eben Teile des Lastenfahrrades. Alles, was möglichst leicht, wasserabweisend und stoßabsorbierend sein soll. Erfreulicher Nebeneffekt: Die Bestandteile lassen sich recyceln.
Ca Go fertigt die Box aus zwei Halbschalen und verbindet diese miteinander. Das erlaubt dem Hersteller, das Innenleben der Box sehr individuell auszuformen, zum Beispiel mit Armlehnen für den Transport von Kindern oder Halterungen für weiteres Zubehör. In eine leere Box passen 200 Liter. An Gewicht dürft ihr maximal 70 Kilogramm hineinpacken, sodass sich das zugelassene Gesamtgewicht auf 225 Kilogramm beläuft. Gut 50 Kilogramm davon schlagen schon einmal für das Bike selbst zu Buche.
Um die Box herum verlaufen die Rohre des Sicherheitsrahmens. Im unteren Teil der Seitenwände findet sich auf beiden Seiten jeweils eine eingelassene Trittstufe, die Kindern das Einsteigen in ihre Mitfahrgelegenheit erleichtert.
2. Aerodynamisch und gut sichtbar
Auf dem Fahrrad ist die Box mit leicht nach vorn abgesenkter Nase positioniert. Von der Seite betrachtet, könnt ihr das deutlich erkennen. Ob das auf Testfahrten im Windkanal schließen lässt? ? Sieht zumindest schnittig aus. Erst recht, wenn ihr euch als Extra für das Protection Shield entscheidet, eine reflektierende Verkleidung der Box. Bei Tageslicht verleiht die eurem Bike eine eigene Note und im Dunkeln seid ihr damit richtig gut erkennbar. Leider wird auch für den Deckel zur Cargobox ein Extrabetrag fällig. Für 250 Euro erhaltet ihr damit neben einem Allwetterschutz, noch zusätzliche Sicherheit. Der Deckel ist abschließbar, sodass ihr quasi einen kleinen Safe auf Rädern bei euch habt.
Ganz allgemein haben die Designer und Entwickler des Ca Go sich Sicherheit ganz groß auf ihre Fahnen geschrieben. Einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit haben sie dabei auf den sicheren Transport von Kindern gerichtet. Das beginnt bei der hochgezogenen Linie der Cargobox. Sie schützt die Kleinen für den Fall, dass das Bike mit ihnen darin umkippt. Zudem sind die Kindersitze in der Box recht tief angebracht. Normalerweise langen sie mit ihren Armen nicht darüber hinaus. Die Sitze bieten mit den verstellbaren Kopfstützen sowie den 5-Punkt-Gurten hohe Sicherheitsstandards. Der Teil, auf dem die Kinder sitzen, gibt übrigens kontrolliert nach, sodass dank der Federung zur Sicherheit noch Fahrkomfort hinzukommt. Ansonsten sind viele Details an diesem E-Cargobike abgerundet und verkleidet, gerade im Passagierraum und rund um die Fahrenden. Die Gefahr, selbst sich unabsichtlich irgendwo stärker zu stoßen, ist dadurch sehr gering.
3. Sicher stehen und sicher fahren
Das Sicherheitsdenken setzt sich bei den Fahrenden fort. Beim FS 200 handelt es sich im Grunde um einen Tiefeinsteiger. Auf- und Absteigen gelingt so auch kleiner gewachsenen Menschen recht gut. Eine direkte Folge dieser Konstruktion ist das tiefliegende Tretlager. Das hängt sogar derart nahe über dem Boden, dass die Kurbeln nur 150 Millimeter lang sind. Mit längeren Versionen würdet ihr Gefahr laufen, in jeder zweiten Kurve mit dem Pedal über den Untergrund zu schleifen. So aber gleicht das der kurze Kurbelarm aus.
In Kombination mit dem flachen Sitzwinkel erreicht ihr zudem bequem den Boden, wenn ihr mit dem Rad zum Stehen kommt – besonders wichtig, wenn ihr Kinder oder schwere Last befördert. Da auch die Ladefläche nicht weit vom Boden entfernt ist, sinkt der Schwerpunkt des Ca Go generell weit nach unten. Das Ergebnis ist eine angenehme, stabile Fahr- und Kurvenlage.
4. Gekonnt die Kurve kriegen
Trotz seiner Gesamtlänge von 2,70 Metern fehlt es dem Lastenfahrrad nicht an Wendigkeit. Die auf einem Kabelzug basierende Lenkung erlaubt einen Einschlag des Vorderrades von rund 80 Grad. Dank des für ein Longjohn typischen 20 Zoll kleinen Vorderrades wendet ihr selbst in kleinen Straßen in einem Zug. Beim Lenken müsst ihr mit einem schwergängigeren Gefühl rechnen. Die Kabelzuglenkung reicht nicht ganz an die Leichtigkeit einer Lösung mit einem Lenkarm heran. Dramatisch ist das nicht, allenfalls eine Frage der Gewöhnung.
Was ihr sicherheitshalber prüfen solltet, ist eure Position auf dem Rad. Schließlich gibt es das FS 200 nur in einer Rahmengröße. Und bei der lassen sich weder der Lenker in der Höhe noch der Vorbau Integra-BK von Ergotec vom Winkel her verstellen. Wie gut ihr also an den Lenker heranreicht und damit eure Kontrolle über das Fahrrad ist, stellt ihr vielleicht am besten bei einer Probefahrt fest.
5. Ausstattung auf Top-Niveau
Wie der Blick auf die weitere Ausstattung verrät, stehen die Chancen für ein tolles Fahrerlebnis ziemlich gut. Stufenlose Automatikschaltung von Enviolo, Gates Carbonriemen mit automatischem Spanner, speziell für Lastenräder entwickelte Federgabel von SR Suntour mit 70 Millimetern Federweg, breite Balloon-Reifen von Schwalbe mit vernünftigem Pannenschutz und hochwertige hydraulische CMe-Scheibenbremsen von Magura mit hinten vier und vorn zwei Bremskolben – da bleiben kaum Fragen offen.
Ähnliches gilt für den elektrischen Antrieb. Ca Go hat sich hier für den bewährten Cargo Line Motor von Bosch entschieden. Ein Drehmoment von 85 Newtonmetern und bis zu 400 Prozent an Unterstützung sind zwei maßgebliche Zahlen, die jede Menge Fahrspaß versprechen. Zumal sich der Hersteller auch bei der Akkulösung nicht lumpen lässt. Verbaut wird ein Powertube mit einer Kapazität von 625 Wattstunden. Der sollte für ungefähr 60 Kilometer an Reichweite gut sein. Wem das nicht genug ist, der kann auch die DualBattery-Option wählen und das Ganze glatt verdoppeln.
In Anbetracht der Bilder haben sich vielleicht einige von euch schon gefragt, wo die Akkus eigentlich stecken. Zu finden sind die in einem metallenem Extrafach, das im Unterboden der Cargobox eingelassen ist. Bevor ihr die Akkus dort herausnehmt, müsst ihr allerdings die Cargobox entleeren, die Fußmatte, wegnehmen und das Fach mit einem Schlüssel aufschließen. Ist also etwas aufwändiger, als einfach einen Akku abzunehmen, der außen am Rahmen eingeklickt ist. Für das Aufladen könnt aber auch eine Buchse direkt am Rahmen nutzen. Die findet ihr in der Nähe des Punktes, an dem Unterrohr und Steuerohr aufeinandertreffen.
6. Preiswert, aber kein Schnäppchen
In der Summe klingt vieles am Ca Go FS 200 sehr verheißungsvoll. Angesichts des Preises solltet ihr euch vorher allerdings ausführlich Gedanken darüber machen, wozu ihr das Fahrrad hauptsächlich verwenden wollt. Klar, es ist ein Lastenrad. Aber viele Lösungen sind ganz speziell auf das Befördern von Kindern ausgerichtet. Zahlreiche der für den Herbst angekündigten Erweiterungen, wie das Sonnen- und Regenverdeck All-Weather-Top, weisen ebenfalls in diese Richtung. Der Grundpreis von aktuell 6.950 Euro erscheint uns durchaus gerechtfertigt für die gebotene Qualität. Tendiert ihr eher zur Nutzung als reines Lastenrad, stellt sich womöglich die Frage, ob sich dafür nicht auch etwas Günstigeres eignet.
Ca Go nimmt für sich auf alle Fälle ganz offensiv die Rolle eines Premiumherstellers an. In einem Interview mit dem Fahrradmagazin „Velototal“ äußerte sich das Unternehmen einmal wie folgt: „Um es deutlich zu sagen – eine modernes und sicheres E-Cargobike kostet in der Entwicklung und Herstellung sein Geld, welches sich im Preis der Produkte niederschlagen muss, um wiederum neue Produkte zu entwickeln und die Qualität zu halten.“ Mit dem Geld aus dem Verkauf von Fahrrädern noch bessere Fahrräder zu machen – das klingt nach einem sinnvollen Ansatz. Daran wird sich Ca Go künftig messen lassen müssen.
Bilder: Ca Go Bike GmbH
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