Zuletzt verdichteten sich die Gerüchte in der Branche, nun lässt Fazua selbst die Katze aus dem Sack: Der Hersteller hat einen nigelnagelneuen Antrieb entwickelt. Der Ride 60 ist um ein paar Gramm leichter geworden als der aktuelle Ride 50, hat gleichzeitig fast 200 Wattstunden an Kapazität hinzugewonnen – und lässt sich nicht mehr aus dem Rahmen des E-Bikes herausnehmen. Ist das eine Abkehr vom bisherigen Konzept? Eine definitive Attacke auf Marktriesen wie Bosch, Yamaha, Brose und Co? Beides? Gar nichts von dem? Noch können wir zwar keine der Fragen mit Sicherheit beantworten. Dafür sollt ihr gern eine Übersicht über den Antrieb und seine einzelnen Komponenten bekommen.
1. Was folgt auf die Zeitenwende?
2. Fazua Ride 60 – der Motor
3. Fazua Ride 60 – der Akku
4. Fazua Ride 60 – die Anzeige im Oberrohr
5. Fazua Ride 60 – die Bedieneinheit am Lenker
6. Fazua Ride 60 – kombinierte Anzeige- und Bedieneinheit am Lenker
7. Fazua Ride 60 – erste Modelle mit dem Antrieb
1. Was folgt auf die Zeitenwende?
Als Fazua 2017 mit dem Evation-Antrieb aufwartete, war das nicht mehr als eine kleine Revolution des E-Bike-Sektors. Fahrräder, bei denen die Fahrenden bestimmen, wann sie vom Motor unterstützt werden wollen und wann nicht, gab es bereits unzählige. Eines, bei dem man zusätzlich einen Großteil des Antriebes sogar bequem herausnehmen und ab dem Moment mit einem herkömmlichen Fahrrad fahren konnte, hatte es bis zu dem Zeitpunkt nicht gegeben. Klar, nicht für alle musste ein E-Bike dieses Bäumchen-wechsel-dich-Spiel beherrschen. Eine oftmals eher sportlich orientierte Klientel freute sich dagegen umso mehr, plötzlich nicht unbedingt zwei verschiedene Fahrräder für ein und denselben Zweck sich zulegen zu müssen. Der jederzeit mögliche Wechsel vom E-Bike zum Bio-Bike und wieder zurück war das offensichtlichste Merkmal, mit dem sich Fazua vom gesamten Wettbewerb weltweit unterschied.
Bis heute. Mit dem Ride 60 steuert Fazua freiwillig in einen wesentlich größeren Markt. Zwar fängt der Hersteller nicht bei null an. Doch trotz der bisherigen Reputation im Rücken wird jedes Prozent dort hart verdient werden müssen. Ein Blick auf die bisher bekannten Daten lässt erkennen, dass sich das Unternehmen aus der Nähe von München auch in den neuen Gefilden auf alt bekannte Stärken vertraut. Gewicht geringhalten, Akkureichweite bewusst limitieren und so Menschen ansprechen, die urbane E-Bikes, E-Gravelbikes, E-Rennräder und E-Mountainbikes eher fahren wollen, als von ihnen gefahren zu werden.
2. Fazua Ride 60 – der Motor
Beginnen wir beim Herzstück des Antriebs, dem Motor. Der bildet beim Ride 60 mit dem Getriebe eine Einheit, die der Hersteller Drive Unit nennt. Deren genaue Abmessungen und der Q-Faktor sind uns noch nicht bekannt. Anhand des vorliegenden Bildmaterials liegt allerdings die Vermutung nahe, dass es noch kleiner und kompakter ausfällt, als das Drivepack des Ride 50. Das Tretlager wirkt auffällig klein und ist kein Vergleich zu der unförmigen „Beule“, an der ihr vor Jahren ein E-Bike mit Mittelmotor erkannt habt. Auf der Motorseite verraten lediglich drei Schrauben, dass im Inneren zusätzliche Power schlummert. Auch die Verkleidung ist auf ein Minimum reduziert. Optisch ist das insgesamt ein weiterer Schritt nach vorn hin zu dem Erscheinungsbild eines herkömmlichen Fahrrades. Den Fahrradherstellern eröffnet Fazua so perfekte Möglichkeiten, die Antriebe noch schlüssiger im Rahmen zu integrieren.
Mit den geringen Volumen geht ein geringes Gewicht einher. Fazua hat die derzeit maßgebliche Marke von zwei Kilogramm knapp unterboten. Auf 1,96 Kilogramm bringen es Motor und Getriebe gemeinsam. Dafür war der Abschied von der Entnehmbarkeit in Form eines Drivepack laut Fazua alternativlos. Andernfalls wären die eigenen Ziele in Bezug auf die Integrierbarkeit am Fahrrad nicht erreichbar gewesen. In Blick auf die Leistung bedeutet die neue Konstruktion nur geringe Zuwächse. Das Drehmoment erhöht sich von 58 Newtonmeter beim Ride 50 auf 60 Newtonmeter beim Ride 60. Dahinter verbirgt sich die gewohnte Dauerleistung von 250 Watt, die in Spitzen bis zu 450 Watt erreichen kann. Aus Sicht des Herstellers ergibt das ein „sensationelles“ Verhältnis von Gewicht zu Leistung.
Drive Unit des Fazua Ride 60 im Überblick
- Drehmoment: 60 Nm
- Leistung: 250 W (nom.)
- Maximale Leistung: 450 W (mech.)
- Gewicht: 1,96 kg
3. Fazua Ride 60 – der Akku
Mit dem erhöhten Drehmoment und der größeren möglichen Leistung steigt auch der Energiebedarf des Gesamtsystems. Daher erscheint es sehr gut nachvollziehbar, dass Fazua bei der Akkukapazität ebenfalls etwas draufgepackt hat. Natürlich mit den ganzen Konsequenzen, die das mit sich bringt. Gemeint sind in erster Linie ein größeres Baumaß und ein höheres Gewicht. Über 430 Wattstunden verfügt der neue Energy 430. Da bisher kaum jemand außer Fazua und ein paar ausgewählter Fahrradhersteller ein E-Bike mit einem solchen Antrieb fahren konnte, fehlen derzeit belastbare Aussagen zur Reichweite. In einem vorab veröffentlichten Video macht Fazua zwei Beispielrechnungen auf. Mit der mittleren Unterstützungsstufe „River“ und einem konstanten Leistungsbedarf von 250 Watt sei man im Gelände ungefähr 40 Kilometer und 1.600 Höhenmeter gefahren. Übertragen auf das Radeln in der Stadt entspräche dies ungefähr einer Woche Pendeln bei Strecken von täglich zehn, fünfzehn Kilometern ohne Aufzuladen.
Da der Motor des Ride 60 konsequent im Rahmen verbleibt, hat Fazua auch beim Akku einen Schritt weitergedacht. Vom Energy 430 wird es künftig zwei Varianten geben. Eine wie gewohnt aus dem Unterrohr entnehmbar und eine fest verbaute. Auch das geht es ihn erster Linie darum, den Fahrradherstellern noch mehr konzeptionelle Freiheit bei der Entwicklung ihrer E-Bikes zu gewähren. Außerdem hat Fazua die Form des Akkus verändert. Am oberen Ende hat der eine ausgeprägte Griffmulde erhalten, die vor allem das Herausnehmen erleichtern soll. Im Unterrohr verbaut, soll eine eigens entwickelte, einteilige Schiene den Akku geschmeidig in den Rahmen gleiten lassen. Der Hersteller verspricht zudem einen sicheren, geräuschlosen Sitz.
Akku Energy 430 des Fazua Ride 60 im Überblick
- Kapazität: 430 Wh
- Spannung: 43 V
- Gewicht: 2,3 kg (entnehmbar) / 2,2 kg (fest verbaut)
- Ladegerät: 3A Charger
4. Fazua Ride 60 – die Anzeige im Oberrohr
Bewährt hat sich aus Sicht von Fazua anscheinend eine am Oberrohr integrierte Einheit. Was bisher Remote FX hieß, hört nun auf den Namen LED Hub. Von der Optik her braucht ihr euch nicht an etwas grundlegend Neues gewöhnen. Die schmale Leiste der LEDs ist jetzt ganz exakt in die Mitte gewandert und kommt etwas besser zur Geltung. An ihr könnt weiterhin ablesen, in welcher der drei Unterstützungsstufen Breeze (blau), River (grün) und Rocket (rot) ihr unterwegs seid. Am zum Lenker zeigenden Ende der LED Hub könnt ihr die Bedieneinheit hochklappen. Darunter kommt ein USB-C-Anschluss zum Vorschein. Über den lassen sich am Ride 60 externe Geräte wie Smartphones, Fahrradcomputer und Ähnliches aufladen. Das Feature ist so simple wie nützlich und dürfte auf jede Menge Gegenliebe stoßen.
Anzeigeeinheit LED Hub mit aufklappbarem USB-C-Port
Fazua Ride 60 Anzeigeeinheit LED Hub
Anzeigeeinheit LED Hub von Fazua im Überblick
- Ladezustandsanzeige / Support-Modus
- Bluetooth 4.0 / ANT+
- Ausklappbare Lademöglichkeit für Smartphone durch USB-C-Buchse
5. Fazua Ride 60 – die Bedieneinheit am Lenker
Technisch ist die LED Hub im Vergleich zum Remote FX zur reinen Anzeigeeinheit herabgestuft worden. Bedient wird das präsentierte E-Bike-System ausschließlich vom Lenker aus. Mit der Neuerung reagiert Fazua wohl auf Wünsche der Community. Von dort kamen in der Vergangenheit wiederholt Kommentare, wie unpraktisch der Griff zum Oberrohr in manchen Fahrsituationen sei, um einen anderen Fahrmodus zu wählen. Das passiert beim Ride 60 stattdessen über die Ring Control. Durch das Aufsplitten der Funktionalität konnten die Einheiten am Lenker und auf dem Oberrohr minimalistisch und klein ausfallen. Montiert ist die Ring Control neben dem linken Lenkergriff. An ihr aktiviert ihr den Antrieb, schaltet das Licht an und aus, bedient die Schiebehilfe – und wechselt eben die Fahrmodi.
Direkt neben dem Griff gut erreichbare Bedieneinheit
Fazua Ride 60 Bedieneinheit Ring Control
Dafür hat die Ring Control eine etwas größere, hervorstehende Nase. Die drückt ihr mit dem Daumen nach oben oder unten, während die restlichen Finger weiterhin den Lenkergriff umschließen. Das verleiht euch etwas mehr Sicherheit als im Vergleich zur Bedieneinheit für den Ride 50. Von der Idee her gefällt uns der Ansatz von Fazua ziemlich gut. Er bedeutet jedoch auch, dass der Halter für den Griff der Vorderradbremse am Lenker weiter nach innen wandert und sich vom Lenkergriff aus etwas mehr entfernt. Wie groß der Unterschied ist und ob sich das im Alltag wirklich als hinderlich erweist, wissen wir erst nach eigenen Testfahrten.
Bedieneinheit Ring Control des Fazua Ride 60 im Überblick
- Ein-/Ausschalter System
- Ein-/Ausschalter Licht
- Wechsel der Fahrmodi
- Boost-Modus
- Schiebehilfe
6. Fazua Ride 60 – kombinierte Anzeige- und Bedieneinheit am Lenker
Ring Control und LED Hub sind untrennbar miteinander verbunden. Die Funktionalität von beiden führt eine dritte Bedieneinheit zusammen – die Control Hub. Folglich genügt sie als einziges Bedienelement an einem Fahrrad und wird von Herstellern vermutlich eher an urbanen E-Bikes aufgegriffen. Sie fällt etwas größer aus, als die Ring Control, da neben den LED auch noch etwas mehr Elektronik integriert werden muss.
Control Hub kann das, was Ring Control und LED gemeinsam leisten.
Fazua Ride 60 Bedieneinheit Control Hub
Bedieneinheit Control Hub des Fazua Ride 60 im Überblick
- Ein-/Ausschalter System
- Ein-/Ausschalter Licht
- Ladezustandsanzeige / Support-Modus
- Bluetooth 4.0 / ANT+
- Boost-Modus
- Schiebehilfe
7. Fazua Ride 60 – erste Modelle mit dem Antrieb
Unter dem Strich steht am Ende ein Gesamtgewicht von 4,26 Kilogramm für den Ride 60. Der Wert liegt sogar rund 150 Gramm unter dem des Ride 50. An welchen Fahrrädern der Antrieb euch bereits 2022 begegnen wird, hält Fazua derzeit größtenteils noch geheim. Bekannt sind bisher lediglich zwei Hersteller. Dem Vernehmen nach waren beide auch wesentlich an der Entwicklung des Systems beteiligt. Das ist zum einen die Firma Riese & Müller. Anlässlich der Einführung des Ride 60 bringt sie eine komplett neue Baureihe auf den Markt. Urban Line, kurz UBN, heißt die sportliche Interpretation eines alltagstauglichen E-Bikes für den städtischen Verkehr. Mit dem UBN Five und dem UBN Seven wird es zu Beginn zwei Modelle geben. Riese & Müller spricht aber offen davon, dass dies erst der Anfang sein soll.
Beim zweiten prominenten Kooperationspartner handelt es sich mit Canyon um ein Unternehmen, das statt des Fachhandels den Direktvertrieb favorisiert. Im Gegensatz zu Riese & Müller hat Canyon schon jetzt Modelle mit einem Antrieb von Fazua im Programm. Zwei dieser Modellreihen, Commuter:On und Roadlite:On, sollen noch im Laufe dieses Jahres um Sondermodelle mit einem Ride 60 erweitert werden.
Bilder: Fazua GmbH; Riese & Müller GmbH