Ameisen zählen zu den stärksten Tieren der Welt. Sie können das Mehrfache ihres Körpergewichtes tragen. Wie viel genau, dazu findet man unterschiedliche Angaben. Mal ist von dem 50-fachem die Rede, mal sogar vom 100-fachem. Was hat das aber bitte mit E-Bikes zu tun? Nun, der Hersteller Antric hat sich bei seinem Firmennamen nicht nur an das englische Wort für Ameise angelehnt. Er wirbt auch mit dem Slogan „Inspired by nature“. Für uns jedoch noch wichtiger: Vor kurzem ist die überarbeitete Fassung seines vierrädrigen Lastenfahrrades erschienen. Mal sehen, wie das im tierischen Vergleich abschneidet.
Vom Spin-off zum Teil einer globalen Unternehmensgruppe
Bei Antric handelt es sich um die Ausgründung eines ehemaligen Universitätsprojektes, wie sie auch in zahlreichen anderen Branchen häufiger anzutreffen ist. Junge Menschen mit reichlich Grips in der Birne haben die Idee für etwas, was einer bestimmten Gruppe von Menschen den Alltag, den Job oder sogar beides erleichtern könnte und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig wäre. Also entwickeln sie das Projekt weiter, gründen ein eigenständiges Unternehmen und setzen ihre Idee in die Tat um.
Genau das hat das Team um die Gründer Moritz Heibrock und Eric Diederich getan. Es verließ die Ruhr-Universität Bochum und rief 2020 die Antric GmbH ins Leben. Zwei Jahre später startete die Produktion der Antric One getauften Premiere. Im selben Jahr stieg das US-amerikanische Unternehmen Cenntro Electric Group Ltd. bei Antric ein. Es investierte 2,5 Millionen Euro, kündigte die Fertigung des Lastenfahrrades im eigenen Werk in Herne an, übernahm das Zepter für eine weltweite Vermarktung des Fahrzeuges und sicherte sich zudem 25 Prozent der Firmenanteile. Inzwischen gehört Antric anscheinend vollumfänglich zur Cenntro Group. Auf alle Fälle führt Gregory Hancke neben der Cenntro Automotive Europe GmbH ebenfalls die Geschäfte der Antric GmbH.
Kein kompletter Wandel
Grundsätzlich ähneln sich Antric One und das neue Antric Evo 1 sehr stark. Es wirkt so, als habe der Hersteller dezidiert an bestimmten Punkten gearbeitet, ohne dabei das Konzept tiefgreifend verändern zu wollen. Folglich rollt auch die neue Version weiterhin auf vier Rädern daher. Neben ihrer unverwechselbaren Softshell-Ummantelung wartet die Kabine für die Fahrenden weiterhin mit der einen oder anderen Annehmlichkeit auf. Und der Container verträgt sowohl vom Volumen als auch vom Gewicht her einiges an Zuladung.
Schwieriges Unterfangen
Wirft man einen Blick darauf, was sich genau verändert hat, liegt der Schluss nahe, dass die Anforderung an die Überarbeitung eine durchaus verzwickte gewesen sein könnte. Bislang galten die Kompaktheit sowie das enorme Transportvermögen des Antric als zwei seiner größten Pluspunkte. Als Evo 1 ist das Lastenrad nun schmaler und niedriger geworden als der Vorgänger. Geringere Abmessungen bedeuten allerdings auch schnell einen Verlust an Stauraum. Und dies sollte vermutlich vermieden werden.
Anhand der vorliegenden Information wird ersichtlich, dass den Ingenieuren diese kleine Quadratur des Kreises offenbar gelungen ist. Außen hat das neue Antric sieben Zentimeter an Höhe und 18 Zentimeter an Breite verloren. Gleichzeitig haben sich die Innenmaße des Laderaums nur marginal verändert. Das Ladevolumen sinkt leicht von 2,3 Kubikmetern auf 2,2 Kubikmeter. Bei der Nutzlast ist ein Rückgang von vorher rund 300 Kilogramm auf nun 291 Kilogramm zu verzeichnen. In dem Wert ist das Gewicht der Fahrenden stets eingeschlossen.
Auswirkungen in der Praxis dürfte diese Mini-Schrumpfkur so gut wie keine haben. In den Container des Lastenfahrrades passen immer noch eine Europalette oder alternativ zwei handelsübliche hohe Gitterrollwagen. Das Fahren mit dem Evo 1 dürfte sich sogar etwas leichter gestalten als mit dem Antric One. Schließlich misst es jetzt nur noch 99 Zentimeter in der Breite, was das Manövrieren an besonders engen Stellen verbessert – zum Beispiel beim Durchfahren zweier Verkehrspoller. In der Höhe kommt Antric mit den 1,95 Metern nun unter der wichtige Zwei-Meter-Marke. Auch das wird sich bei Türen, Durchgängen und Einfahrten zu bestimmten Tiefgaragen auszahlen.
Gestiegener Fahrkomfort
Zudem hat sich der Hersteller um die Insassen gekümmert. Weiter nach innen gezogene Seitenscheiben schützen die Fahrenden besser vor Wind, Regen und Schnee. Was die Scheiben nicht abfangen, hält im Zweifelsfall die wind- und wasserdichte Softshell ab, welche die Kabine umschließt. Standardmäßig gibt es einen Ein- und Ausstieg zur verkehrsberuhigten rechten Seite. Auf Wunsch lässt sich dies für die linke Seite als auch für beide Seiten umsetzen. Mit Blick auf die angestrebte Vermarktung in Ländern mit Linksverkehr kein völlig überraschendes Detail.
Für mehr Ausdauer beim Fahren mit dem Evo 1 sollen ergonomisch geformte Pedalen sorgen. Deren Auflagefläche für die Füße wirkt um einiges größer als bei herkömmlichen Flachpedalen. Den Abstand zu ihnen könnt ihr in fünf Stufen einstellen. Im Fußraum fällt außerdem eine neue massive Feststellparkbremse ins Auge, die sich mit dem linken Fuß arretieren und lösen lässt. Nachgebessert hat Antric ebenso beim Lenker. Dessen Höhe könnt ihr verändern und somit einfacher an eure Körpergröße anpassen.
E-Bike-System spiegelt ökologisches Bewusstsein wider
Am Antrieb hält Antric in der bisherigen Form fest. Jedes der 16 Zoll großen Räder ist in dem voll gefederten Fahrwerk einzeln aufgehangen. Der Elektromotor unterstützt euch mit seinen 250 Watt im Dauerbetrieb bis zu einer Geschwindigkeit von maximal 25 km/h. Voran geht es in einer von insgesamt fünf Unterstützungsstufen. Und der Rückwärtsgang darf bei einem solchen Fahrzeug natürlich nicht fehlen.
Die Energie bezieht der Antrieb aus dem Akku namens AES SuperPack LongLife. Der bietet mit 1.440 Wattstunden eine Kapazität, die immens klingt. Allerdings braucht es die jedoch auch. Sind beide Steckplätze im Evo 1 mit einem Akku besetzt, ergibt sich laut Hersteller daraus eine Reichweite von 50 Kilometern. Und die kommen im Stadtverkehr beim Ausliefern von Paketen schnell zusammen. Praktischerweise lässt sich der Energiehunger des Fahrzeugs recht leicht stillen. Die Akkus sind im Handumdrehen herausgenommen und durch zwei frisch aufgeladene ersetzt.
Im Gegensatz zu vielen anderen E-Bikes kommen hier Lithium-Eisenphosphat-Akkus zum Einsatz und nicht etwa Lithium-Ionen-Akkus. Die Erstgenannten vertragen im Vergleich mit den bekannteren Pendants wesentlich mehr Ladezyklen, wodurch sich ihre Lebensdauer deutlich erhöht. Antric spricht von mindestens 3.000 Ladezyklen für einen AES SuperPack LongLife. Außerdem benötigen Lithium-Eisenphosphat-Akkus weder Kobalt noch Nickel. Bei beiden handelt es sich um giftige Schwermetalle. Ganz abgesehen davon, dass Kobalt in einigen Teilen der Erde unter menschenrechtlich fragwürdigen Bedingungen gewonnen wird. Die ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile dieser Akkus lassen ihre Anschaffungskosten allerdings auch entsprechend steigen.
Teurer als Teile des Wettbewerbs
Das könnte einer der Gründe dafür sein, dass ein Evo 1 mit Cargo-Box und einem Akku-SuperPack mindestens 20.274 Euro kostet. Mit dem Mubea U-Mobility Cargo Pack ist ein vergleichbares Lastenrad für rund 5.000 Euro weniger zu haben. Und auch der Preis des nicht mehr produzierten Citkar Loadster lag viel näher an der Marke von 10.000 Euro. Trotz allem dürfte die Summe für das Antric seriös kalkuliert sein. Auch wenn das ganz schön viel Geld für ein E-Cargobike ist, das es nicht einmal mit einer Ameise aufnehmen kann. Das Evo 1 wiegt leer mit Akku 282 Kilogramm. Dem steht eine transportierbare Nutzlast von 291 Kilogramm gegenüber. Mit diesem Verhältnis geht der Sieg ganz klar an die Ameise. Herzlichen Glückwunsch.
E-Lastenfahrrad Antric Evo 1 im Überblick
- Motor: serieller Antrieb, 250 W
- Akku: AES SuperPack LongLife
- Display: großformatiges Informationsdisplay
- Bremsen: vier hydraulische Scheibenbremsen in zwei Bremskreisen
- Leergewicht inkl. Akku: 282 kg
- Nutzlast inkl. Fahrer: 291 kg
- Ladevolumen: 2,2 m³
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 670 kg
- Abmessungen (LxBxH): 2983 mm x 999 mm x 1951 mm
- Preis: ab 20.274 Euro
Bilder: Antric GmbH; Dachser SE