Mit ungefähr 23.000 verkauften E-Bikes weltweit zählt Ampler zu den kleineren Herstellern der Branche. Als solcher muss er seine Kräfte bündeln und sich genau überlegen, zum Beispiel wie und welchem Rhythmus er seine Produktpalette weiterentwickelt. Gleichzeitig gewinnen diese Entscheidungen an Spannung. Schließlich zeigen sie, wo er eventuell eigenen Nachholbedarf sieht oder Potenziale für künftiges Wachstum erhofft. Zwei Jahre nach der Vorstellung neuer Modelle überarbeitet Ampler nun erneut sein Sortiment. Dieser Schritt führt auf für das Unternehmen bislang unbekanntes Terrain.
Wenn Kleine groß herauskommen
Genau acht Jahre ist es inzwischen her, dass ein kleines Team aus Tallinn sich auf den Weg machte, die eigene Vorstellung von einem zeitgemäßen E-Bike in die Welt hinauszutragen. Ja, in die Welt. Mit seinen gerade einmal rund 1,3 Millionen Einwohnern zwang Estland die drei Gründer Ardo Kaurit, Hannes Laar und Rait Udumäe zwangsläufig zum globalen Denken. Der hiesige Fahrradmarkt war einfach zu winzig, um allein als national agierende Marke in ruhigen wirtschaftlichen Fahrwassern unterwegs zu sein. Zumal das Start-Up sowieso nicht mit eigener Bekanntheit punkten konnte. Wenn man sich also eh einen Ruf erarbeiten muss, dann am besten gleich international.
Das hat Ampler inzwischen getan. Die Bikes mit der charakteristischen Plakette am Steuerrohr folgten stets einer einfachen, fast etwas demütigen Richtlinie. Sie wollten nicht alles können und nicht überall glänzen. Es ging stets darum, das Radfahren in der Stadt zu ermöglichen. Unaufgeregt. Mit zuverlässigen Komponenten, die sich ohne größere Probleme ersetzen lassen. An einem E-Bike, das so leicht ist, dass euch vor dem Hinauftragen in die dritte Etage nicht bange wird. Und mit so wenig Elektronik wie möglich und so viel wie nötig. Die Funktion bestimmt das Design. Sozusagen ein E-Bike für Bauhaus-Fans.
Wohin der Weg auch führt
Bisher brach Ampler seinen Ansatz ausnahmslos auf urbane E-Bikes um. Dies ändert sich mit den Modellen, die auf der Cyclingworld Europe in Düsseldorf vor wenigen Tagen ihre Weltpremiere feierten. Ausgehend von seinem leichtesten und sportlichsten Modell, dem Ampler Curt, zeigte der Hersteller dort das neue Ampler Curt Anyroad. An der Namenserweiterung erkennt ihr recht schnell, wohin die Reise sprichwörtlich gehen soll. Überall hin. Zumindest überall hin, wohin eine Straße oder ein befestigter Weg führt.
Für die Verwandlung vom Curt in das Curt Anyroad hat Ampler das Fahrrad ganz gezielt modifiziert. Ins Auge stechen vor allem drei Maßnahmen: Das Fahrrad rollt auf breiteren Reifen daher, hat eine potente Kettenschaltung erhalten und verfügt über mehr Optionen zum Mitnehmen von Gepäck. Damit reagiert der Hersteller auf das, was die Menschen mit den bisherigen Modellen getan haben, obwohl sie gar nicht darauf ausgelegt waren. Die Leute haben sich die City-E-Bikes geschnappt und damit Fahrradtouren unternommen. Teilweise sind sie mehrere Tage hintereinander insgesamt mehrere hunderte Kilometer gefahren. Daher sah sich Ampler beinahe genötigt, für diesen Zweck etwas anzubieten, was deutlich besser passt.
In drei Schritten zum Ziel
Eine einfache, aber sehr wirkungsvolle Maßnahme ist die Wahl anderer Reifen. Am Curt Anyroad trefft ihr auf den Panaracer GravelKing SK Plus. Für Gravelbikes gedacht, bilden kleinere und größere Stollen dessen Profil. Dazwischen verlaufen breitere Rillen, in denen Wasser ablaufen oder Schmutz aufgenommen werden kann. Verglichen mit dem Semislick des Curt bietet der GravelKing SK damit deutlich mehr Grip auf verschiedenen Untergründen – von der asphaltierten Straße bis hin zum Waldweg. Zumal er mit 43 Millimetern auch etwas breiter ausfällt und so zusätzlich Traktion generiert.
Bezogen auf die Schaltung macht Ampler einen noch deutlicheren Schnitt. Ab sofort ist das Curt ausschließlich als Singlespeed erhältlich. Dagegen stattet der Hersteller das Curt Anyroad mit einer Kettenschaltung mit zehn Gängen aus. Diese stammt vom taiwanesischen Unternehmen Microshift und damit nicht von Shimano, Sram oder Tektro. Die zehn Gänge der Kassette umfassen den Bereich von 11 Zähne bis 48 Zähne. Bei einer vergleichbaren Kassette Deore CS-M4100 von Shimano erstreckt sich das Spektrum von 11 Zähne bis 42 Zähne. Gleichzeitig wiegt die Microshift-Kassette mehr als 200 Gramm weniger als das Pendant vom Weltmarktführer und kostet dabei fünf Euro weniger. Von Beginn an waren geringere Preise ein Mittel, mit dem Ampler mehr Menschen den Zugang zu dennoch hochwertigen E-Bikes erleichtern wollte. Daher fügt sich diese Entscheidung schlüssig in dieses Konzept ein.
Punkt Drei auf der Liste der Änderungen betrifft eine neu Gabel, die erstmals am Curt Anyroad verbaut wird. Um etwas Gewicht zu sparen, gehörte zum Curt stets eine in schwarze gehaltene Carbongabel. Beim vielseitigeren Neuling vertraut der Hersteller lieber auf Aluminium als Werkstoff. Dafür finden sich jetzt jeweils drei Anschraubpunkte an den beiden Gabelbeinen. An denen könnt ihr zum Beispiel Lowrider-Gepäckträger befestigen, um daran kleinere Fahrradtaschen anzuhängen. Daneben bieten sich Anycages an, die sich als Flaschenhalter oder als Aufnahme für verschiedenstes Zubehör nutzen lassen, das mithilfe von Spanngurten und ähnlichem festgezurrt wird.
Teilweise fließender Übergang zum restlichen Sortiment
Jetzt sind Modelle mit einer Kettenschaltung im Sortiment von Ampler per se nichts Neues. Sowohl Stout mit dem Diamantrahmen als auch Stellar mit dem tieferen Einstieg hatten und haben dies ebenfalls zu bieten. Bei ihnen liegt der Focus jedoch etwas stärker auf dem Einsatz im urbanen Umfeld. Ihre Bereifung setzt auf einen geringen Rollwiderstand und weniger auf eine universale Eignung. Die Gabel verzichtet auf Anschraubpunkte und die Gangschaltung ist mit neun Gängen und Ritzeln von 11 Zähnen bis 42 Zähnen nicht ganz so reisetauglich wie die des Curt Anyroad.
Zudem eröffnet sich bei Curt Anyroad etwas mehr Auswahl bei der Rahmengröße. Aufgeteilt in die drei Größen S, M und L deckt das Anyroad mit dem Diamantrahmen Körpergrößen von 160 Zentimeter bis 198 Zentimeter ab. Beim Stout müsst ihr euch zwischen M und L entscheiden, die Ampler auf Menschen mit einer Körperlänge von 170 Zentimeter bis 200 Zentimeter ausgelegt hat. Rahmengeometrie und damit die daraus resultierende Sitzposition weisen keine gravierenden Unterschiede auf.
Wer lieber ein E-Bike mit einem tieferen Einstieg fährt und gleichzeitig mit einer Kettenschaltung unterwegs sein möchte, kann neben dem bekannten Stellar jetzt eben auch das Curt Anyroad als Low-Step-Variante wählen. Technisch bedeutet das dieselben Abwägungen zu treffen, wie zwischen Stout und Curt Anyroad. Zusätzlich kommt die Optik ins Spiel. Gefällt euch das geschwungene Oberrohr des Stellar besser oder doch das gerade des Curt Anyroad Low-Step? In beiden Fällen beschränkt sich die Rahmengröße leider auf M und L, die sich für Körperlängen zwischen 160 Zentimeter und 185 Zentimeter eignen.
Amper Curt sucht neue Fans
Noch eine Spur direkter, leichter und sportlicher als Anyroad verbleibt das ursprüngliche Curt als gefühltes Topmodell unter den rein urbanen Modellen. Mit der Ergänzung, dass Ampler hier ebenfalls eine zweite Rahmenform einführt. So hält mit dem Curt Low-Step gleichfalls der tiefere Einstieg Einzug. Der Hersteller bezeichnet ihn als Low-Step. Aus unserer Sicht handelt es sich um einen herkömmlichen Trapezrahmen. Unabhängig vom Wortlaut zielt die Neuerung klar darauf ab, eine breitere Gruppe für den Stadtflitzer zu interessieren. Manche dürfte der bisher allein angebotene Diamantrahmen durchaus von einem Kauf abgehalten haben. Diejenigen können den Entscheidungsprozess vielleicht noch einmal neu starten.😉
Typisch Ampler
Zu Beginn des Beitrags war die Rede vom Bündeln der Kräfte. Für Ampler geht dies unter anderem damit einher, das E-Bike-System nahezu unangetastet in den neuen Modellen zu verbauen. Vor zwei Jahren war die zweite Generation des E-Antriebs lanciert worden. Sie findet sich durchweg in allen Bikes wieder. Anscheinend gibt es auch keinen Anlass, nachbessern zu müssen. Traditionell setzt der Hersteller auf einen Hinterradnabenmotor mit einem Drehmoment von 45 Newtonmetern. Dessen Drehmoment-Sensor beeinflusst, wann und mit welcher Intensität der Motor seine Unterstützung ausspielt. Die beiden Fahrmodi heißen ganz unspektakulär 1 und 2. Ihr könnt sie euch als Eco-Modus- und Turbo-Modus vorstellen. Vor allem der erste Modus kommt der sehr nahe, was allgemein gern als natürliches Fahrgefühl umschrieben wird. Heißt im Grunde, dass die Unterstützung nicht überpräsent ist, dafür aber sofort anspricht, sobald ihr selbst durch einen höhere Trittfrequenz und erhöhten Kraftaufwand selbst mehr Energie investiert. Das alles geschieht ausgesprochen leise, weshalb der Antrieb gerade auf längeren Strecken seine Vorzüge hat.
Bei ausgeschaltetem Motor im Off-Modus spürt ihr keinerlei Tretwiderstand. Aufgrund des Gewichts von etwas mehr 14 Kilogramm für das Ampler Curt und rund 17 Kilogramm für das Ampler Curt Anyroad kommt ihr mit diesen E-Bikes recht problemlos voran, sobald mal unerwartet der Akku vollständig entladen sein sollte. Dessen Kapazität beträgt 336 Wattstunden. Damit reicht er nahe an den iX350 des Mahle X20 heran und liegt deutlich über dem i250 des Mahle X35. Genau wie bei dem System von Mahle lässt sich der Akku zum Service entnehmen. Ansonsten ist er aber fest im Unterrohr integriert. Als durchschnittliche Reichweite nennt Ampler 60 Kilometer. Je nach Witterung, Untergrund, Reifenwahl etc. kann es auch darüber hinausgehen.
Einfach, aber nicht beschränkt
Einfluss hat zudem, wie ihr in der App von Ampler den Motor eingestellt habt. Definieren lässt sich etwa, ab welcher Geschwindigkeit der Motor seine Unterstützung einstellt und mit wie viel Prozent er euch unterstützt. Zum E-Bike-System gehören ein GPS-Modul und ein GSM-Modul. Das ermöglicht zum Beispiel Updates-oder-the-air. In der App könnt ihr weiterhin Push-Nachrichten erhalten, wenn euer E-Bike bewegt wird, obwohl ihr es abgeschlossen habt. Zudem könnt ihr prüfen, wo ihr es abgestellt habt und durch Ampler den Antrieb aus der Ferne sperren lassen, sollte es gestohlen worden sein.
Seit jeher setzt Ampler auf ein schlichtes TFT-Display, das auf der Oberseite des Oberrohrs integriert ist. Das bleibt auch mit der Präsentation der Curt Anyroad-Modelle so. In jedem Fahrmodus zeigt es euch die wichtigsten Informationen an:
- Gewählte Unterstützungsstufe
- Verbleidende Reichweite in Kilometer
- Aktueller Ladezustand des Akkus
- Strecke
- Durchschnittgeschwindigkeit
Bedient wird es über den einzigen Taster am gesamten E-Bike. Dieser sitzt auf der Höhe des Displays an der Unterseite des Oberrohrs. Mit kurzem und langem Tastendruck steuert ihr das System, schaltet es und aus wechselt die Fahrmodi, aktiviert das Licht. Während der Fahrt geht das Display in einen Ruhe-Modus, in dem die Anzeige erlischt. Ein kurzer Tastendruck lässt die Infos zurückkehren.
Ein fast komplettes Paket
Alle Modelle verbindet außerdem die serienmäßige Ausstattung mit Schutzblechen, einem Seitenständer sowie eine StVZO-konformen Beleuchtung. Letztgenannte umfasst die Sattelstütze mit den integrierten LEDs von Lightskin. Extras wie der für eine Zuladung von 15 Kilogramm zugelassen Gepäckträger kommen zum Kaufpreis hinzu.
Sowohl für das Curt Anyroad als auch für das Curt starten die Preise bei 3.690 Euro. Über die Webseite von Ampler könnt ihr die Modelle bereits jetzt bestellen. Je nach Ausstattung, Rahmenform, Rahmengröße und Farbwunsch verzögert sich die Auslieferung jedoch teilweise bis in den Juni 2024 hinein.
Ampler Curt Anyroad im Überblick
- Rahmen: Aluminium 6061
- Rahmengrößen: S, M, L (Diamantrahmen) / S, M (Trapezrahmen)
- Gabel: Aluminium
- Motor: Ampler Heckmotor, 250 W Nennleistung
- Akku: Integrierter Ampler Akku, 336 Wh
- Bedieneinheit: im Oberrohr integriert
- Antrieb: Microshift Advent X
- Bremsen: Shimano M6100
- Gewicht: 16,9 kg
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 120 kg
- Farben: Schwarz, Silber, Lavendel
- Preis: 3.690 Euro
Ampler Curt im Überblick
- Rahmen: Aluminium 6061
- Rahmengrößen: S, M, L (Diamantrahmen) / S, M (Trapezrahmen)
- Gabel: Carbon
- Motor: Ampler Heckmotor, 250 W Nennleistung
- Akku: Integrierter Ampler Akku, 336 Wh
- Bedieneinheit: im Oberrohr integriert
- Antrieb: Singlespeed
- Bremsen: Shimano M6100
- Gewicht: 14,4 kg
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 120 kg
- Farben: Schwarz, Silber, Lavendel
- Preis: 3.690 Euro
Bilder: Ampler Bikes OÜ
Sind Steigungen mit Heckantrieb möglich? Erfahrung Erhitzung und Öl läuft aus.
Habt Ihr eine Zweigstelle in Hamburg und Berlin?
Eine Rückmeldung wäre nett.
Grüße
Hallo,
unserer Erfahrung nach kannst du mit dem Nabenantrieb von Ampler zuverlässig auch in den Bergen fahren. Genauer kann dir deine Frage aber sicher der Hersteller sicher selbst beantworten. Daher wende dich doch gern einmal direkt an ihn. In Deutschland ist Ampler übrigens nur über einen Showroom in Berlin direkt präsent.
Sportliche Grüße, Matthias