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„Wer weniger als 1.500 Euro verdient, kauft kein E-Bike.“

Marion Jungbluth leitet beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) das Team Mobilität und Reisen

Anfang des Jahres veröffentlichte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine repräsentative Umfrage unter BesitzerInnen von E-Bikes. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse kritisierte er teilweise zu hohe Preise für E-Bikes und E-Bike-Akkus. Außerdem forderte der Verband, dass Akkus generell am E-Bike entnehmbar sein sollten und Hersteller diverse Ersatzteile länger als bisher verfügbar halten müssten. Genügend Gesprächsstoff also, um bei einigen Punkten genauer nachzuhaken. Rede und Antwort gab uns exklusiv Marion Jungbluth, Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim vzbv.

Frau Jungbluth, seit ungefähr zehn Jahren beschäftigt sich der vzbv mit Pedelecs und E-Bikes. Welchen Stellenwert nehmen diese Fahrräder aktuell aus Ihrer Sicht ein?
E-Bikes sind eine ganz wichtige Mobilitätsform für VerbraucherInnen. Das gilt generell im Vergleich mit dem Auto und in Zeiten der Corona-Pandemie ebenfalls gegenüber dem öffentlichen Nahverkehr. Viele Leute meiden derzeit engeren Kontakt zu Fremden.

Und wenn wir die Pandemie für einen Moment ausklammern?
Dann bleiben noch etliche Vorteile übrig. Mit einem E-Bike ist man in vielen Situation sehr bequem unterwegs: auf langen Strecken, bei windigem Wetter, in hügeliger Umgebung, mit hohem Körpergewicht oder bei körperlichen Einschränkungen. Nach der Arbeit fühle ich mich selbst öfter richtig geschafft. Da wünsche ich mir auf dem Weg nach Hause mit meinem gewöhnlichen Fahrrad ab und zu auch ein wenig Unterstützung.

Aus Sicht der Verbraucherinnen ist aber noch längst nicht alles rosig. Mit welchen Problemen treten die Menschen an Sie heran?
Aktuell erreichen uns tatsächlich wieder verstärkt Beschwerden. Akkus würden nicht halten, was sie versprechen. Mitunter gäbe es keine Ersatzakkus mehr. Außerdem berichten die Menschen von Schwierigkeiten, ihre E-Bikes vom Fachhandel repariert zu bekommen. In nicht jeder Werkstatt scheint da schon genügend Knowhow vorhanden zu sein.

Welche Gründe hat dies?
An manchen Stellen scheint das Handwerk noch nicht immer mit den neuen Gegebenheiten der Elektromobilität Schritthalten zu können. Ein Hebel müsste eine Veränderung der Aus- und Weiterbildung sein. Wir werden das Thema mit unserem Verbandsmitglied, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, besprechen.

Wand mit Werkzeug in einer Fahrradwerkstatt

Das Werkzeug zur Reparatur von E-Bikes ist den meisten Fahrradwerkstätten vorhanden – das Wissen dagegen nicht überall.

Reichlich Bewegung herrscht dagegen bei den Preisen für E-Bikes. Vor fünf Jahren lag der durchschnittliche Verkaufspreis noch bei rund 2.000 Euro. Laut Statistischem Bundesamt steigt dieser Wert im Jahre 2019 auf 2.440 Euro an. Der vzbv kritisiert diese Entwicklung.
Auf alle Fälle sehen wir für das Jahr 2020 einen erneuten Anstieg auf 2.817 Euro. Das ist schon extrem. Wie kann das eigentlich sein? Der Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage ist sicher einer der Gründe. Zudem fallen die Margen für die Fahrradhersteller wohl nicht so schlecht aus. Zumindest nach dem, was wir so hören. Als VerbraucherschützerInnen sagen wir klipp und klar: Wer die Verkehrswende ernsthaft will, muss die Produkte preislich so attraktiv gestalten, dass sich genügend Leute diese leisten können. Sonst bleiben Menschen zurück und das ganze Vorhaben scheitert.

Was wäre ein Preis für ein neues E-Bike, den sich die meisten leisten können?
Mit einem exakten Wert kann ich nicht dienen. Unsere Untersuchungen zeigen jedoch deutlich: Wer monatlich weniger als 1.500 Euro verdient, denkt nicht einmal über den Kauf eines E-Bikes nach. Schlichtweg, weil es zu teuer ist.

Zusammenhang zwischen Einkommen und Kaufabsicht für ein E-Bike

Bei einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 1.500 Euro pro Haushalt ist der Kauf eines E-Bikes kaum ein Thema.

Wie ließe sich dieses Problem lösen?
Mehr Wettbewerb, ganz einfach. Erfahrungsgemäß pendeln sich dann die Preise auf einem realistischeren Niveau ein. Das ist momentan so nicht gegeben. Ich gönne der Fahrradbranche ihre Gewinne. Wirklich. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass sich hier etwas bewegen muss, wenn wir bei der Verkehrs- und Klimawende wirklich alle mitnehmen wollen.

Fehlt es an Billig-Angeboten?
Nun, die Qualität muss natürlich stimmen. Wer sich beispielsweise aufwändig 2.000 Euro zusammenspart und dafür ein E-Bike kauft, sollte nicht das Pech haben, dass dies nur vier Jahre lang hält. Wenn ich viel Geld investiere, sollte das Produkt entsprechend langlebig sein. Nur über den Preis zu gehen, ist keine Lösung. Das bringt schnell andere Probleme mit sich. Zum Beispiel wird es dann oft noch schwieriger, solche E-Bikes im Fachhandel repariert zu bekommen.

Neben teilweise zu hohen Preisen für E-Bikes bemängelt der vzbv, dass beim Kauf mancher Akkus zu hohe Kosten anfielen. Gibt es hier einen Grenzwert, der aus Ihrer Sicht nicht überschritten werden sollte?
Nein. Wir schauen eher auf die Kosten für einen gesamten Produktlebenszyklus. Wer ein E-Bike 15 Jahre lang fahren möchte, braucht in dieser Zeit mindestens zwei neue Akkus. Der Kaufpreis für das E-Bike und die Preise für die Ersatzakkus sollten in einem vernünftigen Verhältnis zu einander stehen. Nehmen wir an, ein neues E-Bike kostet 2.500 Euro und sie erhalten für jeweils 500 Euro einen weiteren Akku. Das macht unter dem Strich 3.500 Euro in 15 Jahren. Solch einen transparenten Richtwert sollten VerbraucherInnen bereits beim Kauf das Fahrrades erhalten. Vorgaben, was bestimmte Dinge kosten dürfen, machen wir in keinem Markt. Wie gesagt, wir setzen wir auf den Wettbewerb. Solange die dort aufgerufenen Preise in einem vertretbaren Verhältnis zu den dafür aufgewendeten Ressourcen stehen.

Bessere Ökobilanz für E-Bikes bei längerer Nutzungsdauer

Eine längere Nutzungsdauer verbessert die Ökobilanz von E-Bikes messbar.

Ausschlaggebend ist also nicht nur der Preis allein?
Auf keinen Fall. Nur die Kosten betrachtet, wäre es etwa vorstellbar, sich innerhalb von 15 Jahren drei billige E-Bikes zu kaufen. Nachhaltig wäre das überhaupt nicht. Wünschenswerter ist es, sich nur eines kaufen zu müssen, welches auch so lange seinen Dienst tut. Das muss aber trotzdem bezahlbar bleiben.

Welche Haltbarkeit erwarten denn die VerbraucherInnen?
Eine erschreckend niedrige, um ehrlich zu sein. In unserer aktuellsten Umfrage haben 27 Prozent der Leute geantwortet, dass sie von allenfalls fünf Jahren ausgehen. Für die Branche ist das nicht unbedingt schmeichelhaft. Immerhin 43 Prozent rechnen übrigens mit zehn Jahren. Nur jeder Zwanzigste glaubt, ein heutiges E-Bike würde mehr als zehn Jahre überdauern.

Was wünschen sich die Menschen stattdessen?
Viele möchten ihr E-Bike sehr lange fahren. Mit 39 Prozent wünscht sich der größte Teil zehn Jahre und mehr. Für gerade einmal jeden Zehnten wären maximal fünf Jahre genug.

Am Freitag folgt der zweite Teil des Gesprächs. Dann geht’s unter anderem um die Frage, ob Akkus stets an einem E-Bike für euch herausnehmbar sein sollten.

 

Bilder: Verbraucherzentrale Bundesverband; Kantar GmbH; pixabay

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