E-Bike-Akkus sind auch nur Menschen. Herrschen draußen große Kälte, geht das nicht spurlos an ihnen vorüber. Irgendetwas geschieht mit ihnen. Der Akku, der euch vor kurzem noch auf beispielsweise 80 Kilometern klaglos unterstützte, mag plötzlich schon nach 60 Kilometern nicht mehr. Warum verkürzt sich im Winter die Reichweite des Akkus am E-Bike?
1. Grundlagen zur Funktionsweise eines E-Bike-Akkus
2. Was bedeutet ein durch Kälte verlangsamter Stromfluss für den Akku im E-Bike?
3. Alter oder neuer Akku – macht das einen Unterschied?
4. So lagert ihr euren E-Bike-Akku im Winter richtig
5. Tipps für das E-Bike-Fahren im Winter
6. Ausblick auf bessere Zeiten?
7. Lohnt sich eine Schutzhülle für einen E-Bike-Akku?
1. Grundlagen zur Funktionsweise eines E-Bike-Akkus
Wer wissen möchte, was der Frost im Akku auslöst, muss sich – wohl oder übel – an die eigene Schulzeit erinnern. Physik und Chemie sind gefragt. Vermutlich nicht unbedingt die Lieblingsfächer von allen. Das Thema lautet: Stromkreislauf. Bei Begriffen wie Kathode als Bezeichnung für den Minuspol und Anode als Bezeichnung für den Pluspol macht es bestimmt klick. Diese beiden gehören zu einem Akku. Beim Entladen gelangen positive Lithium-Ionen von der Kathode zur Anode, damit elektrischer Strom fließt. Während des Ladens vollziehen die Teilchen eine komplette Kehrtwende und streben von der Anode zur Kathode.
Leider passiert dies nicht im luftleeren Raum. Dann hätte sich unser Kälteproblem schnell erledigt. Stattdessen ist der Prozess an ein Medium gekoppelt, das Elektrolyt. Jene chemische Lösung gilt bei jedem Hersteller von Akkus als ein wohlgehütetes Betriebsgeheimnis. Gemein ist ihnen jedoch, dass sie bei sinkenden Temperaturen immer träger werden und in einen zähflüssigeren Zustand wechseln. Das erschwert den Ionen das Hin und Her zwischen den verschiedenen Polen. Der Kraftakt lässt den inneren Widerstand des Akkus ansteigen. Schlussendlich verlangsamt sich der Stromfluss und der Akku verliert an Leistungsfähigkeit.
In heutigen E-Bike-Akku sorgt das Batteriemanagementsystem (BMS) dafür, dass dieser Prozess nicht ins Unendliche getrieben wird. Gäbe es keine Sicherheitsmaßnahmen, könnte die Kälte den Akku sogar vollends zerstören. Kennt ihr vielleicht von dem einen oder anderen Smartphone. Darin sind ähnliche Systeme verbaut, die einen automatischen Shutdown veranlassen, um ein solches Fiasko zu verhindern.
2. Was bedeutet ein durch Kälte verlangsamter Stromfluss für den Akku im E-Bike?
Moderne BMS bewahren uns und den Akku also vor dem Schlimmsten. Naturgesetze und die ihnen folgenden chemischen und physikalischen Reaktionen können sie allerdings noch nicht austricksen. Folglich verliert ein Akku bereits ab Temperaturen von weniger als zehn Grad Celsius an Leistungsfähigkeit, was sich beim E-Bike in geringeren Reichweiten niederschlägt. Ob das linear, exponentiell oder wie auch immer verläuft und zu welchen Verlustraten dies führt, können wir euch nicht sagen. Unseres Wissens gibt es bis heute keine wissenschaftlich fundierten Studien, die untersuchen, wie sich der Winter mit Frost und Kälte auf den Akku am E-Bike auswirken.
Etwas Licht ins Dunkel bringen Untersuchungen an E-Autos. Im Januar 2024 veröffentlichte zum Beispiel der ADAC die Ergebnisse eigener Untersuchungen. Der Artikel „Elektroauto im Winter: So wirkt sich Kälte auf Verbrauch und Reichweite aus“ beschrieb, wie für einen Test verschiedene Elektroautos auf eine Temperatur -7 °C heruntergekühlt wurden, um anschließend innerhalb von 30 Minuten eine genormte Teststrecke von 23 Kilometern zurückzulegen. Aufgrund der frostigen Bedingungen sank die Reichweite der E-Autos um durchschnittlich 40 Prozent.
Noch etwas drastischer zeigt sich der Effekt von Kälte im Winter auf einen Akku bei einer Analyse von Geotab aus dem Jahre 2023. Der Hersteller von Telematiklösungen für Fahrzeuge untersuchte die anonymisierten Daten von 5,2 Millionen Fahrten aus 4.200 Elektrofahrzeugen. Sank die Temperatur auf -15 Grad Celsius, verloren die Fahrzeuge 46 Prozent ihrer Nennreichweite.
Ja, E-Autos sind keine E-Bikes. Dennoch zeigen die Untersuchungen auf, von welchen Maßstäben ihr ausgehen könnt. Diesbezüglich ist es relativ egal, ob wir über die Auswirkungen des Winters für einen E-Bike-Akku von Bosch oder anderer Hersteller reden. Gegenüber der Online-Ausgabe des im Olympia-Verlags erscheinenden Magazins Alpin nannte ein nicht namentlich erwähnter Mitarbeiter des Fahrradherstellers Scott 75 Prozent als erwartbare Größe für die Reichweite des Akkus bei Minusgraden. Verglichen mit den eben erwähnten Analysen klingt der Wert sogar noch recht optimistisch. Wie gesagt, das BMS reagiert sehr wohl auf kühlere Umgebungstemperaturen und kühlere Eigentemperaturen des Akkus. Normalerweise seht ihr auf eurem Display auch das Ergebnis der jeweiligen Berechnung, sodass ihr der Angabe tendenziell eher glauben könnt. Auch wenn das die Anzeige euch vielleicht frustriert aufstöhnen lässt.
3. Alter oder neuer Akku – macht das einen Unterschied?
Weniger überraschend bereitet Kälte einem älteren E-Bike-Akku im Winter tatsächlich eher Probleme. Da ist er wieder, der menschliche Faktor. Genau wie wir altern auch Batterien grundsätzlich. Neben den schieren Jahren sind vor allem die Anzahl der jeweiligen Ladezyklen entscheidend. Je älter ein Akku ist und je öfter er schon komplett ge- und entladen wurde, desto mehr Schäden finden sich in seiner Struktur. Ein weiterer Grund dafür, warum die elektrische Spannung bei einsetzendem Frost in einem E-Bike-Akku abrupt sinken kann.
4. So lagert ihr euren E-Bike-Akku im Winter richtig
Wie allgemein bekannt, liegt die ideale Temperatur für Lithium-Ionen-Akkus liegt bei ungefähr 20 Grad Celsius. Am besten also, ihr gönnt eurem E-Bike über den Winter einfach einen Urlaub an einem Ort mit etwa dieser Temperatur. Wie es zum Beispiel mit den Kanaren? Für alle, die nicht weg wollen oder können, haben wir drei rudimentäre Tipps:
- Ladet den E-Bike-Akku bei Zimmertemperatur auf. Das Laden in der Kälte schadet Lithium-Ionen-Akkus nachweislich. Kommt der Akku aus der Kälte, lasst ihn sich ausreichend lang akklimatisieren und steckt ihr erst dann an das Ladegerät.
- Lagert euren Akku, im E-Bike oder separat, wenn möglich über Nacht bei Temperaturen zwischen 15 Grad Celsius und 25 Grad Celsius.
- Vermeidet schnelle Wechsel zwischen kalt und warm. Dadurch setzt sich eventuell Kondensat im Akku ab. Und welche Folgen Nässe für ein elektrisches Gerät haben kann, muss an der Stelle sicher niemandem erklärt werden.
5. Tipps für das E-Bike-Fahren im Winter
Abgesehen von einem korrekten Lagern könnt ihr mit einem angepassten Fahrverhalten das Leben für den Akku eures E-Bikes in der Kälte erleichtern. Beeinflussbar sind vor allem zwei wichtige Faktoren: der Umgang mit dem E-Antrieb sowie die Ausstattung. Einen merklichen Vorteil von vornherein haben alle, deren Akku vollständig im E-Bike integriert ist. Der Rahmen wirkt ein wenig wie ein Schal. Er hält nicht nur besser den Frost ab, sondern sorgt auch dafür, dass sich der Akku während der Fahrt schneller erwärmt. Davon abgesehen tun ihm folgende Punkte gut:
- Bei Kälte den E-Bike-Akku mit Bedacht warmfahren und so die Betriebstemperatur langsam erhöhen. Ein Start in der höchsten Unterstützungsstufe schadet den Akkuzellen.
- Ist die Betriebstemperatur erreicht, in kräftigeren Fahrmodus wechseln. Dies stabilisiert die Betriebstemperatur auf einem höheren Level.
- Vermeidet kurze Fahrten mit direkt darauffolgenden langen Standzeiten.
Selbst wenn ihr all diese Tipps beherzigt, verschwinden damit nicht alle Herausforderungen, die Kälte an den E-Bike-Akku stellt. Bleiben wird beispielsweise der enorme Rollwiderstand, mit dem der Schnee im Winter euer Vorankommen bremst. Auch der Schlupf bei rutschigen Bedingungen lässt den Akkuverbrauch ansteigen. Und sind trotz frostiger Temperaturen Straßen und Wege frei, rauben euch Winterreifen aufgrund ihrer eher weicheren Gummimischung oder den eingearbeiteten Spikes wertvolle Wattstunden. Immerhin kommt dies aber eurer Fahrsicherheit zugute.
6. Ausblick auf bessere Zeiten?
Möglicherweise haben sich bereits in einigen Jahren diese Tipps erübrigt. Mit dem Boom des E-Autos gewinnt natürlich auch die Wintertauglichkeit von Lithium-Ionen-Akkus an neuer Brisanz. In vielen Ecken der Welt laufen Forschungslabore auf Hochtouren – und vermelden erste Erfolge. So haben Mitarbeitende der Jiatong-Universität in Peking und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften einen Akku entwickelt, der bei Temperaturen im Minus-Bereich trotzdem rund 86 Prozent seiner Ladekapazität abrufen kann. Forschende der University of California San Diego setzen sogar noch einen drauf. Ein Prototyp ihres Akkus weist bei minus 40 Grad Celsius noch rund 88 Prozent seiner Kapazität auf. Eine Ursache für die Fortschritte liegen dort zum Beispiel in einem neuartigen Elektrolyt, das auf einem Mix aus Dibutylether und Lithiumsalz beruht.
Hinzukommt die intensive Forschung zu den Akkus mit Feststoffzellenbatterien. Diese Technologie ersetzt das flüssige durch ein festes Elektrolyt. Von dem wird erwartet, dass es weniger stark auf Frost und Kälte reagiert. Ein E-Bike-Akku mit einer Solid State-Zelle würde im Winter womöglich genauso gut funktionieren wie im Sommer.
7. Lohnt sich eine Schutzhülle für einen E-Bike-Akku?
Bis solche Technologien in Akkus für E-Bikes auftauchen, vergehen garantiert noch etliche Jahre. Bis dahin könnt ihr dem Akku eures Fahrrades eine zusätzliche Schutzhülle verpassen. Solche aus Neopren gefertigten Cover bieten sowohl Fahrradhersteller selbst als auch Spezialisten wie Fahrer aus Berlin an. Das Prinzip diese Isolierung ist denkbar einfach. Während des Motor läuft und der Akku den für die Unterstützung nötigen Strom liefert, erwärmt er sich gleichzeitig. Diese Wärme strahlt gewöhnlich ungebremst in die Umgebung ab und geht aus Sicht des Akkus selbst somit verloren. Mit einer Neopren-Schutzhülle behält der E-Bike-Akku im Winter eine höhere Eigentemperatur, funktioniert besser und verringert so den unvermeidbaren Verlust an Reichweite.
Wie viel Nutzen dieses wärmende Winterkleid bietet, wird in diversen Foren und Youtube-Kanälen fleißig diskutiert. Im Wust der unterschiedlichsten Meinungen und Erfahrungsberichte glauben wir, folgende vier Erkenntnisse als relativ gesichert erkannt zu haben:
- Eine Schutzhülle lässt den Akku während und nach der Fahrt weniger schnell auskühlen.
- Der Temperaturunterschied zwischen dem Fahren mit und ohne Hülle fällt in niedrigeren Unterstützungsstufen größer aus. In höheren Fahrmodi entwickelt der Akku so viel Eigenwärme, dass sich der Effekt des Covers weniger zeigt.
- Ab Temperaturen von minus fünf Grad Celsius und kälter erhöht sich die Schutzwirkung der Neoprenhülle deutlich.
- Wer Schutzhülle und E-Bike-Akku vorher bei Zimmertemperatur gelagert hat und beides erst vor kurz Fahrtantritt am E-Bike anbringt, erhöht den Wärmeschutz zusätzlich.
In dem Sinne, stets eine wohltemperierte Fahrt.
Bilder: Bosch eBike Systems; retyre AS