Niederlande, Dänemark und Deutschland – drei europäische Länder mit geballter Kompetenz auf dem Gebiet elektrisch unterstützter Lastenfahrräder. Das sieht der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e. V. (ADAC) ganz ähnlich. Für seinen Test einspuriger E-Cargobikes hat er sich bei insgesamt sechs Herstellern aus genau diesen Ländern bedient und deren Longjohns einem ausführlichen Check unterzogen. Den Sieg holt Muli Cycles mit dem „Muli Motor st“ dabei nach Deutschland.
Kinder mit Hauptrolle
Ein meist kleineres Laufrad vorn, ein größeres hinten und der Platz zwischen Vorderrad und Steuerohr dient als Ladefläche. Mit dieser Grundcharakteristik haben sich Longjohns ihren Platz auf den hiesigen Straßen erobert und erfreuen sich seit Jahren wachsender Beliebtheit. Aus dem inzwischen mehr als reichhaltigen Angebot an solchen Lastenrädern hat der ADAC beispielhaft sechs Modelle näher unter die Lupe genommen:
- Babboe „City-E“
- Bullitt „eBullitt 6100“
- Muli Cycles „Muli Motor st˝
- Prophete „Cargo Plus E-Bike“
- Triobike „Cargo“
- Urban Arrow „Family“
Alle aufgeführten Bikes lassen sich grundsätzlich zu ganz verschiedenen Zwecken nutzen. Der ADAC konzentrierte sich in seinem jetzt veröffentlichten Test vorrangig um das Befördern von Kindern. Aspekten, die insbesondere für den Lastentransport relevant sind, wurde weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Das solltet ihr im Hinterkopf behalten, wenn es um die Bewertung der Modelle geht.
Welche Eigenschaften sind relevant?
Mit dem Fokus auf den Kindertransport hat sich der ADAC vor allem folgenden Eigenschaften gewidmet:
- Wie lässt sich das Fahrrad fahren, sowohl im unbeladenen Zustand als auch mit Passagieren an Bord?
- Was leistet das verbaute E-Bike-System?
- Mit welcher Schaltung wird es kombiniert?
- Wie zeigt sich das Fahrrad im Alltag, zum Beispiel beim Einsteigen in und Aussteigen aus der Box, beim Verstauen von kleineren Utensilien oder beim Abstellen?
- Wie sicher ist das Fahren mit dem Fahrrad für die Fahrenden und die Passagiere?
- Welche Materialien verwendet der Hersteller für die einzelnen Komponenten?
Die Matrix ist vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss. Dennoch vermittelt sie einen guten Eindruck, wie komplex eigentlich eine solch scheinbar einfache Frage ist wie „Was macht ein gutes E-Lastenfahrrad aus?“. So gab es zum Beispiel Abstriche für das Babboe, weil ihr bei größeren Lenkeinschlägen mit dem Lenker an den Kopf der Kinder anstoßen könnt, wenn diese groß genug sind und einen Helm tragen. Der Regenschutz von Prophete berücksichtigt ebenfalls nicht ausreichend die mögliche Körpergröße der Passagiere. Kinder ragen mit ihrem Helm deutlich über die eigentliche Höhe der Kabine hinaus.
Teilweise essentielle Mängel
Zum Nicht-Bestehen des Tests führte beim Modell von Bullit die Tatsache, dass der ADAC im Test auf verbotene Schadstoffe stieß, die sich in den Gurten der Kindersitze fanden. Es sei möglich, dass Kinder während der Fahrt auf den Enden der Gurte herumkauen und so gesundheitsgefährdende Weichmacher aufnehmen. Konsequenterweise vergab der ADAC in der Kategorie „Schadstoffe“ die Note „mangelhaft“, was zwangsläufig das identische Urteil in der Gesamtnote nach sich zog. Ohne diese Kategorie wäre das Fahrrad auf Platz zwei im Test eingekommen.
Nicht wirklich begeistert zeigte sich der ADAC von der Reichweite der Lastenfahrräder. Die ermittelten 40 bis 60 Kilometer seien recht knapp bemessen, wolle man eine komplette Woche im Alltag ohne ein Aufladen der Akkus auskommen. Diese Einschätzung gilt für das gesamte Teilnehmerfeld.
Beim Blick auf die Ladezeit stach speziell das „City-E“ von Babboe negativ hervor. Mehr als sieben Stunden dauerte es, bis der Akku von Null startend wieder seine komplette Kapazität erreicht hatte. Auf welchen Akku sich das konkret bezieht, geht aus den Informationen des ADAC jedoch nicht hervor. An sich sind Varianten mit 450 Wattstunden und 500 Wattstunden erhältlich. Die anderen Bikes unterboten mit Werten zwischen drei und fünf Stunden die Vorgabe des Babboe deutlich.
Testsieger ausgerechnet das kleinste Bike
Am Ende ging das „Muli Motor st“ von Muli Cycles mit einer Gesamtnote von 2,1 als Sieger aus dem Test hervor. Auch das „Family“ von Urban Arrow sicherte sich mit 2,4 noch ein „gut“. Die Note von 2,6 bedeutete ein „befriedigend“ für das „Cargo Plus E-Bike“ von Prophete sowie für das „Cargo“ von Triobike. Zu den bereits erwähnten Kritikpunkten beim „City-E“ von Babboe kam noch ein verbesserungswürdiges Verhalten in engen Kurven hinzu, bei dem das kurveninnere Pedal in der unteren Stellung sehr schnell auf dem Untergrund schleifen und sich das Vorderrad plötzlich unerwartet stark zum Kurveninneren neigen kann. Unter dem Strich steht bei ihm eine Gesamtnote von 3,1, was noch für das Urteil „befriedigend“ reicht.
Am Modell von Muli Cycles lobt der ADAC das Fahrverhalten. Diese sei am ehesten mit dem eines herkömmlichen Fahrrades vergleich, weil der Radstand und die Gesamtlänge des Fahrrades relativ niedrig ausfallen. Entsprechend kleiner und weiniger belastbar ist allerdings die Cargobox. In die dürft ihr maximal 70 Kilogramm an Gewicht hineinpacken. Beim Urban Arrow „Family“ sind es 55 Kilogramm mehr. Bezogen auf eure individuellen Anforderungen könnte eure Rangliste demnach durchaus anders aussehen, als die des ADAC. Zumal Urban Arrow Platz für drei Kinder in der Kabine bietet, während beim Muli Motor st bei zwei Kindern definitiv Schluss ist. Und die sitzen zudem merklich enger beieinander.
Mit dem geringen Wendekreis, der faltbaren Cargobox und seinem Verzicht auf Schadstoffe sammelte das in Deutschland hergestellte Fahrrad dagegen die Pluspunkte, mit denen es sich letztendlich von der Konkurrenz absetzen konnte.
Bilder: ADAC e.V.; ADAC/Test und Technik; Elektrofahrrad24