Wie wirkt sich das Pendeln auf unsere Gesundheit aus? Das haben sechs Wissenschaftler vom Londoner Imperial College, der Universität Cambridge und der London School of Hygiene & Tropical Medicine untersucht. Ihr Ergebnis: Die gesündeste Art, zur Arbeit zu kommen, ist per Fahrrad. Pendler, die zum Bike greifen, leben länger, sterben seltener an Herz-Kreislauferkrankungen und erkranken seltener an Krebs. Wenn das keine Zusatzmotivation fürs Radeln ist!
Zahlen verdeutlichen gesundheitsfördernden Effekt des Radfahrens
In der Studie, die auf Daten aus England und Wales basiert, werden fünf verschiedene Arten der Mobilität miteinander verglichen: das Fahren mit dem privaten Pkw oder Motorrad, mit dem Zug, mit dem Bus, das Gehen zu Fuß und eben das Fahrradfahren. Als Bezugsgröße galt stets das Pendeln mit dem motorisierten Privatfahrzeug. Im Vergleich dazu attestieren die Wissenschaftler dem Radfahren einen deutlich gesundheitsfördernden Effekt. Die allgemeine Sterblichkeitsrate liegt bei Bikerinnen und Bikern um 20 Prozent niedriger. Noch gravierender ist die Diskrepanz mit Blick auf die Sterblichkeitsrate bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hier fällt die Quote sogar um 24 Prozent niedriger aus.
Ähnliches zeigt sich in Bezug auf Krebserkrankungen. Pendler, die mit dem Bike unterwegs sind, weisen eine um elf Prozent geringere Rate an Krebserkrankungen auf. Die Sterblichkeitsrate bei diesem Krankheitsbild liegt 16 Prozent unter dem Vergleichswert der Auto- und Motorradfahrer.
Auch andere Formen des Pendelns mit positivem Effekt
Auch die Gruppen der Bus- und Bahn-Pendler leben dank ihrer Art der Fortbewegung gesünder. Da sie sehr ähnliche Ergebnisse zeigen, fassen die Autoren beide zusammen. Bei ihnen liegt die allgemeine Sterblichkeitsrate zehn Prozent niedriger als bei den motorisierten Individualpendlern. Die Sterberate bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen fällt um 21 Prozent geringer aus, die Rate der Krebserkrankungen um zwölf Prozent.
Bei den Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, sind die Resultate nicht so eindeutig. Verlässlich feststellen lässt sich jedoch eine um sieben Prozent geringere Krebshäufigkeit. Eine wichtige Erkenntnis der Forscher ist zudem, dass diese Analysen für alle sozioökonomischen Gruppen gelten. In der Konsequenz bedeutet das: Wenn ihr zur Arbeit radelt, tut ihr damit eurer Gesundheit definitiv etwas Gutes. Egal, welches Einkommen oder welche berufliche Position ihr innehabt!
Welcher Aspekt des Pendelns wie viel zum Wohlergehen beiträgt, haben die Forscher nicht konkret benannt. Ihrer Ansicht nach sind die körperliche Aktivität und das Einatmen von verschmutzter Luft auf alle zwei Variablen in diesem Zusammenhang. Die körperliche Aktivität spiele vermutlich die größere Rolle. An sich seien aber auch Lärm und Stress zu berücksichtigen. Dazu lägen jedoch keine wissenschaftlich belastbaren Ergebnisse vor.
Mobilität in Großbritannien im Wandel
Der Ist-Stand des Pendlerverkehrs in England und Wales steht aktuell ausgesprochen konträr zum Fazit der Studie. Pendler steigen zu 67 Prozent am häufigsten ins Auto und aufs Motorrad. Danach folgen mit 18 Prozent Bus und Bahn. Zu Fuß gehen immerhin elf Prozent auf Arbeit. Das Radfahren findet sich mit drei Prozent derzeit abgeschlagen am Ende dieser Liste. Es gibt jedoch Unterschiede im Pendelverkehr. In städtischen Gebieten mit effizienten öffentlichen Verkehrssystemen und kürzeren Entfernungen sind Bus, Bahn und zu Fuß gehen entsprechend stärker vertreten. In ländlichen Gebieten liegen Wohn- und Arbeitsort meist weiter voneinander entfernt. Gleichzeitig sind Bus- und Bahnnetze weniger gut ausgebaut. Die Bewohner tendieren folglich stärker zum Auto.
Auch in Großbritannien gibt es im Zuge der Corona-Pandemie ernsthafte Anstrengungen, diese Verhältnisse zu ändern. Den Anfang dafür machen gerade gestartete Mobilitätskonzepte wie die des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan. Der hat veranlasst, dass jetzt im Kern der britischen Hauptstadt bestimmte Straßen zu reinen Fußgänger- und Fahrradzonen umfunktioniert werden. Auf weiteren Straßen kommt lediglich der Busverkehr hinzu. Das schottische Parlament hat zehn Millionen Pfund für das errichten von Pop-Up-Fußgänger- und Fahrradwegen bewilligt. In Manchester entstehen im Stadtteil Deansgate ebenfalls neue Fußgängerzonen.
Hintergrund: Reichhaltige Daten – und doch klar begrenzte Aussagekraft
Die Wissenschaftler nutzten 394.746 Datensätze des Office for National Statistics (ONS). Berücksichtigt wurden in England und Wales wohnende Personen, die im britischen Zensus zwischen 1991 und 2011 geführt waren und in diesem Zeitraum einer Arbeit außerhalb des eigenen Zuhauses nachgingen. Außerdem waren die Personen zu jedem Zeitpunkt mindestens 16 Jahre alt. Die Daten des ONS sind verknüpft mit dem National Cancer Registration and Analysis Service (England) und dem Welsh Cancer Intelligence and Surveillance Unit (Wales). So konnten die Forscher die Verbindungen zu den Krankheiten herstellen.
Wie jede wissenschaftliche Studie unterliegt auch diese Analyse gewissen Einschränkungen. So deckt das Datenmaterial zwar den Zeitraum von 1991 bis 2011 ab. Innerhalb dieser Periode haben die Personen aber nur bestenfalls dreimal stichprobenartig eine Angabe gemacht. Es handelt sich also nicht um eine zeitlich lückenlose Erfassung. Pendeln Menschen an bestimmten Tagen mit verschiedenen Transportmitteln, bildet das die Studie nicht ab. Ob täglich gependelt wurde oder nur an bestimmten Tagen, Stichwort Teilzeitarbeit, konnte ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Zudem floss eine Vielzahl von Begleitumständen nicht ein, die nach Einschätzung der Wissenschaftler die Ergebnisse aber sehr wohl beeinflusst hätten. Dazu zählen etwa die Luftqualität, ob die Menschen rauchen oder wie sportlich aktiv sie in ihrer Freizeit sind.
Eindeutiges Schlusswort: Radler…
- … leben länger
- … sterben seltener an Herz-Kreislauferkrankungen
- … erkranken seltener an Krebs!
Auf der letzten Seite enden die Wissenschaftler dann auch mit folgender Aussage: „Weitere Forschungen zu den mit diesen Ergebnissen verbunden Wirkmechanismen wären nützlich. Sie sollten aber nicht von den zahlreichen Beweisen ablenken, dass Privatfahrzeuge weniger genutzt werden müssen, sollen künftige Gesundheits- und Umweltziele erreicht werden.“ Dem haben wir nichts weiter hinzuzufügen.
▶ Hier könnt ihr die komplette Studie nachlesen.
Bilder: Coboc; Burst; Pexels