Die strukturellen Rahmenbedingungen rund um den Fahrradverkehr in Deutschland genügen nicht den aktuellen Erwartungen der Radfahrenden. Zu diesem Urteil kommt Claus Fleischer, Geschäftsleiter von Bosch eBike Systems. Am Rande der Präsentation der Ergebnisse einer
Umfrage zum Stellenwert des Radfahrens in Deutschland sagte Fleischer: „Damit noch mehr Menschen auf das Fahrrad oder E-Bike umsatteln, muss der Verkehrsraum neu aufgeteilt werden. Die Infrastruktur wurde jahrzehntelang nur auf den Autoverkehr ausgerichtet, jetzt müssen Fahrradfahrer und Fußgänger stärker in den Fokus rücken.“
Im Dezember 2020 hatte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag von Bosch eBike Systems etwa 1.000 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland online befragt. Verschiedene Details der Erhebung untermauern Fleischers Einschätzung. Denn vor allem Fahrradfahrende drängen vermehrt in den Stadtverkehr. So gaben rund 30 Prozent der Menschen an, 2020 mehr Fahrrad gefahren zu sein als zuvor. Und mehr als jeder Dritte geht davon aus, diese Marke in 2021 zu übertreffen.
Steigender Stellenwert von E-Bikes im Stadtverkehr
Vor dem Hintergrund solcher Aussagen rechnen die Deutschen, dass Fahrräder in den kommenden fünf Jahren als Verkehrsmittel im Stadtverkehr immer wichtiger werden. Bezogen auf E-Bikes erwarten 64 Prozent der Menschen eine derartige Entwicklung. Im Falle der Fahrräder sind es 54 Prozent. Immerhin fast jeder Zweite rechnet mit einer wachsenden Bedeutung ebenfalls für den Öffentlichen Personennahverkehr. Für das Auto können sich dies nur 21 Prozent der Befragten vorstellen.
Claus Fleischer registriert sehr wohl, dass sich bisher dominanten Denk- und Handlungsmuster ändern. Allerdings stecke vieles noch in den Anfängen fest. „In den letzten Jahren gab es durchaus Bewegung, was die Fahrradförderung betrifft – aber dies reicht bei weitem nicht aus. Die Infrastruktur hinkt dem Bedarf weit hinterher, denn die Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland dauern viel zu lange.“
Mehr Angebote als Voraussetzung für mehr Zuspruch
Fehlende Radwege sind tatsächlich ein Grund, weshalb manche Menschen lieber andere Verkehrsmittel nutzen. In der Befragung gaben ein Drittel der Menschen, die bisher nicht täglich Rad fahren, an, sie würden öfter das Fahrrad nutzen, wenn es mehr Radwege gäbe. Künftig sollten Infrastrukturmaßnahmen deshalb vor allem Fahrradfahrenden zu Gute kommen. Dieser Forderung stimmten mehr als die Hälfte der Menschen zu. Auf welch einfachem Wege dies geschehen kann, zeigt sich am Beispiel der Pop-Up-Radwege. Während der Corona-Pandemie hatten mehrere Städte solche provisorischen Radwege eingerichtet. Das Gros der Befragten ist der Meinung, diese sollten beibehalten werden.
Mehr Rücksicht auf Bikerinnen und Biker bei der Planung sowie Umsetzung von Verkehrswegen, scheint auch angesichts einer weiteren Zahl angebracht. Rund 16 Prozent der Menschen wollen sich innerhalb dieses Jahres ihr erstes E-Bike zulegen. Zu den Menschen, die eh schon Fahrradfahren und dies in 2021 häufiger tun wollen als zuvor, kommen also vermutlich noch weitere hinzu. Machen alle zusammen unterwegs gute Erfahrungen – egal ob mit E-Bikes oder herkömmlichen Fahrrädern – kann dies nach Ansicht von Claus Fleischer unser Mobilitätsverhalten nachhaltig beeinflussen. „Wir können die Mobilitätswende aber nur erfolgreich gestalten, wenn wir eine positive und ganzheitliche Fahrradkultur leben und beherzt fördern. Das gilt für die Mobilität im Alltag, aber auch für Touren in der Freizeit oder Ausflüge am Wochenende. Die Förderung des Fahrrads darf nicht am Waldrand aufhören. Denn wer in seiner Freizeit Fahrrad fährt, nutzt dies auch vermehrt im Alltag und umgekehrt.“
Bilder: Bosch eBike Systems