Tom Andersch hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Der leidenschaftliche Radfahrer – und inzwischen überzeugte eBiker – konzipiert eBike-Reisen für Belvelo und ist regelmäßig mit Reisegruppen auf dem Zweirad in aller Welt unterwegs. Wir haben mit Tom über seine Arbeit und seine Erfahrungen mit eBike-Reisen gesprochen.
1. Tom, seit wann bietet Belvelo eBike-Reisen an und was war der Anlass?
Tom Andersch: Lernidee Erlebnisreisen, dessen Marke Belvelo ist, bietet schon seit über 30 Jahren Erlebnisreisen weltweit an. Schwerpunkte sind Sonderzugreisen auf den schönsten Routen der Welt (z. B. Sonderzugreise Zarengold auf der Transsibirischen Eisenbahn, Mit Rovos Rail quer durch Afrika), besondere Schiffsreisen (z. B. Flusskreuzfahrten auf dem Mekong in Südostasien, Per Postschiff durch die Südsee, Spitzbergen-Kreuzfahrt) und geführte exklusive Erlebnisreisen mit maximal 12 Teilnehmern. 2015 wollte der Inhaber von Lernidee Erlebnisreisen und passionierte Radfahrer Hans Engberding wieder eine neue Art des Reisens erfinden. Seine Leidenschaft fürs Radfahren, 30 Jahre Erfahrung in der Organisation von Reisen und der allgemeine E-Bike-Boom brachten ihn auf die Idee, Belvelo zu gründen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es auch noch keinen anderen E-Bike-Reiseveranstalter, der ausschließlich Reisen mit dem E-Bike angeboten hat.
2. Wie stellen Sie Ihre Reiseangebote zusammen? Nach welchen Kriterien suchen Sie die Regionen und Strecken aus?
Tom Andersch: Bei der Auswahl der Destination spielen viele Faktoren eine Rolle: persönliche Erfahrungen im Land (hierbei wird das 60-köpfige Lernidee-Team mit einbezogen), Kontakte zu Partneragenturen vor Ort, aber natürlich auch die Gegebenheiten in den jeweiligen Regionen (Wegbeschaffenheit, Abwechslung, touristische Infrastruktur etc.). Teilweise fahren wir die Strecken vorher selbst ab, teilweise haben wir auch ausgezeichnete Partner, die unsere Philosophie sehr gut verstehen und denen wir vertrauen. Dann übernehmen sie die Erkundung der Strecken für uns.
3. Wie lange dauert es, bis so eine Reise fertig konzipiert ist?
Tom Andersch: Das ist ganz unterschiedlich. Einige Reisen bereiten wir schon seit letztem Jahr vor ? und nehmen sie aus verschiedenen Gründen dieses Jahr trotzdem noch nicht in den Katalog. Andere Reisen sind schon innerhalb weniger Monate marktreif.
4. Für welche Zielgruppen sind die Reisen konzipiert?
Tom Andersch: Unsere Gäste sind Reisende, die das Land/die Region besonders intensiv kennenlernen möchten. Das E-Bike bietet den Vorteil, dass man den Menschen vor Ort auf Augenhöhe begegnet und der Natur sehr nah kommen kann. Belvelo-Gäste freuen sich auf den offenen Austausch des Erlebten unter Gleichgesinnten. Auf unseren Reisen stehen das Entdecken unbekannter Kulturen und Naturschätze und auch das Genießen der Landschaft und der Kulinarik im Vordergrund.
5. Was unterscheidet die Reisen für eBiker gegenüber ’normalen‘ Radreisen?
Tom Andersch: Das E-Bike bietet alle Vorteile, die das Fahrrad auch hat: Bewegung an der frischen Luft, Begegnungen auf Augenhöhe und man ist nah an bzw. in der Natur. Man kann anhalten, wo es am schönsten ist. Das E-Bike bietet dies alles, ohne dass man die Strapazen einer anstrengenden Radtour auf sich nehmen müsste. Auf unseren Reisen müssen sich die Gäste auch nicht um das Aufladen der Batterien kümmern oder das Rad selbst auf den Hänger heben. Darum kümmert sich die Reiseleitung.
6. Wie viel Erfahrung mit dem eBike muss ich mitbringen? Welcher Fitnessstand ist empfehlenswert?
Tom Andersch: Praktisch kann jeder eBike fahren, der auch normal Rad fahren kann. Beim ersten Kontakt mit dem eBike achten wir darauf, dass die Gäste genügend Zeit haben, sich mit dem eBike vertraut zu machen. Danach heißt es losfahren und genießen. Wer ab und zu Rad fährt, ist fit genug für unsere Reisen. Und wenn die Fitness doch mal nicht ausreicht, können die Gäste jederzeit aufs Begleitfahrzeug umsteigen. Wir fahren jeden Tag zwischen 2 bis 5 Stunden mit dem eBike.
7. Kann ich mein eigenes eBike mitnehmen?
Tom Andersch: Theoretisch schon, allerdings sollte man beachten, dass es sehr kompliziert ist, das E-Bike ins Flugzeug zu nehmen, da der Akku als Gefahrengut gilt. Derzeit wäre es auf unserer Toskana-Reise am einfachsten, sein eigenes Rad mitzubringen, da hier eine Anreise mit dem Zug oder eigenem Auto recht einfach möglich ist. Vor Ort setzen wir Räder diverser Markenhersteller (z. B. Kalkhoff, Cannondale) ein.
8. Sie bieten im Moment neun Reisen an. Gibt es einen klaren Favoriten darunter? Planen Sie gerade neue Angebote?
Tom Andersch: Ganz ehrlich: Ich hätte Schwierigkeiten, einen klaren Favoriten auszuwählen. Persönlich habe ich bis jetzt unsere Reisen in Marokko, Vietnam und auf dem Jakobsweg begleitet. Jede der Reisen hat mir persönlich sehr gut gefallen.
Derzeit arbeiten wir an unserem neuen Katalog. Wir werden vorrangig neue Reisen in Europa anbieten, darunter Reisen nach Andalusien, an den Gardasee und ins Baltikum. Der neue Katalog erscheint Ende Juni.
9. In Gegenden wie Marokko und Vietnam ist so eine radelnde Truppe, dann noch mit eBikes, sicher kein alltäglicher Anblick für die Einheimischen. Welche Erfahrungen machen Sie vor Ort?
Tom Andersch: In Vietnam gibt es schon sehr viele E-Bikes, das heißt, die Räder fahren auch von ganz allein, nicht wie bei unseren Pedelecs, bei denen die Gäste unterstützt werden, aber immer noch mittreten müssen. Der Großteil der Fortbewegung findet in Vietnam auf zwei Rädern statt, so mischen sich unsere Gäste „unters Volk“ und fallen gar nicht mehr so auf.
In Marokko war es etwas anders. Allerdings sind die Menschen vor Ort auch schon Radfahrer gewohnt und der Unterschied zum normalen Rad ist ja nicht so groß.
10. Können Sie uns eines Ihrer schönsten Erlebnisse auf einer der Reisen schildern?
Tom Andersch: Meine schönsten Erlebnisse auf Reisen sind vor allem die persönlichen Begegnungen mit den Menschen und der Natur. Auf dem portugiesischen Jakobsweg war es faszinierend, durch die duftenden Eukalyptuswälder zu fahren. Mein Highlight in Vietnam im Mekong-Delta war es, einfach nur in einem Café zu sitzen und den Menschen um mich herum zuzuschauen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wer dort wen mehr bestaunt hat. In Marokko mussten wir einen Umweg durch ein Dorf nehmen, in dem die Bewohner gerade aus der Moschee kamen. Wir wurden unheimlich freundlich von allen begrüßt.
11. Fahren Sie auch im Alltag noch mit dem Rad? 😉
Natürlich! Ich mache auch schon seit meiner Jugend immer wieder Reisen per Fahrrad. Allerdings muss ich zugeben, dass ich erst seit Anfang 2016 E-Bike fahre. Mittlerweile genieße ich es gerade auf dem Weg zur Arbeit sehr, dass ich nicht mehr verschwitzt im Büro ankomme. Ein bisschen schade finde ich es, dass wir in Berlin keine vorzeigbaren Berge haben ? denn die machen mit einem E-Bike erst so richtig Spaß!
Vielen Dank für das Gespräch!