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Corona-Krise sorgt für Auf und Ab in der Fahrradbranche

Corona Update

Schulen, Museen, Friseurläden und Biergärten öffnen wieder. Busse und S-Bahnen fahren im regulären Takt. Zaghaft tastet sich die lang vermisste Normalität zurück in den Alltag. Die Corona-Krise hat uns ein Stück weit verändert. Das gilt in Teilen auch für das Gesamterlebnis Fahrradfahren. Einiges vollzieht sich hinter den Kulissen. Anderes beobachtet ihr selbst tagtäglich.

Da poppt etwas auf

Viele von euch sind in den vergangenen Wochen mit dem Rad – E-Bike oder Bio-Bike – unterwegs gewesen. Dadurch sinkt euer Ansteckungsrisiko und das anderer Menschen. Ihr seid Frau und Herr eurer eigenen Zeitpläne, schnappt ausreichend frische Luft, stärkt euer Immunsystem und tut etwas für euer Wohlbefinden. Eure Präsenz könnte langfristig sogar die Position des Fahrrads im Straßenverkehr stärken. Zum Beispiel dank mancherorts kurzfristig eingerichteter Pop-Up-Radwege. Wo weniger Autos und Busse unterwegs sind, entsteht mehr Raum für Biker. Und manche Verkehrsverantwortliche erkennen in der Zwischenlösung vielleicht eine dauerhafte Chance. Diesen Optimismus teilt etwa Stefanie Krone, Sprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), gegenüber Zeit online: „Wenn eine temporäre Radspur sich in den nächsten Monaten als praxistauglich erweist und der Verkehr vielleicht sogar besser fließt, dann werden Städte sicherlich dazu übergehen, sie dauerhaft zu machen.“

Pop-Up-Fahrradweg in Berlin

Wie hier in Berlin wurden kaum genutzte Fahr- und Parkspuren zeitweise in Pop-Up-Fahrradwege umgewandelt. 

Keine neuen Modelle für 2021

Ein Phänomen dieser Tage ist auch der Ansturm auf Fahrradläden. Nach dem Ende der Schließzeit rannten die Kunden den Händlern förmlich die Türen ein. Für die Ladeninhaber eine Medaille mit zwei Seiten. Einerseits konnten so schmerzliche Verluste wieder wettmachen. Andererseits arbeiten sie derzeit am Limit und mancher darüber hinaus. Hinzukommt, dass jetzt schon klar ist, dass sie nicht jeden Kundenwunsch erfüllen können. Die Lager der Zulieferer sind für manche Artikel leer gekauft. Wann die Produktion bei den Herstellern wieder annähernd das Vor-Corona-Niveau erreicht, kann derzeit niemand verlässlich sagen. Auch deshalb hat die Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft (ZEG) schon angekündigt, dass die Räder 2021 gleich bleiben wie 2020.

Dennoch blicken auch die Läden zuversichtlich auf das restliche Jahr. Das legen die Ergebnisse einer gerade veröffentlichten Branchenumfrage nahe. Die Fachmedien Radmarkt, SAZbike und velobiz.de sowie die Verbände Bundesverband Zukunft Fahrrad e.V. (BVZF), der Verbund Service und Fahrrad e. V. (VSF) und der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) haben ermittelt, dass zwei Drittel der Fachhändler für 2020 mit einem Umsatz rechnen, der das Vorjahresniveau erreicht oder sogar übertreffen könnte.

Ungewisse Zukunft für Hersteller

ZIV-Geschäftsführer Siegfried Neuberger

ZIV-Geschäftsführer Siegfried Neuberger

Anders sieht das Stimmungsbild in der Fahrradindustrie aus. Hersteller von Fahrrädern und Komponenten rechnen mit Verzögerungen von Tagen bis hin zu mehreren Wochen. Kein Wunder, erstrecken sich die Auswirkungen von Corona doch weltweit. Produktionsstandorte in China, Taiwan, Ungarn, Tschechien und anderswo waren teilweise komplett geschlossen. Die Unvorhersehbarkeit weiterer Infektionswellen führt jede langfristige Planung ad absurdum. Für den Moment kehrt immerhin etwas Ruhe ein. „Für etwa ein Viertel der Firmen hat sich die Auftragslage wieder normalisiert“, sagt Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbandes, in der Branchenumfrage. „Weitere 45 Prozent rechnen mit einer Normalisierung ab dem dritten Quartal dieses Jahres.“

International lassen Einzelbeispiele erahnen, in welchen Dimensionen Corona die Fahrradindustrie getroffen hat. Shimano hat mit seinen Fahrradkomponenten im ersten Quartal 2020 mehr als 25 Prozent weniger operativen Gewinn erzielt als im Vergleichszeitraum 2019. Im April hat der US-amerikanische Federgabelhersteller Trust Performance Insolvenz angemeldet. General Motos zog im Mai einen Corona-bedingten Schlussstrich unter sein E-Bike-Projekt Ariv.

Neue Geschäftsmodelle und Kooperationen

Andere Hersteller setzen auf Kreativität und Flexibilität in Krisenzeiten. Dazu gehört die Firma ABUS aus dem nordrhein-westfälischen Wetter. Sie lässt in Italien gewöhnlich Helme herstellen. Das passiert auch weiterhin. Allerdings ist ein Teil der Fertigungsstrecke umgerüstet worden: Parallel laufen dort jetzt Gesichtsschutzschilder vom Band, die im medizinischen Sektor dringend benötigt werden.

Neue Wege geht auch der Online-Händler Rose Bikes. Er ist vorübergehend Untermieter in einem Reisebüro in Münster. In einer Etage erreichtet Rose ein Pop-Up-Shop. Das sichert dem Reisebüro wenigstens ein paar Einnahmen und Rose sammelt Erfahrungen im stationären Handel.

Förderkonzepte als Reaktion auf die Krise

Auf politischer Ebene herrscht ebenfalls rege Betriebsamkeit. Vereine und Verbände, die sich für einen intensiveren Fahrradverkehr einsetzen, schlagen eigene Förderkonzepte vor und schaffen so ein Gegengewicht zu den Forderungen der Automobilindustrie. So fordert zum Beispiel der VCD Verkehrsclub Deutschland e.V. ein Konjunkturprogramm, das die ökologisch-soziale Mobilität fördert und dem Umweltverbund aus Bahn, Bus, Fuß- und Radverkehr zugutekommen. Konkret heißt das: Modernisierung der Infrastruktur, nachhaltiger Umbau der Wirtschaft, klimaneutrale und emissionsfreie Mobilität.

Unter dem Hashtag #MobilPrämieFürAlle hat sich ein Bündnis formiert, das der Bundesregierung eine Mobilitätsprämie für alle abringen möchte. Mit dem Geld solle man sich u. a. E-Bikes und Bahn-Abos kaufen können. Initiator ist in diesem Falle der Allgemeine Deutscher Fahrrad-Club e. V. Dessen Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork spürt in der jetzigen Zeit eine besondere Sensibilität in der Bevölkerung für das Thema Fahrradverkehr. „Durch Corona hat sich das Leben fast aller Menschen schlagartig geändert. Sie stehen jetzt vor der Entscheidung, wie sie ihre Mobilität nach Corona neu organisieren. Das Horrorszenario wäre, wenn jetzt wirklich alle ins Auto steigen, denn dann bricht der Verkehr in Deutschland zusammen. Der Zeitpunkt jetzt ist eine riesige Chance für die Bundesregierung, Deutschland für einen intelligenten Verkehrsmix zu begeistern!“

Bündnis #mobilprämiefüralle

Das Bündnis #MobilPrämieFürAlle vereint mehr als 15 Verbände und Unternehmen.

 

Bilder: ADFC e. V.; ZIV; General Motors

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