Seitdem TQ vor gut zwei Jahren den HPR50 vorgestellt hat, zählt Scott zu den Fans dieses leichten Mittelmotors. Inzwischen stattet der Hersteller drei Modellreihen seines Sortiments mit diesem Antriebssystem aus. Unter denen ist das Verhältnis bisher ausgeglichen – mit dem Solace eRide als E-Rennrad, dem Solace Gravel eRide als E-Gravelbike sowie dem Lumen eRide als E-Mountainbike. Durch das neue Scott Voltage eRide verlagert sich nun der Schwerpunkt hin zu den vollgefederten E-MTB.
Traditionell sieht sich Scott eindeutig als sportlich ausgerichteter Hersteller. Für ihn spielen Mountainbikes bei der Wahrnehmung der Marke eine wesentliche Rolle. Folglich enthält der Katalog vom einfacheren Hardtail bis hin zum Enduro-tauglichen Edelbike so ziemlich alles, was das E-Bike-Herz begehrt. So seit Ende 2022 eben auch das Lumen eRide als Vertreter der Light-E-MTB. Das Cross-Country-Bike mit seinem 130-Millimeter-Fahrwerk und dem gewichtsreduzierten Carbon-Rahmen ist ein Paradebeispiel für ein Mountainbike, in dem ein leistungsmäßig reduzierter Antrieb wie der HPR50, der gleichzeitig sparsam mit der Akkukapazität umgeht, seine Vorteile gegenüber einem schwereren und kräftigeren Full-Power-Aggregat ausspielen kann.
Weit mehr als ein Lückenfüller
Wenn man vom Lumen aus in der Produktpalette von Scott nach oben schaut, sind dort mit dem Trail-Bike Strike eRide und dem Enduro-Bike Patron eRide die nächsten Kategorien potent besetzt. Daher war es schon spannend zu sehen, wo genau der Hersteller einen Neuling positionieren würde. Vom Federweg her ordnet sich das Voltage eRide zwischen Strike und Patron ein. Gleichzeitig gewinnt es durch den TQ-Antrieb eine weitere Facette, die für zusätzliche Abgrenzung sorgt. Bei der Auswahl nach dem passenden Modell spielt somit neben dem Terrain, in dem ihr fahren wollt, auch mit hinein, welche Fahrweise ihr dabei bevorzugt.
Scott hat das Voltage eRide nämlich so konzipiert, dass es euch jede Menge geben kann, im Gegenzug aber auch etwas einfordert. Der Federweg von 155 Millimeter am Dämpfer und (meist) 160 Millimeter an der Gabel öffnen euch die Tür für das Fahren auf technisch und körperlich recht anspruchsvollem Gelände. Allerdings gelingt dies nur, wenn ihr einen gewissen Einsatz zeigt, um dorthin zu gelangen beziehungsweise längere Distanzen auf solchem Terrain zu bestreiten.
Zwei Seiten einer Medaille
Keine Angst, wir wollen hier niemanden abschrecken 😉. Aber das maximale Drehmoment von 50 Newtonmeter liegt nun mal deutlich unter dem, was ein Shimano EP801, ein Brose Drive S Mag, ein Giant SyncDrive Pro 2 oder ein Bosch Performance CX Line mitbringen. Ähnliches gilt für die Dimensionen des Akkus. Die 360 Wattstunden des Energiespeichers von TQ bleibt weit hinter den 750 Wattstunden eines Bosch PowerTube 750 zurück.
Was als Nachteil erscheinen mag, kehrt sich in einen Vorteil um, sobald man eine andere Perspektive einnimmt. Zum Konzept von TQ gehört untrennbar die geringere Masse, die sich aus dem technischen Ansatz ergibt. So bringt die leichteste Version des Neulings, das Scott Voltage eRide 900 SL rund 17,9 Kilogramm auf die Waage. Vergleichbare Mountainbikes ohne Motorunterstützung liegen heutzutage höchstens zwei Kilogramm darunter. Gerade für Menschen, die vom Bio-Bike auf das E-Bike umsteigen oder vielleicht saisonal zwischen beiden wechseln, dürften dies zu schätzen wissen.
Eine weitere Ursache für das geringe Gesamtgewicht des Modells liegt im aus Carbon gefertigten Rahmen. In dessen Entwicklung hat Scott etliche Stunden investiert. Herausgekommen ist ein Rahmen, den ein angenehm niedrigerer Schwerpunkt kennzeichnet. Das Tretlager schwebt 35 Zentimeter über dem Boden, was es euch erleichtert, in jeder Fahrsituation die Kontrolle zu behalten.
Gut behütet
Wie beim Lumen und beim Patron verlegt Scott den Dämpfer erneut in das Innere des Rahmens. Laut eigener Aussage erhöht diese Konstruktion die Steifigkeit des Rahmens um das Tretlager herum. Ungünstige Bewegungen des Dämpfers seitlich zum Federweg werden so vermindert. Vor allem aber können ihm derart versteckt weder Schmutz noch Witterung etwas anhaben. Funktionell leuchten diese Argumente ein. Optisch führt die Entscheidung dazu, dass Tretlagerbereich und Sitzrohr zu einer Einheit verschmelzen, die recht massiv wirkt. Wer sich die geringen Abmessungen des HPR50 vor Augen hält, hätte womöglich auf eine schlanker ausgestaltete Lösung gehofft. Zumal die Silhouette des Lumen eRide aufzeigt, was eventuell möglich wäre.
Vom Lumen übernommen hat das Voltage eRide den Zugang zum Dämpfer. Der verbirgt sich an der Unterseite des Unterrohrs. Um dort vernünftig hantieren zu können, solltet ihr das Bike entweder auf den Kopf stellen oder an einem Montageständer entsprechend weit nach oben fahren. Dann erreicht ihr den Dämpfer bequem, könnt ihn in Ruhe einstellen, Kabel um ihn herum verlegen sowie ihn im Ernstfall auch ausbauen.
Für das Verändern der Einstellungen während der Fahrt gibt es glücklicherweise einen Shortcut. Am Drehpunkt des Hinterbaus am Sitzrohr hat Scott eine Anzeige integriert. An der könnt ihr nicht nur ablesen, wie stark euer Dämpfer aktuell nachgibt, sondern den Sag auch einstellen.
Spezialist für alle Könner
Beim Dämpfer handelt es sich übrigens um einen Fox Nude 6T-Dämpfer. Dank der TwinLoc-Hebel am Lenker könnt ihr Dämpfer und Gabel mit nur einem Tastendruck gleichzeitig anpassen. Zur Auswahl stehen die drei Modi Lockout, Traction Control und Descend. Für den Dämpfer bedeutet das zum Beispiel, das jeweils die Kammern vollständig, teilweise oder gar nicht geöffnet sind. Im Descend-Modus etwa bleiben Dämpfer als auch Gabel vollständig geöffnet.
Etwas anders sieht das im Falle des Scott Voltage eRide 900 Tuned aus. Dort verbaut der der Hersteller einen Fox Float X Nude-Dämpfer mit Piggyback. Dessen Fahrmodi lauten Climb, Ramp Control und Descend. Ihn bedient ihr über das TracLoc-Remote-System unabhängig von der Federgabel. Daraus resultieren feinere Abstimmungsmöglichkeiten für beide Komponenten des Federungssystems. Aus Sicht des Herstellers empfiehlt sich dies in erster Linie für diejenigen, die weite Sprünge in ihre Fahrten einbauen und mit hohen Geschwindigkeiten in steilem Terrain unterwegs sind.
Flip-Chip mal anders
Abhängig vom gewählten Modus der Federung verändert sich ebenfalls die Rahmengeometrie. Dies könnt ihr zudem über ein Verstellen des Lenkwinkels erreichen. Scott integriert dazu spezielle Abdeckungen für den Steuersatz. Die Abdeckungen lassen sich in zwei Positionen einsetzen. Löst dafür einfach den Vorbau, zieht die Abdeckungen heraus und dreht sie um 180 Grad. Eine Nut im Rahmen sichert anschließend das korrekte Einsetzen. Das Drehen um 180 Grad bedeutet, dass ihr zwischen zwei Optionen wählen könnt. Um wie viel Grad sich der Lenkwinkel jeweils ändert, lässt sich aus den Geometriedaten von Scott leider nicht erkennen.
Große Auswahl
Insgesamt sechs Modell des Voltage eRide bringt Scott in den nächsten Monaten auf den Markt. Ein genauer Zeitpunkt geht aus der Pressemitteilung nicht hervor. Dort ist lediglich die Rede von Frühjahr/Sommer 2024. In den vier angebotenen Rahmengrößen S, M, L und XL kommen vorn und hinten 29 Zoll große Laufräder zum Einsatz. Die Preise der Modelle variieren zwischen 6.599 Euro und 11.999 Euro.
Zurückzuführen sind die Unterschiede wie üblich auf Komponenten wie Schaltung, Bremsen, Laufräder, Sattelstützen und Cockpit. Die Bandbreite reicht zum Beispiel von einer Shimano Deore XT-Kettenschaltung bis hinauf zur neuesten kabellosen elektronisch angesteuerten Sram XX Eagle AXS Transmission oder von Sram DB8-Bremsen bis zu den hochwertigen Sram Code Ultimate Stealth.
Scott Voltage eRide 2024 im Überblick
- Varianten: Voltage eRide 900 SL, Voltage eRide 900 Tuned, Voltage eRide 910, Voltage eRide 920, Contessa Voltage eRide 900, Contessa Voltage eRide 910
- Rahmen: Carbon
- Federgabel: Fox 36 Float Factory Air, Fox 36 Float Factory Grip 2 Air, Fox 36 Float Rhythm Air Grip, Marzocchi Z2 Air Rail
- Motor: TQ HPR50
- Akku: TQ Internal 360 Wh, Range Extender 160 Wh
- Display: TQ Display
- Bedieneinheit: TQ Remote
- Antrieb: Sram XX Eagle AXS Transmission, Sram GX Eagle AXS Transmission, Shimano XT
- Bremsen: Sram Code Ultimate Stealth, Sram Code Silver Stealth, Shimano Deore M6120, Sram DB8
- Gewicht: ca. 17,9 kg (Scott Voltage eRide 900 SL)
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 128 kg
- Preise: ab 6.599 Euro
Scott Voltage eRide 910
Scott Voltage eRide 900 Tuned
Scott Voltage eRide 920
Contessa Voltage eRide nur ein Anhängsel?
Wie schon mehrfach bei Scott stört uns erneut die gefühlte Benachteiligung bei der Ausstattung der Contessa-Modelle für Frauen. Das beginnt bei der Auswahl, die lediglich zwei Modelle umfasst im Vergleich zu den vier Modellen für Herren. Das Topmodell für die Damen, das Contessa Voltage eRide 900 erhält weder eine Fox-Federgabel mit Kashima-Beschichtung noch eine elektronische Schaltung noch einen Range Extender. Letzterer bleibt ausschließlich dem Voltage eRide 900 SL vorbehalten. Und dass es keine Rahmen für Frauen in der Größe XL gibt, stößt uns genauso auf. Zumal es mit der speziellen auf die weibliche Anatomie ausgerichteten Ausstattung der Contessa-Modelle eh nicht weit zu sein scheint. Sattel, Lenkerbreite, Kurbellänge – alles deckt sich komplett mit den Varianten für die Herren. Da wäre es vermutlich ein Einfaches gewesen, zumindest ein paar der XL-Rahmen in den Contessa-spezifischen Lackierungen fertigen zu lassen.
Contessa Voltage eRide 2024 im Überblick
- Varianten: Contessa Voltage eRide 900, Contessa Voltage eRide 910
- Rahmen: Carbon
- Federgabel: Fox 36 Float Rhythm Air Grip, Marzocchi Z2 Air Rail
- Motor: TQ HPR50
- Akku: TQ Internal 360 Wh
- Display: TQ Display
- Bedieneinheit: TQ Remote
- Antrieb: Shimano XT
- Bremsen: Shimano Deore M6120, Sram DB8
- Gewicht: ca. 19,3 kg (Contessa Voltage eRide 910)
- Maximal zulässiges Gesamtgewicht: 128 kg
- Preise: ab 6.599 Euro
Bilder: Scott Sports SA