Wer in Deutschland den ausgedienten Akkus seines E-Bikes entsorgen möchte, kann auf eine gefestigte Infrastruktur zurückgreifen. Bis vor kurzem suchte man Vergleichbares dagegen in den USA vergeblich. Erst 2022 startete dort ein landesweites Programm, das sich der Aufgabe widmete. Nach Einschätzung der Initiatoren nimmt dies nun Fahrt auf.
Unter dem Titel „Hungry for Batteries“ haben sich rund 50 in den USA aktive Fahrrad -und Antriebshersteller zusammengeschlossen und machen beim Einsammeln alter Akkus gemeinsame Sache. Zu den Beteiligten zählen bekannte Namen wie Benno Bikes, Bosch, Breezer, Cannondale, Cube, Electra, Fazua, Giant, iZip, Kona, Liv, Marin, Momentum, Norco, Pivot Cycles, Riese&Müller, Rocky Mountain, Santa Cruz, Shimano, Specialized, Stromer, Surly, Tern, Trek, Urban Arrow, Yamaha, Yeti und Yuba.
Lobby der Fahrradfahrenden kooperiert mit Experten für Nachhaltigkeit
Federführend bei dem Programm sind jedoch weniger die Hersteller. Aus der Taufe gehoben haben „Hungry for Batteries“ der US-amerikanische Fahrradverband Peopleforbikes zusammen mit der Non-Profit-Organisation Call2Recycle. Sie bilden den Rahmen für eine im Programm tätige Nachhaltigkeits-Taskforce und ein E-Bike-Komitee. Vor allem aber haben sie maßgeblich das eigentliche Programm zum Recyclen der E-Bike-Akkus entworfen und in die Tat umgesetzt. Damit haben Fahrradfahrende in den USA nun eine Option ihre aussortierten Stromspeicher nicht auf einer Mülldeponie einstampfen lassen zu müssen, sondern die Geräte sicher abzugeben und geregelt einem neuer Verwendung zuzuführen.
In der Außendarstellung unterscheidet sich die Initiative deutlich vom deutschen Pendant. Das zeigt sich bereits im Namen. Während das hiesige Netzwerk unter der eher sachlich anmutenden Bezeichnung GRS eMobility auftritt, möchte der Titel „Hungry for Batteries“ sich ganz klar im Langzeitgedächtnis einnisten. Dazu gibt es mit Rey und dem blauen Fell-Monster Watts zwei Protagonisten, die den eher nüchternen Prozess des Recyclens auf spielerische Art und Weise in eine kleine Geschichte einbetten. Beide stellen sich der Mission, gemeinsam das achtlose Wegwerfen der Akkus zu beenden. Bei uns ruft das eventuell sofort das Hollywood-Klischee hervor. Gut möglich, dass es in den USA aber sehr gut in den kulturellen Kontext passt und von den Menschen auch aufgrund seiner Art angenommen wird.
Großer Bedarf erwartet
Auf alle Fälle kommt auf Rey und Watts jede Menge Arbeit zu. Nach eigenen Angaben gehen PeopleForBikes und Call2Recycle davon aus, dass von 2020 bis 2030 in den USA mehr als zwölf Millionen E-Bikes verkauft werden. Ein Teil davon dürfte erfahrungsgemäß mit zwei Akkus verkauft werden. Bei einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von vier bis fünf Jahren fällt somit eine enorme Anzahl an Akkus an, die von den Menschen aussortiert werden. Dies möchte „Hungry for Batteries“ möglichst nachhaltig bewerkstelligen.
Laut des US-amerikanischen Magazins „Bicycling“ wurden dazu mithilfe des Programms inzwischen rund 1.900 Rückgabestellen geschaffen. Im Gegensatz zu den Vorgaben bei GRS eMobility dürfen die Menschen dort jedoch nicht jeden beliebigen E-Bike-Akku abgeben. Gestattet ist dies lediglich für Geräte der Marken, die beim Recyclingprogramm mitmachen. Zudem muss der Akku aus einem E-Bike stammen, das sich einer der in den USA geltenden E-Bike Klassen 1, 2 oder 3 zuordnen lässt.
Ausgenommen sind etwa die Akkus von einem mit Motor unterstützten Fahrrad, dessen Unterstützung über die Geschwindigkeit von 28 Meilen pro Stunde hinausgeht oder das kein Pedalieren erfordert.
Fachhandel als Schnittstelle
Die Abgabe der Akkus verläuft nach einem ähnlichen Muster wie in Deutschland. Auf der Webseite von „Hungry for Batteries“ können sich die Interessenten online die nächstgelegene Rückgabestelle anzeigen lassen. Der entsprechende Laden nimmt den Akku entgegen. Gleichzeitig wird dort geprüft, ob der Akku sich wirklich nicht mehr für den Einsatz am E-Bike eignet und ob er erkennbare Schäden aufweist. Entspricht der Akku den Vorgaben, wird er in einem nicht näher beschriebenen Recycling-Kit gelagert. Anschließend holt UPS als exklusiver Logistik-Partner des Programms den Stromspeicher innerhalb von 24 bis 48 Stunden ab. Für die anfallenden Lieferkosten kommt „Hungry for Batteries“ auf. Ein von Call2Recyle zertifiziertes Recycling-Unternehmen demontiert den Akku, trennt dessen Bestandteile und stellt die zurückgewonnenen Materialien der Herstellung neuer Produkte zur Verfügung. Aus dem Jahresbericht von Call2Recyle für 2022 geht hervor, dass auf diese Weise in dem Jahr E-Bike-Akkus mit eine Gesamtmasse von knapp 11,8 Tonnen gesammelt und recycelt wurden. In Deutschland waren es im selben Zeitraum rund 160 Tonnen. „Hungry for Batteries“ rechnet jedoch mit stark angestiegenen Zahlen für 2023.
Hintergrund: So sieht die Infrastruktur in Deutschland aus
Akkus von E-Bikes werden in Deutschland durch das Batteriegesetz als Industriebatterie eingestuft. Wollt ihr einen alten Akku entsorgen und sogar ein komplettes E-Bike, müsst ihr den getrennt entsorgen und deshalb je nach Situation vorher ausbauen. Er darf keinesfalls in einer der Abfalltonnen bei euch zuhause landen oder über den Sperrmüll oder den Metallschrott entsorgt werden.
Abgabe (fast) überall möglich
Stattdessen könnt ihr den ausgedienten Stromspeicher beim Fahrradhandel abgeben, der E-Bikes in seinem Programm führt. Entsprechende Discounter sowie Elektronik- und Baumärkte fallen folglich ebenfalls unter diese Regelung. Sie sind dazu verpflichtet euch den Akku kostenfrei abzunehmen. Erstreckt sich deren Ladenfläche auf über 400 Quadratmeter, gilt dies sogar für Akkus, die das Unternehmen regulär gar nicht verkauft – unabhängig von deren Bauform, Alter oder Marke. Mit Beginn des Dezembers 2021 würde die Rücknahmepflicht sogar auf Gerätebatterien erweitert. Das sind Akkus kleineren Typs, wie ihr sie zum Beispiel in Fahrradlampen findet. Eine weitere Option zur Abgabe sind die kommunalen Wertstoffhöfe.
Damit dies in Deutschland reibungslos läuft, gibt es ein 2010 unter Mithilfe des Zweirad-Industrie-Verband ZIV entstandenes Batterierückführungssystem. Anfangs hieß das einfach GRS. Inzwischen lautet die korrekte Bezeichnung GRS eMobility. In dem System sind alle rund 2.700 Rücknahmestellen verzeichnet. Der Zusammenschluss von über 160 Herstellern und Importeuren unter GRS eMobility sorgt zum Beispiel für das fachgerechte Zurückführen wertvoller Stoffe in den Rohstoffkreislauf. In Akkus verwandte Rohstoffe wie Aluminium, Kupfer, Kobalt oder Nickel lassen sich so in möglichst hohen Maßen wiedergewinnen und für spätere Anwendungen aufbereiten. Laut GRS eMobility wurde 2022 insgesamt 160 Tonnen Industriebatterien und 80,1 Tonnen an Gerätebatterien zurückgenommen.
Bilder: Peopleforbikes / Call2Recyle; Gemeinsames Rücknahmesystem Servicegesellschaft mbH