Vor rund sieben Monaten kündigte Yamaha Motor Europe an, im Rahmen seiner „Switch on“-Initiative bald auch mit eigenen E-Bikes den Fahrradmarkt betreten zu wollen. Dieses „bald“ ist jetzt. Ab Ende 2022 könnt ihr E-Bikes von Yamaha kaufen. Mit den drei nun im Detail vorgestellten Modellen – ein E-MTB, ein Gravel-E-Bike und ein Urban E-Bike – reißt der Hersteller aber vermutlich kaum jemanden von euch vom Hocker.
1. Ansatz ohne durchschlagendes Ergebnis
2. Yamaha Moro 07 – das E-Mountainbike
3. Yamaha Wabash RT – das E-Gravelbike
4. Yamaha Crosscore RC – das urbane E-Bike
5. Direktvertrieb und eigenes Händlernetz
6. Ehemals ein Pionier der Branche
Dabei war im Grunde alles für den ganz großen Wurf angerichtet. Zum einen stehen E-Bikes weiterhin bei den Menschen richtig hoch im Kurs. Der Zulauf in den Fahrradläden und Online-Shops ist ungebrochen, sodass am Ende des Jahres neue Rekordverkaufszahlen erwartet werden. Zum anderen hat Yamaha vor wenigen Wochen mit dem PW-S2 den Nachfolger des PW-ST präsentiert. Mit seinem abermals gesunkenen Gewicht, den kompakteren Abmessungen und gleichzeitig mehr Leistung verfügt dieser Motor über ein großes Potenzial und bietet sich gefühlt für die Integration in so ziemlich jedem Typ von E-Bike an.
1. Ansatz ohne durchschlagendes Ergebnis
Und was macht Yamaha? Einfach seine seit Jahren auf dem US-amerikanischen Markt erhältlichen E-Bikes den europäischen Vorgaben anpassen, technisch minimal aktualisieren und dann als eines der „aufregendsten, neuen Kapitel in der Geschichte von Yamaha“ hinstellen. In der begleitenden Pressemitteilung betont der Hersteller, dass bei allen drei Fahrrädern jeweils der Rahmen zusammen mit dem dazugehörigen Antriebssystem entwickelt worden sei. Dieser ganzheitliche Ansatz ermögliche „ideale Rahmen-Dimensionen, die beste Ausgewogenheit zwischen Leistungsentfaltung und Handling“. So werde ein „extrem natürliches, komfortables und leichtes Fahrerlebnis“ erreicht.
Vielleicht ist das Fahrerlebnis bei den drei Modellen tatsächlich derartig toll. Da sich bisher keine Chance für eine Testfahrt ergab, können wir dazu nichts sagen. Auf den zur Verfügung gestellten Bildern ist ein optischer Gewinn bei der Integration von Motoren und Akku jedoch nur schwer erkennbar. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass andere Fahrradhersteller den Antrieb wesentlich gekonnter in ihre Bikes einfügen. Wer auf die dazugehörigen Datenblätter schaut, stellt fest, dass Yamaha anscheinend auch nicht großartig an Gewicht sparen konnte. Die 23,9 Kilogramm für ein Trail-E-Mountainbike mit einem 500-Wattstunden-Akku in der Rahmengröße M sind allenfalls Mittelmaß. Ähnliches gilt für das urbane E-Bike, das ohne Anbauteile wie Schutzbleche, Gepäckträger und Beleuchtung in der mittleren Rahmengröße 23,9 Kilogramm wiegt.
2. Yamaha Moro 07 – das E-Mountainbike
Im Grunde gibt es nur eine einzige Neuigkeit zu vermelden. In dem E-Mountainbike Moro 07 steckt jetzt der PW-X3-Motor. Mit einem Drehmoment von 85 Newtonmetern und einem Gewicht von 2,75 Kilogramm handelt es sich dabei um die leistungsstärkste, leichteste und zugleich kleinste Antriebseinheit von Yamaha. Neben diesen Zahlen bietet er vor allem technologisch zahlreiche Vorzüge. Egal ob unmittelbare Leistungsabgabe bei minimaler Pedalbewegung dank Zero Cadence-Funktion, schmaler Q-Faktor für eine hervorragende Kraftübertragung oder umfangreiches Sensorpaket für zusätzliche Leistung bei Bergauf-Fahrten – das Aggregat ist im Moro 07 definitiv bestens aufgehoben.
Der Rest ist schnell erzählt, weil auf anderen internationalen Märkten längst eingeführt. Basis des Moro 07 ist ein aus Aluminium gefertigter Rahmen, der 150 Millimeter an Federweg am Hinterbau und 160 Millimeter an der Gabel ermöglicht. Sein Oberrohr und Unterrohr sind jeweils als Doppelrohr ausgeführt. Letzteres geht jedoch nahezu komplett unter, da das Akkufach den Zwischenraum ausfüllt. Durch die 27,5 Zoll großen Laufrädern behält sich das Moro 07 die nötige Agilität, die das Fahren auf engen, wendigen Kursen zur absoluten Spaßdisziplin werden lassen.
Yamaha Moro 07 im Überblick
- Rahmen: Dual-Twin-Rahmen
- Motor: Yamaha PW-X3
- Akku: Yamaha Lithium Ion 500 Wh
- Display: Yamaha Interface X
- Federgabel: RockShox Lyrik Select RC
- Antrieb: Shimano Deore XT
- Bremsen: Magura MT5
- Gewicht: 23,9 kg in Größe M
- Farben: Icon Blue; Raven/Silver
3. Yamaha Wabash RT – das E-Gravelbike
Das Wabash RT ist das erste Fahrrad, bei dem sich die Frage stellt, warum Yamaha dort nicht vom PW-ST-Motor gleich auf den aktuellen PW-S2 gewechselt ist. Sowohl die gesparten 600 Gramm an Gewicht als auch die kompaktere Form hätten diesem E-Gravelbike in jedem Falle gutgetan. Von dem Plus an Drehmoment ganz zu schweigen.
So bleibt es ein solides E-Bike, dessen Rahmengeometrie auf ein entspanntes und komfortables Fahren ausgelegt wurde. Es gibt genügend Aufnahmen für den Anbau von Flaschenhaltern und Zubehör. Selbst das Anbringen von Schutzblechen ist problemlos möglich. Mit dieser Ergänzung wird das Wabash RT schnell zu einem Fahrrad, das sehr gut in den Fahrradalltag vieler passen könnte.
Wenig gelungen scheint die Wahl des Displays. Erstens wurde das Display A mit einem Halter eher schlecht als recht links neben Vorbau gesetzt. Zweitens lassen sich von dort aus die Tasten nur schwer erreichen, ohne gleichzeitig die Hand vom Lenker zu nehmen. Ein Griff zum Interface X mit der Schalteinheit am Lenker wäre aus unserer Sicht die bessere Wahl gewesen.
Yamaha Wabash RT im Überblick
- Rahmen: Yamaha Hydroformed Aluminium-Rahmen
- Motor: Yamaha PW-ST
- Akku: Yamaha Lithium Ion 500 Wh
- Display: Yamaha Display A
- Gabel: Aluminium
- Antrieb: Shimano GRX RX600
- Bremsen: Shimano GRX RX400
- Gewicht: 21,4 kg in Größe M
- Farbe: Blue Steel
4. Yamaha Crosscore RC – das urbane E-Bike
Analog zum Wabash RT hätte auch das Crosscore RC mit dem einem PW-S2 eine noch glücklichere Figur abgegeben. So müsst ihr an diesem urbanen Allrounder ebenfalls mit dem PW-ST Vorlieb nehmen. Immerhin, die Serienausstattung mit dem 500-Wattstunden-fassenden Akku und der 9-Gang-Kettenschaltung von Shimano ergeben ein stimmiges Ganzes. Yamaha sieht das Modell als „ideales Alltags-Fahrrad“. Dafür hätten manche von euch sicher mit Schutzblechen, einem Gepäckträger und einer Beleuchtung gerechnet. So kommt es erst einmal ohne dieses Zubehör. Wer mag, sieht darin eine eher sportliche Ausrichtung auf den zweiten Einsatzzweck als Trekkingbike. Dafür spricht zumindest die Federgabel mit ihrem Federweg von 63 Millimetern.
Yamaha Crosscore RC im Überblick
- Rahmen: Yamaha Hydroformed Aluminium-Rahmen
- Motor: Yamaha PW-ST
- Akku: Yamaha Lithium Ion 500 Wh
- Display: Yamaha Display A
- Federgabel: SR Suntour NEX E25
- Antrieb: Shimano Alivio
- Bremsen: Shimano MT200
- Gewicht: 23,9 kg in Größe M
- Farben: Shiver White; Urban Sage
5. Direktvertrieb und eigenes Händlernetz
Aufhorchen lässt in der Mitteilung abseits der E-Bikes der Ansatz, der Yamaha für den Verkauf wählt. Und zwar baut das Unternehmen aus Japan auf sein bereits vorhandenes Händlernetz der Motorradhäuser. Dort werden die Fahrräder ausgestellt, dort könnt ihr sie Probefahren und dort erhaltet ihr auch die entsprechende Beratung. Wie fachlich kompetent die ausfallen wird mit einem Personal, das in der Regel mit E-Bikes bislang weniger in Berührung gekommen sein dürfte, bleibt abzuwarten. Um den Fahrradhandel macht Yamaha in jedem Falle einen großen Bogen.
Bestellen könnt ihr die Fahrräder später ausschließlich über den Webshop von Yamaha Motor Europe. In dem Zuge legt ihr dann auch fest, wohin euch das Fahrrad geliefert werden soll – direkt nach Hause oder zum Yamaha-Händler. Im Shop bietet Yamaha zusätzlich entsprechendes Zubehör an. Ob dazu auch Ersatzteile und Akkus gehören werden und ob ihr Wartung sowie Reparaturen ebenfalls bei den Händlern in Auftrag geben könnt, geht aus der Mitteilung von Yamaha nicht hervor.
6. Ehemals ein Pionier der Branche
Während die Neuvorstellungen von Yamaha weder wirklich neu, noch revolutionär sind, war das vor rund 30 Jahren gänzlich anders. Damals gehörte der Hersteller zu den echten Vorreitern der Technologie. Bereits 1993 zeigte Yamaha mehrere Fahrräder mit dem Power Assist System-Antrieb, kurz PAS. Dazu zählte beispielsweise das PA26. Auf das Pendeln zur Arbeit ausgerichtet, ermöglichte es mit einer Akkuladung immerhin eine Reichweite von rund 20 Kilometern. Mit einer Dauernennleistung von 235 Watt war der Motor nur unwesentlich von heutigen Werten entfernt. Und auch das Gewicht von 31 Kilogramm ist angesichts des damaligen technischen Standes recht beachtlich. Wer weiß, wo Yamaha heute wäre, wenn das Hersteller damals weiter eigene E-Bikes gebaut hätte.
Bilder: Yamaha Motor Europe