Mit der Leistung von 250 Watt eines gängigen E-Bike-Motors lässt sich eine Menge anfangen. Zum Beispiel rasend schnell einen zehn Kilometer langen Anstieg von acht Prozent hinauffahren, ohne auf dem Gipfel zu schwitzen. Oder – etwas produktiver – mit einem Anhänger Gegenstände von A nach B schaffen. Im Vergleich zu den vielen E-Bikes ist die Anzahl der angebotenen Anhänger jedoch recht klein. Wie wäre es also, wenn man sich den Anhänger selbst bauen könnte?
Diesen Gedanken hatten anscheinend auch schon einmal die Leute von der Welcome Werkstatt in Hamburgs Stadtteil Barnbek. Aus dem „Was wäre, wenn?“ machten sie ein „Hier, bitte sehr.“. Nachdem sie für sich selbst einen Anhänger zum Transport größerer Baumaterialien gefertigt hatten, ließen sie ihre Erfahrungen in eine Do-It-Yourself-Anleitung fließen. Die kann jetzt jeder von euch auf der Webseite der Stadtteilwerkstatt einsehen, herunterladen und als Blaupause für den eigenen Anhänger nutzen.
Künstlerisch wertvoll
Bei ihrem Hänger hat sich die Welcome Werkstatt an die Arbeit von XYZ Cargo angelehnt. Unter Verwendung möglichst einfacher und günstiger Mittel entstehen in dem Unternehmen seit Jahren Lastenfahrräder, deren Rahmen aus verschraubten Aluprofilen zusammengefügt sind. Die Idee dafür stammt von Till Wolfer und dem dänischen Künstlerkollektiv N55. Mehrmals im Jahr bietet XYZ Cargo Workshops an, in denen ihr ein eigenes Lastenfahrrad bauen könnt. Als Grundlage dienen fertige Bausätze, zum Beispiel für ein Longjohn, ein dreirädriges Lastenfahrrad oder eines mit vier Rädern, das als Cargo Truck bezeichnet wird. Davon ausgehend sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt.
Auf diesem Ansatz beruht ebenfalls die Anleitung für den Trude Trailer genannten Fahrradanhänger der Welcome Werkstatt. Mit einer Länge von 225 Zentimetern bei eingeklappter Deichsel und einer Breite von 96 Zentimetern fällt er eher in die Kategorie XXL. Seine eigentliche Ladefläche misst 165 Zentimeter in der Länge und 65 Zentimeter in der Breite. Umschlossen wird sie von einer Art Gitter, dessen Höhe 43 Zentimeter beträgt. Alles, was über die genannten Maße hinausgeht, lässt sich mit entsprechender Sicherung also auch durch das Gitter hindurchführen.
Enorm belastbar
Seine Konstrukteure beschreiben den Anhänger als stabil und leicht. Defacto ist er für eine Zuladung von maximal 150 Kilogramm zugelassen. Laut eigener Aussage soll er aber auch bereits deutlich mehr als das problemlos bewältigt haben Mit seinen 34 Kilogramm wiegt der Trude Trailer so viel wie manches E-Lastenfahrrad.
Zwei der drei Laufräder werden mithilfe von hydraulischen Scheibenbremsen gebremst. Das dritte Laufrad vorn an der Deichsel ist im Original mit einer hydraulischen Felgenbremse und einem Nabendynamo ausgestattet. Wer möchte, kann an der Stelle natürlich auch konsequent Scheibenbremsen verbauen. Die hydraulischen Varianten erhöhen zwar den Preis im Vergleich zu den herkömmlichen mit Bowdenzug. Allerdings verlangt der Anhänger nach recht langen Leitungen. Mit Blick auf die Leistungsfähigkeit der Bremsen spricht das klar für die hydraulischen Lösungen.
Altes und Neues im Mix
Als Anhängerkupplung kommt derzeit nur eine aus dem Fachhandel in Frage. Achtet beim Kauf unbedingt auf die maximale Anhängelast, für die diese Kupplung dann ausgelegt ist. In der Welcome Werkstatt gibt es wohl Pläne für einen Eigenbau. Bis zu dessen Fertigstellung aber anscheinend noch ein wenig Zeit vergehen.
Alle Einzelteile des Anhängers hat die Werkstatt fein säuberlich in einer Stückliste zusammengefasst. Diese findet ihr auf ihrer Webseite. Mit der dort aufgeführten Ausstattung landet ihr am Ende bei einem Preis von rund 880 Euro für den Anhänger. Das soll euch jedoch nur als grober Richtwert dienen. So könntet ihr die Summe weiter verkleinern, in dem ihr zum Beispiel bei den aufgeführten Fahrradersatzteilen auf Gebrauchtware zurückgreift. Das wäre sicher auch ganz im Sinne der Erfinder.
Fast im Alleingang machbar
Für den späteren Eigenbau könnt ihr an sich komplett auf Spezialwerkzeug verzichten. Genügen sollen ganz alltägliche Dinge wie eine Säge, eine Bohrmaschine, eine Feile, etliche Aluprofile und unter anderem auch Klebeband – kein Scherz. In dem entsprechenden Download findet ihr CAD-Modelle und Zeichnungen für Einzelteile sowie für den kompletten Anhänger.
Gelegentlich werdet ihr aber nicht ohne ein paar Dinge auskommen, die nur die wenigstens von uns bei sich zuhause stehen haben dürften. So lautet ein Tipp, die Aufnahmen für die Scheibenbremsen als auch die Löcher für den Steuersatz mit einer CNC-Fräse anzufertigen. Andere Teile erfordern einen 3D-Drucker. An solchen Stellen hilft der Gang in passend ausgestattete offene Werkstätten oder die Nutzung entsprechender Dienstleister. Wenn nicht vielleicht schon der Freundes- und Bekanntenkreis weiterweiß.
Von dort kann jemand nur bedingt helfen, wenn es um eine der allerwichtigsten Voraussetzungen im Zusammenhang mit einem derartigen Projekt geht. Zeit. Der eigene Fahrradanhänger ist nicht etwa innerhalb von ein paar Stunden aufgebaut. Mit wie vielen Arbeitsstunden ihr rechnen solltet, sagt die Werkstatt nicht. Das hängt sicher auch von den vorhandenen Geräten und dem eigenen Können ab. Aber ohne Lust und Geduld wird das wohl nicht zum Erfolg führen. Allen, die es versuchen, gutes Gelingen!
Bilder: Welcome Werkstatt e.V.
Kann man sich so einen Hänger auch irgendwo ausleihen? Für einen Umzug wäre kaufen etwas teuer.
Hallo Maik,
an der Stele müssen wir passen. Ist uns leider nicht bekannt. Am besten fragst du mal direkt bei der Werkstatt in Hamburg nach.
Sportliche Grüße, Matthias
So ein Anhänger ist richtig praktisch. 🙂 Vielen Dank für den spannenden Beitrag. Grüsse aus Thun. 🙂
Hallo Kano39,
vielen für dein Feedback. Freut uns natürlich.
Viele Grüße in die Schweiz, Matthias