Warum E-Bikes für viele so faszinierend sind, hängt unter anderem mit der enormen Vielfalt an Fahrrädern zusammen, die inzwischen auf dem Markt sind. Einige von ihnen zeigen einfach nur auf, wohin sich die Grenzen das Machbaren im Laufe der vergangenen Jahre verschoben haben. Ob dies eine Lösung für die Mehrheit der Interessierten sein könnte, ist dabei allenfalls zweitrangig. Zu dieser Kategorie zählt das R22 Everest von Optibike. Laut des US-amerikanischen Herstellers ist es das einzige Bike, mit dem ihr zum Gipfel des Mount Everest fahren könntet. Wenn dorthin eine Straße führen würde.
Gut, diese Annahme könnte nahezu jeder Hersteller für sich reklamieren. Im Falle des R22 Everest könnte ihr jedoch jede Menge Anlauf für den Gipfelsturm nehmen. Der Akku dieses E-Bikes verspricht eine Reichweite von sagenhaften rund 480 Kilometern beziehungsweise 300 Meilen. Er schöpft seine Ausdauer aus einer Energiemenge von insgesamt 3.260 Wattstunden. Im Vergleich dazu erscheinen selbst die 800 Wattsunden des neuen EnergyPak Smart von Giant oder die 750 Wattstunden des aktuellen PowerTube für das Smart System von Bosch fast niedlich.
Verkappter Dual Battery
Bei genauerer Betrachtung relativiert sich das Ganze ein wenig. Beim Akku von Optikbike handelt es sich im Grunde um zwei separate Akkus mit jeweils einer Kapazität von 1.630 Wattsunden. Auf die greift das E-Bike-System auch nur getrennt zu. Über einen einfachen Schalter lässt sich auswählen, ob der Strom aus Akku 1 oder Akku 2 fließen soll. Das Gehäuse ist jedoch ein gemeinsames. So könnt ihr den Akku auch als eine Einheit aus dem E-Bike entnehmen. Vorausgesetzt, ihr löst vorher die drei massiven M6-Schrauben, mit denen er im Rahmen fixiert ist.
Ein wenig Krafttraining vor dem Herausnehmen kann nicht schaden. Immerhin bringt es der Akku auf stolze 16,3 Kilogramm. Dass es nicht noch mehr sind, liegt an dem aus Carbon gefertigten Gehäuse. Jim Turner, Gründer und gleichzeitig Chef-Entwickler bei Optibike, wollte die Frage des Gewichtes anscheinend nicht komplett vernachlässigen. Der ehemalige Motocross-Profi ist nicht nur zweimaliger US-Champion, sondern besitzt ebenfalls einen Abschluss der renommierten Stanford University. Entsprechend großes technisches Knowhow steckt in dem Bike. Neben dem Akku sind weitere wesentliche Teile wie der aus Carbon gefertigte Rahmen, der Motor, der Hinterbau und der Frontscheinwerfer komplett auf eigenen Ideen basierend entstanden. Montiert wird bei Optibike übrigens noch per Hand am Stammsitz im Bundesstaat Colorado.
Auf der Überholspur
Die Kennziffern des Motors sind nicht weniger beeindruckend. Im Dauerbetrieb leistet er 1.700 Watt, die in der Spitze auf 2.500 Watt ansteigen. An der Stelle erübrigt sich auch die Frage, ob dieses E-Bike für das Fahren in Europa zugelassen ist ? Erst recht, wenn ihr auf die Geschwindigkeit schaut, bis zu der euch der Motor unterstützt. Das sind natürlich nicht die bei uns geläufigen 25 km/h. Auch nicht die 45 km/h, die für ein S-Pedelec die Obergrenze bedeuten. Auf dem R22 Everest müssen sich die Fahrenden auf fast 58 km/h, sprich 36 Meilen pro Stunden, gefasst machen. Da heißt es, Helm auf und Visier herunterklappen. Zumal das Drehmoment von 190 Newtonmetern für ein gehöriges Maß an Lebhaftigkeit sorgt.
Typisch für ein auf den nordamerikanischen Markt ausgerichtetes E-Bike erfolgt die Motorsteuerung am R22 Everest für einen Gasgriff am Lenker. Das erweist sich vor allem im Gelände an Stellen als Vorteil, an denen man durch die Tretbewegung Gefahr läuft, mit Kurbel und Pedalen an Hindernissen hängenzubleiben.
Hochwertiger „Rettungsanker“
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ihr beim alleinigen Pedalieren nicht von der Motorunterstützung profitiert. Damit sich die etwa 42 Kilogramm des Fahrrades dennoch vernünftig bewegen lassen, hat Optibike zu einer Rohloff E-14 Speedhub gegriffen. Deren Übersetzungsbandbreite von 526 Prozent versetzt euch zusammen mit den 14 Gängen in die Lage, auch von A nach B zu gelangen, falls der Akku widererwarten doch einmal erschöpft sein sollte.
Für jedes Terrain geeignet
Konzipiert ist dieses Modell als vollwertiges E-Mountainbike. Der Federweg für die Hinterachse ist mit 200 Millimetern angegeben. Zur Federgabel mit der Doppelbrücke ist nichts Genaues gesagt. Aus der Ferne scheint das Maß hier aber ein ganz ähnliches zu sein. Der virtuelle Drehpunkt der hinteren Federung liegt nahe am Dämpfer. Die eigentlichen Hinterbaustreben sind starr, um die Kräfte des Motors bändigen zu können.
Die Aussicht nach vorn erhellt ein optionaler Frontscheinwerfer. Auch der wirkt im Vergleich zu europäischen Maßstäben fast etwas monströs. Laut Optibike strahlt die Lampe 2.700 Lumen aus. Ein Abblendlicht ist nicht erwähnt. Da kann man nur hoffen, dass die Fahrenden sich genügend Zeit für die korrekte Einstellung des Lichts nehmen. Ansonsten dürfte nicht nur so mancher Elch ziemlich irritiert blinzeln.
Let’s cross
Optibike-Gründer Jim Turner wollte übrigens, dass sich das R22 Everest so dynamisch wie ein Motocross-Bike anfühlt. Es soll nur eben etwas leichter als ein solches Motorrad sein. Genau wie die Fahrenden, die auf die gesamte Schutzausrüstung verzichten können. Vielleicht denkt ihr ja noch einmal über die Schutzausrüstung nach, solltet sich euch jemals in die Gelegenheit eröffnen, dieses Geschoss fahren zu können.
Bilder: Optibike LLC