Es war ein sehr gutes Jahr. Ohne die bekannte angespannte Liefersituation hätte es ein hervorragendes Jahr werden können. So schätzt im Rückblick die Fahrradindustrie Deutschlands 2021 ein. Laut der jetzt vom Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) und dessen Geschäftsführer Burkhard Stork vorgelegten Statistik erreichten Produktion und Importe von Fahrrädern jeweils ein Zehn-Jahreshoch. Und auch der Verkauf stabilisierte sich auf sehr hohem Niveau.
Im Jahr 2021 wurden in Deutschland rund 4,7 Mio. Fahrräder verkauft. Zwei Millionen davon waren E-Bikes. Damit stieg ihr Anteil am Gesamtmarkt von 39 Prozent auf 43 Prozent. Hinter dem Plus steht ein Zuwachs von rund 50.000 Stück beziehungsweise drei Prozent. Verschoben haben sich die Anteile zugunsten des E-Bike jedoch in erster Linie, weil die Menge an verkauften Rädern ohne elektrische Unterstützung um ungefähr 400.000 Stück auf 2,7 Millionen sank.
Optimistische Prognose
Mit Blick auf die E-Bikes rechnet der ZIV auch in den kommenden Jahren mit einem sich fortsetzenden Aufwärtstrend. Seit der Erfassung der Verkaufsstatistik für diesen Fahrradtyp im Jahre 2011 wurde jährlich ein neuer Höchstwert erreicht. In den entsprechenden Pressemitteilung heißt es, der ZIV gehe davon, dass „E-Bikes mittelfristig einen Anteil von rund 50 Prozent am Gesamtmarkt erreichen werden.“
Ein Fortschreiben der guten Zahlen sei wahrscheinlich, weil sich neue Zielgruppen dem E-Bike zuwenden würden, die jünger und sportlicher orientiert seien. Leichte Indizien für das, wovon der der Verband spricht, liefert die Übersicht der verschiedenen E-Bike-Typen, die verkauft wurden. Dort lieferten sich lange Zeit das City-E-Bike und das Trekking-E-Bike einen Kampf um die Spitzenposition. In den vergangenen Jahren mischte sich dann das E-Mountainbike immer erstzunehmender in dieses Ringen ein. In 2021 landete das E-MTB nun erstmals auf Rang eins. Gleichzeitig verloren Trekking-E-Bike und City-E-Bike im Vergleich zu 2020 dreieinhalb beziehungsweise zwei Prozentpunkte.
Trendfahrzeug Lastenfahrrad
Zu den Gewinnern in dieser Statistik zählen für 2021 zudem die E-Lastenräder. Ihr Anteil stieg von vier auf sechs Prozent. Das klingt im ersten Moment nicht übermäßig viel. Dahinter verbirgt sich allerdings ein Zuwachs von 78.000 Stück auf jetzt rund 120.000 Stück. Von Lastenrädern ohne E-Antrieb wurde ebenfalls fast die doppelte Menge verkauft. Damit einher ging laut ZIV ein gewachsener Absatz an Fahrradanhängern und anderen Transportmöglichkeiten rund ums Fahrrad.
Ursache für Rückgang offensichtlich
Während die Bilanzen für E-Bikes positiv ausfallen, ist der Verkauf auf alle Fahrräder bezogen leicht rückläufig. Die Gesamtmenge fiel um fünf Prozent von 5,04 Millionen auf 4,7 Millionen. Ursache für den Rückgang sind damit allein die schwächere Verkaufszahlen unter den herkömmlichen Fahrrädern. Der Kommentar des ZIV zeigt unmissverständlich, wo im vergangenen Jahr der Schuh drückte. „Wäre jederzeit mehr verfügbar gewesen, wäre noch mehr verkauft worden.“ Wirklich unzufrieden wirkt der Verband trotzdem nicht. Denn feststeht auch: Die Ergebnisse übertreffen alle Jahre vor Beginn der Corona-Pandemie. Nur 2020 konnten jemals zuvor höhere Zahlen vermeldeten werden.
Zumal der Verband sicher auch wohlwollend weitere Zahlen zur Kenntnis nimmt. Darunter zum Beispiel der erneute Anstieg des durchschnittliches Verkaufswertes. In 2021 ließen wir alle uns ein neues Fahrrad rund 1.395 Euro kosten – egal ob mit oder ohne elektrische Unterstützung. Mobilität ist uns anscheinend einiges wert. Genau gesagt, neun Prozent mehr wert als noch 2020.
Lieber um die Ecke als im Netz
Bezogen auf den Verkauf haben die stationären Fahrradläden im vergangenen Jahr verlorenen Boden zurückgewonnen. In 2020 schlugen sich die Auswirkungen der durch die Lockdowns erzwungenen vorübergehenden Schließungen in sinkenden Verkaufszahlen nieder. Mit den durchgehenden Öffnungen kamen wieder vermehrt Menschen in die Läden. Drei von vier Fahrrädern kauften sie vor Ort. Alle anderen von der Statistik erfassten Vertriebswege verbuchten Rückgänge von zwei beziehungsweise drei Prozent im Vergleich zu 2020.
Produktion und Import auf Rekordniveau
Besonders gefreut haben dürfte den ZIV die Entwicklung der hiesigen Fahrradhersteller. In den zurückliegenden zehn Jahren wurden nie so viele Fahrräder in Deutschland hergestellt. Auf 2,37 Millionen schafften es die Unternehmen 2021. Der Anstieg um zehn Prozent sei besonders bemerkenswert, da unter „widrigsten Umständen“ erzielt werden konnte. Bei den E-Bikes seien acht Prozent mehr gefertigt worden, bei den herkömmlichen Fahrrädern 13 Prozent.
Gleichzeitig zog auch der Import weiter an. Mit 4,14 Millionen Stück trafen rund elf Prozent mehr neue Fahrräder aus dem Ausland ein als noch 2020. Auch dabei handelt es sich um einen Höchststand seit zehn Jahren. Das Ganze verteilt sich entgegengesetzt zu den in Deutschland produzierten Fahrrädern. Bei den Importen ist das Plus bei den E-Bikes mit 26 Prozent größer als das bei den herkömmlichen Fahrrädern mit fünf Prozent.
Insgesamt rollen damit inzwischen etwa 81 Millionen Räder auf unseren Straßen. Wie viele davon über einen elektrischen Antrieb verfügen, lässt sich nicht genau sagen. Der ZIV schätzt die Zahl auf rund 8,5 Millionen. Das würde bedeuten, dass jedes zehnte Fahrrad in Deutschland eines mit einem E-Antrieb wäre.
Große Fragezeichen beim Blick auf 2022
Wie sich der Fahrradmarkt in diesem Jahr entwickelt, lässt sich laut ZIV schwer vorhersehen. Vor dem Hintergrund des aktuellen russischen Angriffs auf die Ukraine herrsche eine gewisse Unsicherheit. Es sei unklar, welchen Auswirkungen politische und wirtschaftliche Entscheidungen mit sich bringen würden. Zumal die Corona-Pandemie und ihre Nachwirkungen der deutschen und internationalen Fahrradindustrie auch 2022 noch genügend Herausforderungen stellen würden. Seitens der deutschen Fahrradindustrie gebe es das Bestreben, die Fertigung auf dem jetzigen Stand zu halten und auszubauen. Einer der Knackpunkte bei diesem Vorhaben sei der Fachkräftemangel, den man bereits jetzt massiv spüre. Um dem Herr zu werden, fordert der ZIV moderne Weiterbildungsmöglichkeiten, die sich zum Beispiel gezielt an Quereinsteiger und Einwanderer richten. Ohne solche Maßnahmen sei ein Ausbau der Produktion in Deutschland als auch Europa unrealistisch.
Bilder: Zweirad-Industrie-Verband (ZIV)