Selbst mit einiger Zurückhaltung lässt sich eines über das Domane+ LT 9 von Trek bereits auf den ersten Blick sagen – dieses E-Bike ist alles andere als gewöhnlich. Zu auffällig ist sein Äußeres, zu edel seine Ausstattung, zu unscheinbar sein elektrischer Antrieb. Ohne verlässliche Belege dafür zu haben, beschleicht uns die Gewissheit, dass es aufgrund dieser Eigenschaften andere Menschen anlockt, als ein „gewöhnliches“ E-Bike. Wessen Puls beim Anblick dieses Fahrrades höher schlägt, der liebt am Radfahren vermutlich eher den Ausstoß von Adrenalin und Schweiß. Das Glücksgefühl beim Radeln auf entlegenen Wegen, während in einiger Entfernung ein Vogel für ein paar Flügelschläge sich einem anschließt, ist etwas für andere.
Trek Domane+ LT 9 im Test – Das Vorspiel
Daher weicht dieser Test ganz bewusst vom sonstigen Schema ab. Er startet rund eine Woche vor der Fahrt mit dem Domane+. An dem Tag stehen 120 Kilometer an. Konstant im Gegenwind gen Westen, rund 650 Höhenmeter bergauf, ziemlich exakt genauso viele bergab und ohne elektrische Unterstützung. Warum? Aus zweierlei Gründen. Erstens kann es hilfreich sein, im Körper noch einmal die Erinnerung an eine solche Erfahrung wachzurufen und später ein Stück weit den Vergleich zum motorisierten Erlebnis zu ziehen. Zweitens lässt sich die Fahrerfahrung mit dem Domane+ mit der auf anderen E-Bikes vergleichen. Gefühlt wäre das aber nur die halbe Wahrheit.
Zwischen einem Fragezeichen und der ganzen Wahrheit, was auch immer das sein mag, stehen am eigentlichen Fahrtag etwas mehr als 140 Kilometer mit rund 2.000 Höhenmetern. Das sind natürlich nur die Höhenmeter, bei denen der Pfeil nach oben zeigt. Anhand der Daten werden manche von euch vielleicht fragend dreinschauen und wissen wollen, wie der Akku das schaffen soll. Klare Antwort: Überhaupt nicht. Mit der Kapazität von 252 Wattstunden steht schon vorher fest, dass den Akku unterwegs seine Power verlassen wird. Aber bei einem Kaufpreis von rund 11.000 Euro darf der Test gern herausfordernd ausfallen. Außerdem sind wir selbst gespannt darauf, was sich für eine solche Summe erwarten lässt. Gleichzeitig bleiben so noch genügend Kilometer übrig, um herauszufinden, wie sich das Rad ohne Motor fährt, während jedoch das Gewicht des Antriebs an Bord ist.
Trek Domane+ LT 9 im Test – Die Leichtigkeit des Rollens
Beim Hochtragen aus dem Keller gibt es das erste Erwachen. Die etwa 14 Kilogramm an Gesamtgewicht klingen ja verdammt wenig. Aber zur frühen Morgenstunde ist der Unterschied zu einem herkömmlichen Rennrad deutlich zu spüren. Eins zu null für so ziemlich jedes bessere Bio-Bike.
Der Ausgleich lässt aber nicht lange auf sich warten. Genauer gesagt nur zwei Minuten. Dann geht sie nämlich los, die Fahrt ins Ungewisse. Und es braucht nur ein paar Radumdrehungen, um einen Teil der Ungewissheit sofort zu beseitigen. Laufräder und Kurbeln sind keine Ansagen, sie sind ein ganzer Vortrag. Während im Schultern gerade das Gewicht des Bikes absolut präsent war, scheint dies wie weggefegt. Immer wieder erstaunlich, welchen Effekt das Reduzieren des Gewichts der beweglichen Teile an einem Fahrrad hat. In diesem Falle jeweils Carbon als Werkstoff und jeweils an genau dem richtigen Fleck. Wenn es heute im Verlaufe der Tour mal am Berg hart werden sollte, steht jetzt schon fest: An diesen beiden Komponenten kann das nicht liegen.
Die ersten knapp 30 Kilometer verlaufen fast eben. Perfekt zum Kennenlernen des Bikes und Hineinfinden in die Tour. Große Straßen bleiben absichtlich links liegen. Das passt einfach besser zur Ruhe des noch eher jungen Tages. Außerdem kehrt es unfreiwillig die nächste Stärke des Domane+ hervor. Denn den Luxus der Verkehrsberuhigung bezahlen wir mit merklich ruppigeren Straßenbelägen. Kopfsteinpflaster, Flickenteppiche aus Asphalt sowie notdürftig mit Kies befestigte Baustellen wechseln sich in munterer Reihenfolge ab. Vom E-Rennrad aus ist das sichtbar, aber kaum zu spüren. Dabei sind neben den Laufrädern und den Kurbeln auch der gesamte Rahmen aus Carbon. Aufgrund der Steifheit des Materials müsste es einen also gehörig durchschütteln. Tut es aber nicht. Stattdessen schlucken das im Oberrohr und im Steuerrohr eingearbeitete IsoSpeed einen Großteil der Erschütterungen. An Hände und Gesäß dringen nur wenige Vibrationen durch. Die 32 Millimeter breiten Reifen dämpfen ebenfalls sehr effektiv. So wecken die Passagen, die schnell einmal die Stimmung ruinieren, stattdessen endgültig die Fahrlaune. Berge, wir kommen.
Trek Domane+ LT 9 im Test – Unverhofft kommt oft
Und da sind sie auch schon, die Berge. Oder wenigstens die ersten knackigen Anstiege. Nach einer Flussüberquerung geht’s vom Ufer mit bis zu 20 Prozent Steigung den Hang hinauf. Hier sind flinke Finger gefragt. Schnell auf der Bedieneinheit vom Breeze-Modus des Fazua-Antriebes in den Rocket-Modus schalten und dann auf der Kettenschaltung den passenden Gang wählen. Das sind zwar nur 500 Meter. Aber jeder einzelne davon wirkt wie ein Wachmacher und ruft uns förmlich entgegen: Du fährst E-Bike, spüre, wie wohltuend das sein kann.
Für kurzzeitige Verwirrung sorgt dagegen wenige Kehren später das Navigationsgerät. Es will tatsächlich, dass wir linkerhand die Straße verlassen und einem Weg folgen, der eher zum Wandern als zum Radfahren einlädt. War die Tour nicht ausschließlich auf Radwegen und Straßen geplant? Nach Ansicht von komoot muss das anscheinend ein Radweg sein. Interessant.
Trek Domane+ LT 9 im Test – Versteckte Talente
Teils ergiebige Regenfälle haben den Waldweg jedenfalls ordentlich aufgeweicht. Steine, Wurzeln, heruntergefallene Äste, ausgespülte Rinnen und die glücklicherweise inzwischen etwas gutmütigere Steigung machen die nächsten rund acht Kilometer zu einem unerwarteten Offroad-Abenteuer. Das wartet allerdings mit einem Happy End auf. Bei der ganzen Rackerei gibt das Domane+ nämlich eine echt starke Figur ab. Zum einen erlaubt es selbst in diesem Gelände eine kompakte Position auf dem Rad, sodass auch auf derart technischen Passagen sowohl bergan als auch bergab nie Unbehagen aufkommt. Oberkörper, Schultern und Arme können entspannt bleiben und üben dennoch genug Kontrolle aus. Trek spricht beim Domane+ ja von einem Endurance-Rennrad. Von dem Plus an Komfort, den dies für die Geometrie bedeutet, profitiert ihr bei solchen Einlagen spürbar.
Zum anderen unterstreichen die dickeren Pneus nachdrücklich ihre Vielseitigkeit. Damit fühlt sich dieser Abschnitt trotzdem jederzeit sicher an. Lediglich offensichtlichen spitzen Kanten weichen wir bewusst aus, um keinen Reifenschaden zu riskieren. Die werksseitig aufgezogenen 32 Millimeter an Breite lassen sich laut Hersteller noch auf 38 Millimeter steigern. Intuitiv hätten wir sogar mit noch mehr an Spielraum gerechnet. Wer das Domane+ regelmäßig abseits befestigter Straße bewegen möchte, dem können wir nach unseren Erfahrungen nur dazu ermuntern. In dem Bike schlummert definitiv einiges an Gravel-Potenzial.
Trek Domane+ LT 9 im Test – Der Schleicher
Einziger Wermutstropfen des unerwarteten Abstechers ins Grüne ist der Blick auf die verbleibende Akkukapazität. Das hat gekostet. Fortan heißt es umsichtiger mit den Reserven umzugehen. Zurück auf dem Asphalt geht es in der Folge durch kleine Ortschaften hindurch Richtung Erzgebirgskamm. So unauffällig, wie es die ganze Zeit sacht bergan geht, so unauffällig zeigt sich das Trek. Es lenkt in keinster Weise die Aufmerksamkeit auf sich selbst. Das Schalten mit der elektrischen Di2 von Shimano ist eine Wonne. Ob jeder diesen Grad der Perfektion gerade beim Wechseln auf das kleinere der beiden Kettenblätter oder einem beliebigen Ritzel auf der Kassette braucht, sei dahingestellt. Aber während des Fahrens fühlt es sich sehr harmonisch an und erntet auf alle Fälle ein ehrliches Lob.
Etwa bei Kilometer 60 beschließen wir, den Energieverzehr weiter einzuschränken. Bis zum höchsten Punkt der Tour verbleiben noch rund 25 Kilometer. Außerdem liegt der gut 300 Meter über unserem aktuellen Niveau. War sicher eine gute Wahl, vor Fahrtbeginn in der Fazua Rider App als Fahrprofil „Roadbike Chilli Milli“ einzustellen. Das Setting soll für längere Strecken optimiert sein. Dafür stehen im Breeze-Modus nur maximal 60 Watt bereit. Im Rocket-Modus geht es hinauf bis auf 210 Watt. Die Beschleunigung ist gleichmäßig ausgelegt. Alles mit der Hoffnung versehen, so nicht durch zu viel Spritzigkeit unnötig Energie zu vergeuden. Immerhin verspricht Fazua mit dieser Einstellung im Breeze-Modus an eine Reichweite von bis zu 150 Kilometern heranzukommen. Über Untergrund, Streckenprofil, Witterungsbedingungen etc. ist dabei natürlich nichts gesagt.
Wie auch immer, ab sofort muss es der Breeze-Modus richten. Zusammen mit dem, was im eigenen Tank ist. Die Rechnung geht am Ende tatsächlich ganz gut auf. Ziemlich genau auf dem „Dach“ unserer Tour verabschiedet sich auch die letzte grüne LED auf der Remote fX. Eine zweite unfreiwillige Geländeeinlage hat ihren Teil dazu beigetragen. Klassischer Fall von „Zu-spät-aufs-Navi-geguckt“. Dann ging es halt über eine „alternative“ Route in Richtung eigentlich geplanten Streckenverlauf. Und ja, die in der ersten Offroad-Einheit gewonnene Zuversicht war sicherlich nicht ganz unschuldig an der Entscheidungsfindung ?
Später wird sich der Antrieb übrigens noch einmal kurz zurückmelden. Nach einer Rast erscheint beim Weiterfahren wieder eine LED. Am nächsten ernsthafteren Anstieg ist sie jedoch genauso erneut verschwunden. Diesmal für den Rest der Strecke.
Trek Domane+ LT 9 im Test – So schnell ist sicher
Das Schöne an einer Runde, deren höchster Punkt ungefähr in der Mitte liegt, ist – genau – der zweite Teil. Mit dem, was der Körper noch hergibt, und einem tendenziell konstant abfallenden Restprofil eilen wir dem Startpunkt entgegen. Das klingt erst einmal nach reiner Entspannung. Wer sich im erschöpfteren Zustand schon einmal auf längere Abfahrten begeben hat, weiß, dass dies ebenfalls sehr herausfordernd sein kann. Schließlich sollte die körperliche Müdigkeit nicht auf die geistige übergreifen. Für eine solche Phase wünscht man sich ein Bike wie das Domane+ LT 9. Insbesondere dessen Dura Ace-Scheibenbremsen mit den 160 Millimeter-großen Scheiben. Auf die ist jederzeit Verlass, während es mit gut 70 Kilometern pro Stunde abwärts geht. Gerade auf einem ungewohnten Fahrrad, das ein Testbike auch nach mehr als 100 gefahrenen Kilometern bleibt, stellt sich normalerweise immer eine gewisse Zurückhaltung ein. Das ist auch in diesem Falle so. Nur greift diese „Sicherheitsschranke“ viel später als bei anderen E-Bikes. Über seine Geometrie, die ausgewogene Sitzposition und die schiere Qualität der Komponenten vermittelt das Modell eine Sicherheit. Und dass der Motor dabei ist, spielt gefühlt überhaupt keine Rolle. In der Abfahrt und auf der Geraden seid ihr mit dem Domane+ sowieso in Windeseile über die Unterstützungsgrenze von 25 km/h hinausgeschossen.
Beim Absteigen vom Rad gehen uns noch einmal zwei Dinge durch den Kopf. Erstens: Wenn Fazua jemals ein E-Bike im Kopf gehabt hat, das sich mithilfe weniger Handgriffe in ein Fahrrad ohne Motor verwandeln lässt, dann wird es vermutlich dem Trek Domane+ LT 9 sehr nahekommen. Zweitens: Hast du auch den Eindruck, dass dieses Rennrad heute bessere Fahrer aus uns gemacht hat?
Bilder: Elektrofahrrad24
Nix für mich – viel Geld für wenig Leistung
Selbst wenn man den Kaufpreis locker aufbringt, ist das eine Preisklasse, die einen wegen einer Angst vor Dieben und Einbrechern nicht ruhig schlafen lässt. Und die kümmerliche Akkuleistung lässt die Planung längerer Radreisen von 1000km pro Woche als Seifenblase zerplatzen. Also mehr ein Fahrzeug, dass den Porsche oder BMW als Statussymbol beim Sonntagsfrühstück erseten soll ? Wenn man im Ruhestand keine Statussymbole braucht, überflüssig.