Gesucht wird ein deutsches Start-Up aus der Bikebranche mit sechs Buchstaben, das einfach nicht aufhört zu liefern. Erster Buchstabe: U. Zugegeben, das war billig. Aber tatsächlich beschreibt der Einleitungssatz Urwahn absolut treffend. Die Magdeburger erfüllen so ziemlich jedes Klischee, das einem bei dem Begriff Start-Up in den Kopf kommt. Wohlgemerkt, im positiven Sinne. Eigene Ideen. Ungewöhnlicher Ansatz. Bruch mit marktüblichen Gepflogenheiten. Erfolg.
Steilvorlage aus Stahl
Letzterer geht vor allem bei den E-Bikes auf den Platzhirsch zurück. Auch in unserem Test schnitt der urbane Flitzer überdurchschnittlich gut ab. Was uns damals schon auffiel, war der Fahrkomfort, den der Stahlrahmen ohne Sitzrohr vermittelte. In der Sprache von Urwahn heißt dies „Softride Design“. Defacto hatten wir das Gefühl, dass dieses Fahrrad auch abseits der Straße enorm viel Spaß bereiten könnte. Das haben anscheinend auch einige andere so empfunden. Und so stellt der Hersteller nun sein nächstes Modell vor – das Waldwiesel.E.
Urwahn hat offensichtlich eine Schwäche für das Tierreich, sodass sich zum Stadtfuchs und dem Platzhirsch nun ein Wiesel gesellt. Als Symbol für dieses E-Gravelbike taugt der kleine Nager definitiv. Sein Lebensraum erstreckt sich über Wiesen, kleine Hecken, naturbelassene Ufer kleiner Bäche und dem Waldesrand. An all diesen Orten kann man sich auch das Waldwiesel.E sehr gut vorstellen.
Bekanntes und Überraschendes
Die Wendigkeit und Gelassenheit gegenüber leichten Erschütterungen hat das Bike von seinem Pendant für die Stadt geerbt. Beide Fahrräder basieren auf dem gleichen Rahmen mit der identischen Geometrie. Durch den Rennlenker wird die Sitzposition auf dem E-Gravelbike vermutlich etwas sportlich gestreckter ausfallen. Ansonsten bleibt hier alles beim Alten, denn Urwahn hat an kleinen Details wie den Aufnahmen für Schutzbleche und Gepäckträger festgehalten.
Neben dem Rennlenker verströmt vor allem Shimanos GRX-Gruppe das nötige Gravel-Flair. Sowohl die 1fach-Schaltung mit dem 11er-Ritzel als auch die hydraulischen Scheibenbremsen sind in dem Metier bestens bekannt. Ein besonderes Schmankerl hält der Shop von Urwahn bereit. In dem könnt ihr nämlich die Serienausstattung des Waldwiesel.E an den Punkten verändern, die euch als angebracht erscheinen. Als Ersatz für die Starrgabel steht die mit Blattfedern arbeitende Gabel True Grit SL des isländischen Herstellers Lauf zur Auswahl. Bei der Option schnellt der Preis zwar sofort um glatte 1.000 Euro nach oben. Allerdings gelten diese Gabeln mit einem Federweg von rund 30 Millimetern als äußerst standfest und stellen für ein Gravelbike ein absolut lohendes Upgrade dar.
Leichter, spritziger Antrieb
Beim elektrischen Antrieb setzt Urwahn weiterhin auf den X35+ von Mahle. Das bedeutet ein relativ geringes Zusatzgewicht von gerade einmal 3.5 Kilogramm für Motor, Akku und Bedieneinheit. Sowohl die Leistungsfähigkeit des Motors mit seinen 40 Newtonmetern an Drehmoment als auch die 245 Wattstunden an Akkukapazität stehen diesem eher sportlich ausgerichteten E-Bike sehr gut. Wer möchte, kann sich beim Kauf mit dem Range Extender zusätzliche 208 Wattstunden sichern. Das reicht gut und gerne für 40 weitere Kilometer und mehr.
Da Mahle noch keine Bedieneinheit anbietet, die 100-prozentig zu einem Rennlenker passt, musste Urwahn an der Stelle einen Kompromiss eingehen. Letztendlich fiel die Entscheidung zugunsten der mit den Daumen zu bedienenden Remote iWoc Trio. Über die beiden Pfleiltasten wechselt ihr auf Knopfdruck hoch und runter zwischen den Unterstützungsstufen Eco, Sportiv und Burst. Die Bedieneinheit wurde links neben dem Vorbau montiert. Gegebenenfalls müsst ihr also von der Schalt-Brems-Einheit zum Lenker greifen, um den Modus zu ändern. Das funktioniert an wesentlich teureren Bikes allerdings auch nicht komfortabler.
Timing bewusst gewählt
Beim ersten Blick auf den Neuling im Sortiment von Urwahn fällt zudem der Reifen auf. Der TerraSpeed von Continental erinnert mit seinen kleinen, runden Noppen doch sehr stark an den G-One von Schwalbe. Wenn er sich genauso gut fährt, ist dies aber kaum der Rede wert.
Während einige der großen Hersteller erst zur Eurobike Anfang September mit ihren Neuheiten für die Saison 2022 präsent sind, kommt Urwahn früher aus der Deckung und fasst so noch ein Stück der ungeteilten Aufmerksamkeit ab. Gegenüber den namhaften Mitbewerbern hat der Hersteller einen weiteren Vorteil. Er präsentiert das Waldwiesel.E und hat es tatsächlich auch verfügbar. Ok, so verfügbar, wie das 2021 eben geht. Derzeit wird im Shop eine Lieferzeit von 60 bis 90 Tagen vorhergesagt. Aber selbst damit ist das Start-Up großen Teilen der Branche eine Naselänge voraus. Oder eine Wieselschweiflänge. Wie ihr wollt.
Urwahn Waldwiesel.E im Überblick
- Rahmen: Urwahn CT1-FR1 (CrMo Stahl)
- Motor: Mahle ebikemotion Hinterradnabenmotor, 250 W, 40 Nm
- Akku: Mahle ebikemotion, 250 Wh
- Bedieneinheit: Mahle ebikemotion iWoc Trio
- Gabel: Urwahn CT1-FK1
- Antrieb: Shimano GRX 600
- Bremsen: Shimano GRX 600
- Farben: Asphaltschwarz, Betongrau, Kobaltblau, Oxidrot, Goldgelb
- Gewicht: 14,8 kg (Rahmengröße M)
- Maximale Zuladung (FahrerIn und Gepäck): 97 kg
- Preis: ab 5.499 Euro
Bilder: Urwahn Engineering GmbH