Inzwischen ist die Zeit der Neuvorstellungen für die Bikes der Saison 2022 eröffnet. Der Fokus liegt dabei gern auf neuen Rahmenformen, neuen Motoren oder neuem Zubehör. Bei E-Bikes mit Antriebskomponenten von Shimano wird ein zusätzliches Update verbaut sein, das schnell einmal in den Hintergrund gerät. Absolut zu Unrecht. Denn auf eure langfristige Freude mit dem Fahrrad kann es einen großen Einfluss haben.
Robust und sanft zugleich
In der Antriebswelt von Shimano hat nämlich ein neues Kürzel Einzug gehalten. Gemeint ist LG, was für Linkglide steht. Ihr findet es als Logo auf Kassetten, Ketten, Schaltwerken und Schalthebeln der 1×10 und 1×11 Deore XT-Gruppe sowie der Deore-Gruppe. Dahinter verbirgt sich ein Pendant zum bekannten Hyperglide beziehungsweise Hyperglide+-Standard, kurz HG. Im Vergleich dazu sind die LG-Teile massiver, robuster und mit kleinen technischen Abwandlungen konstruiert. Alles zusammen zielt vor allem auf drei Dinge ab:
- erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber den Belastungen am E-Bike
- saubere Schaltvorgänge
- reduzierter Verschleiß und geringere Wartung
1. Linkglide-Kassette
2. Linkglide-Schaltwerk
3. Linkglide-Schalthebel
4. Linkglide-Kette
5. Kompatibilität von Linkglide zu anderen Shimano-Gruppen
Diese Stärken sieht Shimano in erster Linie bei E-Trekkingbikes und E-Mountainbikes gefordert. Charakteristisch für das Fahren mit diesen Bikes sind häufiges Schalten und ein relativ hoher Anteil von Schaltvorgängen unter hohen Lasten. Aufgrund der hohen Drehmomente bei E-Bikes führt dies erfahrungsgemäß zu einem hohen Verschleiß der Komponenten. Gleichzeitig werden E-Bike-Fahrende, die tendenziell weniger schalten und meist in ihrer Lieblingsübersetzung bleiben, bemerkt haben, dass sich zum Beispiel an der Kassette zwei, drei Ritzel deutlich schneller und stärker abnutzen als die restlichen.
Ein anschließendes Austauschen der Komponenten kostet Geld, Zeit und Mühe. Nach Ansicht von Shimano möchten sich vor allem Einsteiger und Alltagsfahrer diesen Aufwand ersparen. Ihnen sind Komfort und lange Wartungsintervalle wichtiger als eine ultimative Schaltperformance und das geringe Gewicht einzelner Komponenten. Deshalb findet ihr Linkglide auch an E-Bikes verbaut, die genau auf diese Zielgruppe ausgerichtet sind.
1. Linkglide-Kassette
Zu den Teilen, an dem sich die Belastungen des Fahrradfahrens am schnellsten abzeichnen, gehört die Kassette. Deshalb hat Shimano einen Großteil seiner Aufmerksamkeit dieser Komponente gewidmet.
So haben die Japaner nach eigener Aussage das Zahnprofil verfeinert. Gleichzeitig fällt der Zahnfuß dicker und robuster als zuvor aus. Jeder einzelne Zahn behält demnach länger seine ursprüngliche Form, was weniger Kettensprünge zur Folge haben soll. Die Zähne bieten der Kette einen verbesserten Rückhalt. Interne Tests bei Shimano haben gezeigt, dass die Linkglide-Kassetten bei hohen Drehmomenten dreimal länger halten als vergleichbare HG-Kassetten.
Feintuning der Schalthilfen
Auf den Zähnen eines Schaltritzels befinden sich gefräste Strukturen, die Schalthilfen. Sie steuern den Lauf der Kette während des Schaltvorgangs und sorgen dafür, dass die Kette sauber auf das nächste Ritzel gelangt. Diese Schalthilfen wurden ebenfalls in puncto Design und die Position verändert, sodass die Kette sanfter zwischen den Ritzeln läuft. In der Praxis sollte ihr das vorrangig beim Hochschalten bemerken. Aufgrund der größeren Kräfte ist der Schaltruck gerade im Falle der E-Bikes dabei besonders stark. Diese konstruktive Verbesserung ist besonders vorteilhaft für E-Bikes.
Die bessere Funktionalität hat allerdings ihren Preis. Und der liegt bei rund 200 Prozent. Glücklicherweise gilt das nicht für den Kaufpreis, sondern für das Gewicht. Eine Linkglide-Kassette wiegt in etwa das Doppelte gegenüber einer Hyperglide-Version:
- Linkglide 11-fach Kassette mit 11-50 Z: 780 Gramm
- Hyperglide 11-fach Kassette mit 11-34 Z: 379 Gramm
- Linkglide 10-fach Kassette mit 11-43 Z: 634 Gramm
- Hyperglide 10-fach Kassette mit 11-34 Z: 351 Gramm
Positiv an der Stelle: Die Ritzel mit 11, 13 und 15 Zähnen könnt ihr einzeln ersetzen, sollte dies nötig sein. Bei einem Stückpreis von vermutlich unter fünf Euro pro Ritzel spart ihr im Zweifelsfall einiges.
2. Linkglide-Schaltwerk
An die Linkglide-Kassetten angepasst, gibt es auch entsprechende Linkglide-Schaltwerke. In denen verleiht ein verbesserter Stabilisator der Kette mehr Laufruhe und minimiert den initialen Ruck während des Schaltvorgangs. Die Folge soll ein sanfteres Schalterlebnis sein. Zudem spricht Shimano von einem flachen Profil der Linkglide-Schaltwerke, die für den Einsatz abseits der Straße optimiert wurden.
3. Linkglide-Schalthebel
Aufgrund der spezifischen Abstände der Ritzel auf den Linkglide-Kassetten gehören zum LG-Kosmos auch eigene Schalthebel. Ihr Übersetzungsverhältnis weicht von dem anderer 11- und 10-fach-Systeme von Shimano ab. Über entsprechende Stellschrauben könnt ihr an ihnen jedoch wie gewohnt die Position der Hebel einstellen und an eure Bedürfnisse anpassen. Die Bedienung an sich ist mit der anderer Schalthebel des Herstellers identisch.
Bei der Linkglide-Gruppe für das 11-fach-System gibt es sowohl den Schalthebel, den ihr dank I-SPEC EV direkt mit dem Bremshebel verbinden könnt, als auch den Hebel mit der Klemmschelle. Beim 10-fach-System beschränkt sich das Angebot auf die Version zur Klemmschellenmontage. Dafür könnt ihr dort an der Ganganzeige eure aktuell gewählte Übersetzung ablesen.
4. Linkglide-Kette
Theoretisch hätte Shimano auf eine spezielle Linkglide-Kette verzichten können. Unter dem Label E-Bike Rated“ führt der Hersteller bereits mehrere Ketten im Sortiment, die nicht nur auf die Anforderungen von E-Bikes ausgelegt, sondern auch mit Linkglide kompatibel sind. Dazu zählt ebenso die als „E-Bike Designed“ ausgezeichnete Kette CN-E8000-11. Dennoch ist mit der neuen CN-LG500 ein weiteres Produkt erhältlich. Das kostet weniger als die vorher genannten Ketten und kann an jedem mit Linkglide ausgestatteten E-Bike genutzt werden.
Folgende bereits vorhandenen Ketten sind mit Linkglide kompatibel:
- CN-E8000-11
- CN-HG901-11
- HG701-11
- HG601-11
Mit einer Aussage zur Haltbarkeit hält sich Shimano etwas zurück. Der Hersteller betont, dass ein geringerer Verschleiß nur zu erwarten ist, wenn auch regelmäßig geschalten wird. Dann habe die CN-LG500 besonders beim Hochschalten Vorteile. Wer jedoch stets im selben Gang bleibt, wird keinen Unterschied zu Hyperglide-Ketten wahrnehmen.
5. Kompatibilität von Linkglide zu anderen Shimano-Gruppen
Die Linkglide-Technologie ist für die 1×10 und 1×11 Deore XT-Gruppe sowie die Deore-Gruppe gedacht. Allerdings handelt es sich um eine größtenteils in sich geschlossene Welt. Wer „normale“
Deore XT sowie Deore-Komponenten fährt, kann hier nichts miteinander vermischen. Wer auf Linkglide wechseln möchte, muss das komplette Programm wählen:
- Kassette
- Schaltwerk
- Schalthebel
- Kette optional
Zum Antrieb gehören natürlich auch Kurbel und Kettenblatt. Bei E-Bikes mit einem E-Antrieb von Shimano kommen ausschließlich 1-fach-Kurbelgarnituren zum Einsatz. Hier gibt es weniger strenge Rahmenbedingungen. Alle 1-fach-Kurbeln und Kettenblätter von Shimano Deore XT sind mit dem Deore XT Linkglide System kompatibel. Das gleiche gilt für alle Deore 1-fach Kurbeln und Kettenblätter sowie das Deore Linkglide System.
Bilder: Shimano
Hallo Redaktion,
ihr schreibt: „Der Hersteller betont, dass ein geringerer Verschleiß nur zu erwarten ist, wenn auch regelmäßig geschalten wird.“ Heist das also das die Kettenblätter vorne bleiben können wie sie sind? Denn für Bosch ebikes gibt es ja keine Linkglide Kettenblätter, oder?
Mit obigem Satz ist für mich Shimanos Argumentation für längere Haltbarkeit von Kette und Kasette nicht schlüssig:
Ich dachte der höherer Verschleiß beim ebike liegt am höheren Drehmoment und nicht mit der Anzahl der Schaltvorgänge, die beim ebike und beim normalen bike wahrscheinlich ähnliche Häufigkeiten aufweisen.
Die Linkglide Kette ist laut spec gegenüber der normalen 11 fach Kette nicht schwerer und dementsprechend auch nicht verstärkt. Und der Verschleiß der Ritzel der Kasette ist wahrscheinlich eher der Kettenlängung geschuldet, nach meinem Verständnis. Da aber die Kasette deutlich mehr Material aufweist, hält sie wahrscheinlich auch dementsprechend länger. Nur sollte es dann für ebike auch verstärkte Kettenblätter geben. Insbesondere für alte Bosch ebikes mit 15 Zähnen wäre das erstrebenswert.
Langzeit Verschleißtests wären auf jeden Fall interessant interessant.
Vg
Josch
Hallo Josh,
die Bemerkung ist zu verstehen, dass der Verschleiß sich nicht großartig verringert, wenn man stets im selben Gang fährt und dem Motor die restliche Arbeit überlässt. Das Fahren im zur Situation passenden Gang hat einen großen Einfluss auf die Lebensdauer der Komponenten einer Schaltung. Der Klassiker ist dabei immer das Anfahren in einer zu großen Übersetzung.
Komponenten der Linkglide-Gruppe sind tatsächlich nicht durchweg schwerer als andere. Die bessere Haltbarkeit wird unter anderem durch andere Konstruktionen, Beschichtungen und Materialien erreicht. Das zusammen führt bei manchen Linkglide-Ketten sogar zu einem geringeren Gewicht gegenüber anderen E-Bike-Ketten von Shimano.
Und noch ein Satz zum Kettenblatt. Du zielst mit deiner Bemerkung auf das Antriebsritzel vom Motor ab. Dieses System verbaute Bosch ja nur in seinen Antrieben der ersten und zweiten Generation. Aufgrund der geringen Zähneanzahl war da Verschleiß noch ein riesiges Thema. Linkglide ist auf die heute Zeit mit großen Kettenblättern ausgelegt. Und in der ist der Verschleiß bei einem Kettenblatt mit meist deutlich mehr als 30 Zähnen weniger dramatisch. Dort kann sich Belastung einfach auf eine größere Fläche verteilen.
Sportliche Grüße, Matthias
Hallo Michelle von Burg,
woow meinen tiefen Respekt hast du! 👍💐
Ich bedauere oft mit meinen 60 Jahren, dass ich für diesen wunderbaren Sport einfach 30 Jahre zu früh geboren wurde. Aber wenn ich deinen Beitrag lese, dann hab ich Mut und Zuversicht und freue mich auf das was noch kommen mag. 👍👏🙂
Auch ich bin gerade dabei mein E-mtb von 12-fach auf 10-fach Linkglide umzurüsten und warte gespannt mit großer Vorfreude auf die neue Saison! 😎
Allzeit gutes biken und Herzliche Grüße von der Saarschleife, auch ans gesamte Elektrofahrrad24-Team. 👋
Zoltan Zifko
Ich kaufe mein letztes E-Bike.
Was ist für eine 86jährige E-Bike Fahrerin zu empfehlen? Ich stehe vor der Wahl:
Deore -10 Linkglide oder Deore XT-11 Linkglide?
Jetzt fahre ich SRAM Dual drive mit 27 ÜBERSETZUNGEN, Schaltmöglichkeit ECO, Standard und High, sowie 3 weitere Stufen zu wählen je nach Geschwindigkeitstufe.
Wert wird auf viele Übersetzungen gelegt, wobei die kleinste am Berg in meinem Alter sehr wichtig ist.
Schalten war nie meine Spezialität…..
Danke für baldige Antwort und liebe Grüsse.
M. von Burg
Hallo Michelle,
wenn du die Wahl hast und wirklich beide Optionen für dich infrage kommen, dann rate ich dir eindeutig zur XT-Variante mit 11 Ritzeln. Dort hast du mit einem großen 50er Ritzel noch ein zusätzliches Ritzel im Vergleich zur Deore-Variante, wo bei maximal 43 Zähnen schon Schluss ist. Am Berg wird das einen deutlichen Unterschied machen.
Dein Alter ist dem Falle aus unserer Sicht für die Kaufentscheidung übrigens nicht ausschlaggebend. Wenn du mit 86 Jahren noch derart fit bist, wirst du sicher noch ein paar weitere Jahre fahren. Da zahlt sich die Standfestigkeit der Schaltgruppe aus. Und sollte es anders kommen, sind die Komponenten noch gut in Schuss, für die Person, die danach das Fahrrad nutzen wird.
Sportliche Grüße und allseits gute Fahrt
Matthias