Bei Cannondale hat der sportliche Teil der Familie Zuwachs erhalten. Der Neuling ist ein wenig schmal auf den Rippen. Trotzdem kein Grund zur Sorge – das Kind mit Wunschgewicht steht voll unter Strom und fiebert seiner ersten Ausfahrt entgegen.
Topstone Neo SL heißt das neue E-Gravelbike für die Saison 2021. Es erweitert die bisherige Fraktion dieser vielseitigen E-Bikes bei Cannondale um den Motor ebikemotion X35+ von Mahle. Alle vorhandenen Topstone Neo-Modelle beruhen auf einem Antrieb von Bosch von Performance CX-Motor, PowerTube-Akku und Kiox-Display.
Nun also zwei Modelle – Topstone Neo SL 1 und Topstone Neo SL 2 – mit einem wesentlich schlankeren System, das weniger Leistung mitbringt, sich aber deutlich unauffälliger im E-Bike integrieren lässt. Auf bloße Zahlen heruntergebrochen, bedeutet das gerade einmal 40 Newtonmeter an Drehmoment und aufgrund des 250- Wattstunden-Akkus eine maximale Reichweite von rund 70 Kilometern.
Schön natürlich soll es sein
Fans dieser Variante dürfte dies herzlich wenig jucken. In ihren Augen leuchtet vermutlich vor allem das „SL“ auf – eine gängige Abkürzung für „super light“. Ein kurzer Blick in die technischen Daten verrät: Wir reden hier über 12,9 Kilogramm für das Topstone Neo SL 1. Beim Topstone Neo 4 kommt ihr beispielsweise auf rund 17 Kilogramm. Auch wenn die Hersteller stets betonen, dass Gewicht bei einem E-Bike eine untergeordnete Rolle spiele, beeinflusst es definitiv das Fahrgefühl. Knapp 13 Kilogramm versprechen ganz klar ein Erlebnis, das wesentlich näher an dem dran ist, das ihr mit einem Fahrrad ohne elektrische Unterstützung hättet. Stichwort natürliches Fahrgefühl ? Und ziemlich genau danach sucht sicher ein Großteil derjenigen, die über das Topstone Neo SL stolpern.
Mit gewissen Unterschieden müssen jedoch auch diejenigen rechnen. Hauptgrund dafür ist die Tatsache, dass sich Cannondale mit der Entscheidung für diesen Antrieb gleichzeitig vom Mittelmotor verabschiedet hat. Beim Aggregat von Mahle handelt es sich um einen Hinterradnabenmotor. Bekanntermaßen leiden Komponenten wie Ritzel und Ketten weniger unter dem. Allerdings verändert der eben auch die gewohnte Balance des Fahrrades. Der Schwerpunkt ist nicht mehr so tief und zentral wie bei einem Mittelmotor. Meist vergeht ein wenig Zeit, bis man sich daran gewöhnt hat.
Ein Hauch von Profiradsport
Großer Pluspunkt des Bikes ist aus unserer Sicht sein Rahmen. Der ähnelt doch sehr stark dem ursprünglichen Topstone Carbon, dem ersten ausgewiesenen Gravelbike von Cannondale, das natürlich ohne E-Antrieb daherkam und weiterhin daherkommt. Mit diesem Rad hat der US-amerikanische Hersteller zum Beispiel das Profi-Radsportteam EF Cycling ausgerüstet. Dessen Fahrer haben damit knochenharte Rennen wie das GB Duro bestritten.
Zwar fehlt am Topstone Neo SL die typische Kingpin-Dämpfung mit ihren 30 Millimetern Federweg und als Rahmenmaterial ist Aluminium statt Carbon gewählt worden. Entscheidende Details wie Sitzwinkel, Steuerwinkel und die horizontale Länge des Oberrohrs sind jedoch nahezu identisch. Ihr werdet auf dem Bike also in einer ganz ähnlichen Position sein wie die Profis. Der Radstand fällt beim E-Bike allerdings deutlich größerer aus – ein Fingerzeig, der eher in Richtung Straße weist. Defacto wird sich das Topstone Neo SL nicht ganz so wendig dirigieren lassen, wie die erwähnte Vorlage aus Carbon. Dafür könnt ihr ein laufruhiges Fahrrad erwarten, das auch beherrschbar bleibt, wenn ihr geradeaus den Berg hinabschießt.
Alles dabei, aber nicht überall hin
Neben der Geometrie gefallen uns die zahlreichen Aufnahmen für Flaschen, kleine Taschen und anderes Zubehör am Rahmen. Sitzrohr, Unterrohr Oberseite, Unterrohr Unterseite und zweimal am Oberrohr – das ist eine Ansage. Somit habt ihr genügend Optionen, eure Ausrüstung für ausgedehnte Graveltouren genau dort anzubringen, wo sie für euch am besten erreichbar ist. Da können sich etliche Mitbewerber in diesem Segment eine Scheibe abschneiden.
Angesichts solch ausgesprochener Reisetauglichkeit überrascht die Beschränkung bei der Reifenfreiheit auf eine Breite von 42 Millimetern. Das hätte gern etwas mehr sein können. Für die berühmtberüchtigte Schotterpiste reicht es locker. Aber unwegsameres Gelände bleibt euch damit eher verwehrt.
Ein Kettenblatt oder lieber zwei?
Gut möglich, dass sich die Entscheidung zwischen Straße und Gelände auch bei der Modellwahl abbilden wird. Cannondale ist das Thema offensiv angegangen und hat den beiden Neulingen unterschiedliche Konzepte verpasst. Das Topstone Neo SL 1 entspricht eher dem Bild, das man bei denjenigen antrifft, für die sich Gravel hauptsächlich im Wald abspielt. Will heißen, ein Kettenblatt in Kombinationen mit einem 11er-Ritzelblock.
Wer mit dem E-Gravelbike deutlich mehr auf befestigten, kleinen Straßen und Wegen unterwegs ist, tendiert häufiger zum 2fach Antrieb. Im Falle des Topstone Neo SL 2 bedeutet dies zwei Kettenblätter mit 30 und 46 Zähnen sowie eine Kassette mit zehn Ritzeln in der Abstufung 11 bis 34 Zähne. Mit einer solchen Ausstattung fallen die Unterschiede zwischen den jeweiligen Gängen wesentlich kleiner aus. Zudem schont ihr die äußersten und innersten Ritzel der Kassette, weil die Kette mithilfe der beiden Kettenblätter sehr oft fast genau parallel verlaufen kann. Viele empfinden diese Variante als etwas flüssiger. Um das auszunutzen, müsst ihr aber auch fleißig schalten.
Merkliche Preisunterschiede
Eine größere Auswahl birgt ja auch so manche Tücke. Topstone Neo SL 1 und Topstone Neo SL 2 erschweren die Entscheidungsfindung bei der möglichen Suche nach einem neuen E-Bike vermutlich eher, als dass sie sie erleichtern. Das gilt sowohl für das Sortiment von Cannondale als auch für das gesamte Portfolio über alle Hersteller hinweg. Wer sich den Preis hernimmt, wird nämlich feststellen, dass beide Topstone Neo SL-Modelle ziemlich attraktiv sind.
Ansatzweise vergleichbar sind zum Beispiel das Topstone Neo SL 2 und das Topstone Neo Carbon 4. Beide Bikes haben 2fach Antriebe montiert und keine Lefty-Federgabel, die Cannondale ja auch immer noch bereithält. Zwischen ihnen tut sich eine Lücke von 1.900 Euro zugunsten des zudem leichteren Modells auf. Dagegen hält das Carbon 4 den leistungsstärkeren Bosch-Antrieb mit eigenem Display und den Carbonrahmen mit Kingpin-System für höheren Fahrkomfort. Zum Glück ist das eure Entscheidung und nicht meine.
Allgemeine technische Details des Cannondale Topstone Neo SL
- Rahmen: SmartForm C2 Aluminium
- Gabel: Full Carbon, 1-1/8″ to 1.5″ steerer
- Motor: Mahle ebikemotion X35+, 250 W
- Akku: Mahle ebikemotion X35, 250 Wh
- Bedieneinheit: Mahle ebikemotion iWoc ONE integrated controller
- Vorderradnabe: Formula CRX-512, 12 x 100mm thruaxle
- Hinterradnabe: EbikeMotion X35+
- Reifen: WTB Resolute TCS, 700 x 42c, tubeless ready
- Lenker: Cannondale 3, butted 6061 alloy, 16 deg flare drop
- Vorbau: Cannondale 3, 6061 Alloy, 31.8, 7°
- Bremsen: Shimano GRX 400 hydraulic disc, 160/160mm RT56 rotors
- Sattel: Fabric Scoop Shallow Sport
- Sattelstütze: Promax SP-2032, Carbon, 27.2
- Konnektivität: Cannondale Wheel Sensor
- Größen: SM, MD, LG, XL
- Maximal zugelassenes Gesamtgewicht: 150 kg
Spezifische Ausstattung am Cannondale Topstone Neo SL 1
- Kurbel: Shimano GRX 600, 40T
- Kassette: Shimano SLX, 11-42, 11-speed
- Schaltwerk: Shimano GRX 812, Shadow RD+
- Farbe: Agave
- Gewicht: 12,9 kg
- Preis: 3.399 Euro
Spezifische Ausstattung am Cannondale Topstone Neo SL 2
- Kurbel: Shimano GRX 600, 46/30
- Kassette: Shimano HG500, 11-34, 10-speed
- Umwerfer: Shimano GRX 400, braze-on w/ band clamp adapter
- Schaltwerk: Shimano GRX 400, Shadow RD+
- Farbe: Graphite
- Gewicht: 14,7 kg
- Preis: 2.899 Euro
Bilder: Cycling Sports Group, Inc.